Dass der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoß im Gebäudesektor erheblich gesenkt werden müssen, ist unbestritten. Über das Wie und die effizientesten Wege gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Einen interessanten Strategieansatz hat die Theben AG vorgestellt. Er setzt dafür auf smarte Lösungen ohne Komfortverzicht und sieht in „Human Centered Building Automation“ einen wichtigen Schlüssel, um Gebäude mittels einer smarten und bedarfsgerechten TGA-Planung, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht, so energieeffizient wie möglich zu gestalten. Am Runden Tisch diskutierten den Ansatz mit der TGA+E-Redaktion: Paul Sebastian Schwenk von der Theben AG sowie Alexander Schillsott und Stefan Wachter von der Schnepf Planungsgruppe Energietechnik.
TGA+E-Redaktion: Herr Schwenk, zur Light + Building im Oktober 2022 haben Sie für die Herausforderung Energieeinsparung und Dekarbonisierung im Gebäudesektor den Ansatz „Human Centered Building Automation gegen die Energie- und Klimakrise“ vorgestellt. Bitte geben Sie uns eine kurze Einführung.
Schwenk: Man kennt den Ansatz bereits aus dem etablierten Lichtmanagement Human Centric Lighting und er ist auch ein Stück weit abgeleitet von der Human Centered Architecture, eben das Zentrieren auf den Menschen. Im Handel heißt es Kundenzentrierung und im Gebäude benötigen wir eine Nutzerzentrierung – wir müssen den Nutzer beziehungsweise seinen Bedarf in den Mittelpunkt der Planung und der Realisierung stellen. Und das unter dem Aspekt der Energiewende. Auf der Light + Building hatten wir den Ansatz sogar in den Kontext „gegen die Energie- und Klimakrise“ gestellt – eine Woche vor dem Beginn der Messe hatten Sprengungen beide Stränge der Nord-Stream-Pipelines unbrauchbar gemacht.
Natürlich geht es auch darum, sich ein Stück weit abzugrenzen vom Wettbewerb indem wir mahnen: nicht so viel wie möglich in ein Gebäude packen, sondern es so effizient wie möglich zu gestalten, beispielsweise mit einem Energiemanagement. Letztendlich müssen wir uns alle der Aufgabe stellen, den CO2-Rucksack von Gebäuden zu verringern.
Zur Human Centered Building Automation gehört deshalb auch, sich genau den Bauprozess anzuschauen. Je weniger Schlitze gefräst und je weniger Geräte verbaut werden müssen, desto besser. Und es geht auch um Nachhaltigkeit: Nicht nur jetzt den direkten Nutzen in Form von Funktion, sondern auch die Langlebigkeit in den Mittelpunkt zu stellen und so dem Nutzer auch langfristig zu dienen. Es geht darum, nicht nur preis-, funktions- oder komfortgetrieben zu agieren, sondern den Nutzern oder Bewohnern ein maximales Gesamtpaket zu bieten.
TGA+E-Redaktion: Wenn man etwas Neues macht, könnte man auf den Gedanken kommen, dass das Bisherige nicht ideal gewesen ist oder es sind sogar Fehler gemacht worden? Dass Automatisierung ein großer Hebel für Energieeffizienz ist, ist unstrittig. Doch wo muss der Fokus bei der Gebäudeautomation konkret geschärft werden?
Schwenk: Unser Ansatz sind zum einen hoch performante Produkte. Beispielsweise Präsenzmelder, die einen maximalen Erfassungsbereich haben. Dann benötige ich nur ein statt sonst zwei oder drei Geräten. Schon durch das Grundkonzept Licht über Präsenz zu steuern, kann der eine oder andere Taster und alles was bis zum Schlitzen dazu gehört, eingespart werden.
Es geht aber nicht um in der Vergangenheit gemachte Fehler, sondern darum, die heute aufgrund der technischen Evolution zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gezielt zu nutzen. Schon vor über zehn Jahren gab es die Idee „Häuser ohne Schalter“. Heute ist so etwas einfach zu realisieren, damals war der Aufwand viel zu groß und vieles noch nicht so ausgereift, dass es dann auch den erwarteten Komfort gebracht hätte.
