Das Wohnen der Zukunft würde man wohl eher in den Metropolen der Welt erwarten, aber nicht in der kleinen hessischen Gemeinde Eichenzell. Doch das dortige Appartementprojekt Riedwiese nimmt die Antworten auf viele in der Energiewende diskutierte Fragen vorweg. Es setzt auf hohe Stromeigenversorgung, Infrarotheizungen statt Wärmepumpe, intelligente Automation und bietet den Bewohnern neben viel Komfort ein All-inclusive-Mietmodell.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Das Appartementprojekt Riedwiese zeigt: Das Heizen ist nur ein (wenn auch wesentlicher) Bestandteil der Wohnwelt von morgen.
■ Zukunftsfähige Gebäude brauchen eine ganzheitliche intelligente Automationslösung, auch um den Energieeinsatz zu optimieren und dadurch finanzielle Einsparpotenziale nutzen zu können.
Über das Heizen der Zukunft ist seit Monaten eine facettenreiche politische Diskussion entbrannt. Da kommt das Appartementprojekt Riedwiese in Eichenzell mit 20 Wohneinheiten ein wenig wie ein bekanntes kleines gallisches Dorf daher. Statt über Einzellösungen nachzugrübeln, haben sich die Projektverantwortlichen dort überlegt, wie nachhaltiges und wirtschaftliches Wohnen ganzheitlich zusammengehen kann.
Die Lösung ist verblüffend anders und vor allem einfach – auch wenn sich das erst auf den zweiten Blick offenbart. Denn entstanden ist ein volldigitalisiertes smartes Wohnprojekt, das komplett auf Elektrizität setzt, aber zum Beispiel auf Wärmepumpen verzichtet. Für eine hohe Eigenversorgung sorgen eine große Photovoltaik-Anlage und Speicherlösung in Kombination mit einem flexiblen Stromtarif.
All-inclusive-Mietmodell
Die Orchestrierung übernimmt eine Loxone-Lösung, die alle Verbraucher flexibel und optimiert regelt und zugleich Komfort für die Bewohner bietet. Angesichts des optimierten Energieverbrauchs und der digitalen Kostentransparenz haben sich die Investoren entschlossen, die insgesamt 20 Wohnungen (80 bis 140 m2 Wohnfläche) in einem ungewöhnlichen All-inclusive-Mietmodell inklusive Kosten für Strom, Heizung, Wasser oder Glasfaseranschluss anzubieten.
Initiator Joachim Weber: „Wir wollten ein Wohnprojekt entwickeln, das nachhaltig und zugleich kosteneffizient für den Mieter aber auch den Bauherrn ist. Dazu haben wir uns für die Planung und Ausführung an die KSE Konzept GmbH gewendet, die alle unsere Vorstellungen über modernes Bauen und smartes Wohnen umsetzen konnte. Durch das volldigitalisierte Projekt können wir auch ungewöhnliche Ansätze wie etwa das All-Inclusive-Mietmodell realisieren.“
Saisonaler Zusatzbedarf wird zugekauft
Im Rahmen des All-inclusive-Mietmodells zahlen die Mieter eine einzige Pauschale, darin enthalten sind Heizung, Strom, Glasfaseranschluss, Wasser und die üblichen Nebenkosten. Weber: „Dazu kommt eine smarte Bedienung der Wohnung mit allen Annehmlichkeiten, die man sich vorstellen kann. Das Wohnbauprojekt produziert mehr Energie als es in Summe verbraucht, den wenigen Zusatzbedarf in den Wintermonaten kaufen wir an der Strombörse zu Tages-Niedrigstpreisen ein und speichern diesen für einen bedarfsgerechten Verbrauch.“
Aus Sicht der intelligenten Automation war dies beim Projekt Riedwiese eine besondere Herausforderung und zugleich die Chance, ihre smarten Möglichkeiten aufzuzeigen. Denn es galt, mit einem System und einer App den gesamten Gebäudekomplex steuern, verwalten und visualisieren zu können.
Die Prozesse im Appartementprojekt sind dabei komplex. Das liegt zum einen an den besonderen Verbrauchssituationen. So kommen statt Wärmepumpen deutlich flexibler zu steuernde Infrarotheizungen zum Einsatz. Durchlauferhitzer sorgen für kurze Wege beim Warmwasser und werden ebenso wie die Beleuchtung und alle anderen Verbraucher mit dem Loxone-Energiemanagement von den eingesetzten Loxone-Miniservern gesteuert und geregelt.
226 kWh Stromspeicherkapazität
Jede Wohnung verfügt über einen eigenen Miniserver, hinzu kommt ein zentraler Miniserver für das Gesamtsystem, um zum Beispiel das Lastmanagement oder die zehn Wallboxen zu regeln. Dies gilt auch für das Herzstück der Anlage: die gemeinsam genutzte Photovoltaik-Anlage mit 220 kWp sowie zwei Stromspeicher mit 154 kWh beziehungsweise 72 kWh Kapazität.
Beide Speicher haben eine Be- und Entladeleistung von jeweils 60 kW. Diese ermöglichen die Vorteile einer direktelektrischen „Nahwärmelösung“ und in Kombination mit dem Loxone-Energiemanagement einen Autarkiegrad von deutlich mehr als 80 %.
Optimierung nach Börsenstrompreis
Zudem kommen nur bei einer volldigitalisierten Lösung wie im Projekt Riedwiese die Vorteile einer weiteren Besonderheit des Projekts zum Tragen: des flexiblen Stromtarifs. Hier gilt sowohl bei Nutzung als auch bei der Einspeisung der aktuelle Börsenstrompreis, der sich alle 15 Minuten ändert. Das kann auch mal dazu führen, dass die Heizungen für 15 min ausgeschaltet werden, im Normalfall bedeutet dies aber keine Komforteinschränkungen für die Bewohner.
Der Strompreis wird von der miniserverbasierten intelligenten Regelung ausgewertet und der Energiebezug entsprechend geregelt. So werden etwa zu Zeiten, in denen die Energie günstig ist, die Speicher geladen. Zu hochpreisigen Zeiten geben sie dann Energie für den Hausverbrauch frei. Auch die Wallboxen werden automatisch nur in Zeiten mit günstigem Strompreis freigeschaltet.
Das Energiemanagement betrachtet auch den Überschuss der Photovoltaik-Anlage, jedoch finanziell optimiert: Ist die Einspeisevergütung höher als der Bezugspreis, wird die Energie weiterhin aus dem Netz gezogen, um für Haus, Speicher und Wallboxen genutzt zu werden.
David Mehler, Smart-Home-Experte und Projektleiter Riedwiese bei KSE Konzept: „Loxone ist das einzige uns bekannte System, das einer solch komplexen Anforderung gewachsen ist. Wir haben bei diesem Projekt alles über Loxone-Komponenten gelöst. Deren konsequente Verwendung in allen Bereichen ermöglicht unseren Kunden die Nutzung eines Miniservers als Trust-Master. Hier können alle notwendigen Einstellungen für Zutritt und Benutzerberechtigungen verwaltet werden. Nach der Logik ‚verstehen, reduzieren, verlagern‘ wird der Energiefluss beobachtet, Zählerstände sowie aktuelle Leistungen der Wohnungen eingesehen und bei Bedarf auch Ladung und Entladung des Stromspeichers vorgegeben.“
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