TGA+E-Redaktion: Also haben wir quasi still und heimlich die Möglichkeit im Hintergrund geschaffen, um jetzt einen größeren Wurf oder sogar eine Wende nach vorne zu schaffen in der Gebäudeautomation?
Schwenk: Ja, aber in der logischen Konsequenz zukunftsfähiger Automation mit offenen Standards ist das nicht Theben-exklusiv. Es ist ja nicht so, dass wir ein Portfolio haben mit dem es bei Human Centered Building Automation nur um Theben-Lösungen geht. Wir versuchen den Marktakteuren zu vermitteln: Setzt die richtigen Produkte ein, geht nicht nur auf den Preis, geht auf das Gesamtpaket und das findest du bei Theben durchaus in den Bereichen, die wir abdecken – und dann in der Regel immer mit höchsten Qualitätsansprüchen und maximaler Performance in der Funktion.
TGA+E-Redaktion: Herr Schillsott, Zustimmung? Widerspruch?
Schillsott: Für unsere Kunden kann ich bestätigen, dass sie eine ordentliche und langlebige Qualität fordern, ebenso eine hohe Behaglichkeit für ihre Mitarbeiter und entsprechend beste Bedingungen für ihre Produktionsbereiche.
In Bürogebäuden usw. ist es ebenfalls Wunsch der Fachplaner und besonders der Architekten, möglichst wenige Geräte für die Automation pro Raum zu verbauen. Will man in einem Raum die Luftfeuchte, die Temperatur und die CO2-Konzentration messen und benötigt noch Rauchwarn- oder Brandmelder und Präsenzmelder, dann können wird das „wunderbar“ auf die gesamte Decke verteilen, die ist dann voll und der Architekt „begeistert“.
Um es besser zu machen, sind wir auf Produkte angewiesen, bei denen die erforderlichen Sensoren und Funktionen über möglichst wenige Bauteile an die Decke gebracht werden können. Das minimiert auch Schnittstellen. So vereinfachen sich die Planung, die Installation, die Inbetriebnahme und auch die Fehlersuche.
TGA+E-Redaktion: Herr Wachter, Schnittstellen, das ist ihr Thema …
Wachter: Multifunktionale Geräte sind ein sehr guter Ansatz. Man muss weniger Geräte beplanen und anschließen, das bringt in Summe auch eine gewisse Kosteneinsparung. Ein großer Vorteil ergibt sich aus der Anbindung über serielle Bus-Systeme. Gegenüber der früher praktizierten sternförmigen Anbindung analoger Signale ist das eine der angesprochenen technischen Evolutionen. Man spart nicht nur an der Anzahl der Geräte, man spart auch extrem bei der Verkabelung. Und natürlich Schlitze!
Wir haben in einem realen Projekt anhand einer Einzelraumregelung berechnet: Integriert man alle Funktionen über ein Bus-Systemn, spart man im Vergleich zur klassischen sternförmigen Anbindung bis zu 50 % der Kabel ein. Und man kann viel einfacher gewerkeübergreifend agieren und die MSR-Technik über Gateways beispielsweise ins KNX-System integrieren. KNX ist bisher eher auf das Gewerk Elektro ausgerichtet. Wir nutzen aber ganz verstärkt die Sensorwerte und teilweise auch die Aktorik, z. B. für die Verschattung.
Ein weiterer Vorteil kommunikativer Bus-Systeme ergibt sich aus der Bedienung. Die Nutzer können jetzt wirklich mit einem System interagieren und ein klassisches, häufig überfrachtetes Raumbediengerät ist dann oft gar nicht mehr notwendig. Es gibt heute andere Optionen. Beispielsweise ein App-Interface: Im Raum scannt man einen QR-Code und kann sich über eine zusätzliche Legitimation in die Bedienung einloggen. Und die Bedienebene kann hier frei gestaltet und einfach angepasst werden.
Schwenk: Die Anforderungen bei der Bedienung durch „Fremde“ sind immer die gleichen. Der eine mag 2 °C mehr, der andere 2 °C weniger. Aber niemand wird sich beschweren, dass die Luft zu frisch ist. Und wir sollten für eine Klimaanlage keine hässliche Fernbedienung an die Wand hängen, von der kein Mensch weiß, wie sie zu benutzen ist. Da muss mehr kommen: Eine Integration und Interaktion mit dem Gesamtsystem – der nächste Evolutionsschritt. Mit großem Abstand folgen bei den Nutzerwünschen „zu dunkel und „Licht ein / aus“ und eventuell „zu laut bzw. Schlafmodus“.
TGA+E-Redaktion: Mit der Vollintegration verschwimmen die Gewerkegrenzen bzw. ordnen sich die Verantwortlichkeiten neu. Kommt dann das dicke Ende bei der Inbetriebnahme bzw. in der Leistungsphase 10?
Schillsott: Die Inbetriebnahme ist definitiv eine sehr, sehr wichtige Phase für den Projekterfolg. Weil sie sehr MSR-betont ist, haben wir uns hierfür mit drei Spezialisten aufgestellt. Werden bei der Inbetriebnahme Fehler gemacht oder übersehen, funktionieren die Anlagen nicht richtig und die erwartete Energieeffizienz wird nicht erreicht.
Ziel der Inbetriebnahme muss es sein, eine sehr gute Funktion hinzubekommen. Ein Optimum beziehungsweise weitere Verbesserungen sind nur mit Anlagen- und Energiemonitoring im realen Betrieb zu erreichen. Denn der unterschiedet sich vor allem bei Neubauten aller Erfahrung nach bereits deutlich von der zur Inbetriebnahme anzunehmenden Nutzung.
Schwenk: Aber das, was Sie dem Kunden in Aussicht stellen, das erreichen Sie in der Regel?
Schillsott: Ja, das erreichen wir, definitiv.
TGA+E-Redaktion: Die abweichende Nutzung ergibt sich häufig auch „planmäßig“, beispielsweise durch gleitende Arbeitszeiten oder bei der tatsächlichen Belegung von Besprechungsräumen. Muss man zum Erfüllen der Kundenerwartungen die TGA überdimensionieren?
Schillsott: Die Belüftung kann mit der richtigen Sensorik fast simultan Laständerungen ausgleichen. Kritsch ist eigentlich nur die Temperatur. Hier müssen die Anforderungen schnell erfüllt werden. Früher wurden Heizkessel und RLT-Anlagen oft mit einer Reserve ausgelegt … Wenn wir heute von einer Wärmepumpe sprechen, dann kann man sich das nicht mehr erlauben, weil hier eine Überdimensionierung kontraproduktiv ist.
Aber wir müssen nicht in die Technikzentrale, sondern in die Aufenthaltsbereiche schauen. Bleiben wir beim Beispiel Besprechungsraum. Manchmal ist er durchgehend belegt, dann steht er wiederum zwei Tage leer. Dann soll sein Energieverbrauch auch gering sein, also eine abgesenkte Temperatur im Heizfall und eine etwas höhere Temperatur im Kühlfall mit Verschattung der Fensterflächen. Kennt die Gebäudeautomation die Nutzung, kann sie darauf reagieren, mit Kalender- oder Raumbuchungssystem auch vorausschauend.
Trotzdem sind für einen Besprechungsraum reaktionsschnelle Systeme erforderlich, beispielsweise Heiz- und Kühldecken, wo nach kurzer Zeit Strahlungswirkung zur Verfügung steht, um Behaglichkeit im Raum herzustellen. Und wenn die Nutzung beendet ist, können Heiz- und Kühldecken schnell in die Grundlast zurückgeführt werden. Nur im Raum muss man die volle rechnerische Leistung bereitstellen. Zudem ist zu beachten: Im Heizfall verringert die Nutzung die Last, im Kühlfall erhöht die Nutzung die Last.
Unsere Erfahrung ist jedoch: Üblicherweise liegt die tatsächliche Last des Gebäudes deutlich unter den Werten, die mit statischen Verfahren berechnet werden. Dann sind bei der Erzeugung eher Ab- als Zuschläge gefragt. Genauere Auslegungswerte liefert eine Gebäudesimulation. Die ist ohnehin oft angezeigt, beispielsweise wenn ein Eisspeicher zum Einsatz kommt. Je nach Nutzung und ab einer bestimmten Anzahl gleichartiger Räume gibt es für die Erzeugung einen Gleichzeitigkeitsfaktor. Das sieht man auch sehr eindeutig beim Anlagenmonitoring. Die Kälteerzeugung für das Gesamtgebäude hat dann oft nur eine Auslastung von 60 bis 70 %, obwohl sie rechnerisch bei 100 % laufen müsste.
Schwenk: Spannend. Das ist genau unser Ansatz in den Produkten. Nicht überdimensionieren, nicht mehr als nötig und vor allem bedarfsorientiert, also zu messen, wie viele Leute sind in dem Raum oder schon proaktiv oder präventiv zu reagieren, z. B. durch die Anbindung an ein Raumbuchungssystem. Und wenn erkennbar ist, dass während der Nutzung aus dem Heizfall ein Kühlfall wird, die Beheizung schon frühzeitig abzustellen.
TGA+E-Redaktion: Steht mit Künstlicher Intelligenz (KI) schon die nächste Evolution bei der Gebäudeautomation an, um proaktiv agieren zu können?
Wachter: Uns beschäftigt inzwischen bei fast jedem Projekt die Frage: Wo verankert man proaktive Logiken bzw. die Algorithmen am besten. Und dann sind wir schnell beim Thema KI. Hier ist sind Einer-, Zweier- oder Dreierbüros das bessere Beispiel, vor allem wenn es feste Arbeitsplätze und Teilzeitkräfte oder Homeoffice-Regelungen gibt.
Bei der Büronutzung gibt es dann typische Muster und KI kann lernen, zu welchen Tageszeiten oder an welchen Wochentagen ein Raum vorkonditioniert werden muss. Mit der Prognose für den Nutzungsbeginn, auch unter Berücksichtigung früherer Interaktionen der Nutzer mit der Automation, ließe sich ermitteln, zu welchem Zeitpunkt mit dem Heizen oder Kühlen begonnen werden muss, damit bei den aktuellen Randbedingungen – Außentemperatur, Raumtemperatur, Einstrahlung – die als behaglich akzeptierte Raumtemperatur erreicht wird.
Und wenn wir noch weiter in die Zukunft schauen: Zu welchem Zeitpunkt mit welchem Erzeuger bzw. Speicher gefahren werden muss, damit dafür aufgrund der bestehenden Energieverträge, der voraussichtlichen Eigenstromerzeugung und den am Markt alternativ erzielbaren Erlösen für die Stromproduktion die geringsten Kosten anfallen.
Ich denke, wir werden KI in der Gebäudeautomation künftig in vielen Bereichen sehen, weil es große Vorteile gegenüber fest programmierten Algorithmen gibt. Und weil es einfach ist, zahlenwertbasierten Antworten der KI Grenzen aufgrund der Betriebs- und Lebenserfahrung zu setzen. Es gibt auch schon einige spezialisierte Anbieter, die in dieser Richtung etwas anbieten. Hier sind dann die Schnittstellen, das Daten sammeln und die rechtlichen Anforderungen bei Daten die Herausforderung.
Schillsott: Es gab zwar auch schon früher ähnliche Ansätze, aber mit der Elektrifizierung geht die Gebäudeautomation künftig „auf die Straße“. Eine klare Tendenz sind Wärmepumpen und die benötigen zum Betrieb Strom. Doch woher kommt er? Kommt er vom eigenen Dach, kommt er aus dem öffentlichen Netz oder aus einem Stromspeicher? Wann kommt er aus welcher Quelle? Welchen Preis hat er zu welchem Zeitpunkt? Die Kette, die am Raum beginnt, geht über die Erzeugung bis zur Beschaffung weiter. Daraus ergeben sich künftig viele Fragen und Optimierungsansätze für die gesamte Anlagentechnik.
Schwenk: Ich bin sehr enthusiastisch, dass da bald viel passieren wird und dass wir künftig eine KI im Gebäude haben, die uns datenschutztechnisch in Ruhe lässt oder zufriedenstellt, aber trotzdem so viel über unser Verbrauchsverhalten weiß, dass man sich gar nicht groß um Dinge kümmern muss, die für Komfort und für Effizienz sorgen. Denn wer will schon dafür rumtippen, steuern und aktiv eingreifen müssen?
TGA+E-Redaktion: Obwohl wir mit „Häusern ohne Schalter“ gestartet sind, haben wir bisher nur wenig über Licht und Beleuchtung gesprochen.
Schwenk: Wir haben zum Beispiel das Spitalzentrum in Biel in der Referenzliste. Hier wurden die Verkehrsflächen von konventioneller Beleuchtung mit Kompaktleuchtstofflampen im Dauerbetrieb auf Ledvance-LED-Panels mit Theben Präsenzmeldern umgerüstet. Jeder Präsenzmelder steuert Lichtgruppen mit jeweils zwei bis vier LED-Leuchten. Gegenüber der alten Beleuchtung werden nun 82 % Energie eingespart, bei einer Erhöhung der Beleuchtungsstärke von 40 auf über 200 Lux. Dabei gehen 54 % der Einsparung auf das Konto der präsenzabhängigen Lichtsteuerung.
Das ist für mich Human Centered Building Automation: Nachhaltig und mit geringerem Energieeinsatz für die Menschen mehr Komfort und hier auch eine höhere Arbeitsplatzqualität und eine höhere Arbeitssicherheit erreichen. Für die Investoren amortisiert sich das auch im Bestand relativ schnell durch die direkten Einsparungen. Dazu kommen mehrere indirekte „Erlöse“, beispielsweise bei der Leistungsfähigkeit bzw. der Produktivität der Mitarbeitenden, denn bei Licht ist auch viel wohlfühlen im Spiel.
Das Spitalzentrum in Biel ist auch ein gutes Beispiel, dass wir Technologiewandel auch gewinnbringend in den Bestand tragen können. Typische Einsparungen liegen allerdings eher im Bereich von 30 %. Man sollte die Erwartungshaltung nicht zu hoch schrauben.
TGA+E-Redaktion: Wir haben bereits gute Argumente gefunden, warum man auf die Menschen zentriert automatisieren sollte. Was bedeutet das für die Interaktion? Wie viel Einfluss soll der Mensch (noch) haben?
Schwenk: Automation ganz allgemein und Human Centered Building Automation ganz speziell, soll den Menschen Vorteile bringen, nicht bevormunden. Was wir aber wissen: Der Mensch kann auf bestimmte Veränderungen in seinem Umfeld nicht rechtzeitig reagieren, insbesondere wenn es um die Luftqualität geht. Auch einen langsamen Temperaturanstieg merkt man erst verspätet. Mal rausgehen und neutralisiert wieder reinkommen, ist da keine geeignete organisatorische Lösung.
Hier muss Automation mit geeigneter Sensorik die Führung übernehmen. Auch bei der Lichtsteuerung sind für die meisten Szenarien die Anforderungen so eindeutig, dass eine hohe Automatisierung zu einer hohen Akzeptanz führt und vor Ort auf Bedienelemente weitestgehend verzichtet werden kann.
Schillsott: Herr Wachter hat ja vorhin schon auf einen Wandel bei der Bedienung hingewiesen. Schon für normale Betreiber, aber insbesondere für „neue“ Nutzer, etwa bei Hotelzimmern, sind heute vorzufindende Bediengeräte eher Stress- als Wohlfühlfaktor. Und ganz ehrlich, mir geht das auch so, wenn ich auf ein Produkt treffe, das ich nicht kenne. Da wird mal die Ist- und mal die Soll-Temperatur angezeigt und wie man etwas ändert, ist auch oft nicht plausibel. Und wenn man sich mit TGA nicht auskennt: Es fehlt in der Regel auch eine Bestätigung, dass nun der „Wunsch bearbeitet“ wird. In der Regel gibt es ja zunächst keine wahrnehmbare Reaktion…
TGA+E-Redaktion: … da sehnt man sich schon fast nach dem veränderten Strömungsgeräusch eines Thermostatventils ...
Schillsott: … bei einer mehrstufigen Lüftungssteuerung gibt es ein wahrnehmbares Feedback. In Hotels sind sie aber meist deaktiviert, was dann eventuell einen noch ratloseren Gast zurücklässt… Wie schon eben angesprochen, hat die Deaktivierung auch einen guten Grund: Der Gast könnte nur beim Betreten des Zimmers auf eine zu geringe Belüftung reagieren. Zu diesem Zeitpunkt sollte er aber das Gegenteil wahrnehmen, dazu muss die Luftqualität mit entsprechender Sensorik automatisiert sein.
TGA+E-Redaktion: Dann bräuchte man also eher eine Möglichkeit, der Automation ein Feedback zu geben? Es ist zu kalt, es ist zu warm, es ist zu hell oder zu dunkel?
Schillsott: Für die Temperatursteuerung gibt es etwas vergleichbares, das heute noch oft analog oder in die digitale Welt übertragen zu finden ist: Ein Potentiometer mit Plus-Minus-Skala ohne konkrete Temperaturangabe. Wichtig ist jedenfalls, dass der Nutzer nach der Bedienung davon ausgeht, dass jetzt eine Änderung erfolgt. Und es ist wesentlich, es gehört schon fast zu den Behaglichkeitskriterien dazu, dass man eingreifen kann. Wir kennen das alle: Kann man kein Fenster öffnen, kann die Luftqualität noch so gut sein und sie wird doch von vielen Menschen als stickig empfunden.
Nach dem gleichen Muster, muss die Temperatur beeinflusst werden können. Der Mensch muss eingreifen können. Für die Automation folgen daraus tendenziell höhere Anforderungen, beispielsweise: „Fester auf“ schaltet Klima und Heizung aus. Insbesondere müssen unbewusste Fehlsteuerungen verhindert werden.
Wachter: Und dazu kann es sehr schnell kommen, weil Nutzer im Normalfall eine Erwartungshaltung haben, wenn sie den Sollwert geändert haben, denn dafür hatten sie je einen guten Grund, ein Behaglichkeitsdefizit. Da ein Raum aber erst nach einer gewissen Zeit reagiert, werden Sollwerte meist zu stark verändert und unnötig viel Energie aufgewendet. Zudem kann auch der Standardwert gleiten, beispielsweise im Sommer bis zu einer Raumtemperatur von 26 °C. Solche Fahrweisen haben meistens auch Konsequenzen für die Dimensionierung der Erzeuger und der Übergabe, sodass dann beispielsweise eine Sollwertänderung auf 22 °C gar nicht erfüllt werden kann.
Der Diskussionspunkt „der Automation ein Feedback geben“ sollte deshalb erweitert werden: Auch die Automation sollte dem bedienenden Nutzer ein Feedback geben und anzeigen, dass sie reagiert. Im einfachsten Fall mit blinkenden Pfeilen nach oben oder unten. Klimaanlagen in Kfz visualisieren beispielsweise den Modus und den Erfüllungsgrad. Dynamisches Feedback bei Raumbediengeräten gibt es heute vorwiegend durch eine Visualisierung des Verbrauchsniveaus mit verschiedenfarbigen Blättern oder einer unterschiedlichen Anzahl von Blättern. Eine Sollwertänderung könnte man gut mit einer direkten Veränderung der Effizienz-Blatt-Anzeige kombinieren.
Schwenk: Anhand der Beispiele zeigt sich für mich ein großer Unterschied, ob wir von der Bedienung für das eigene Zuhause sprechen, wo man ökonomisch und ökologisch sensibler als vielleicht am Arbeitsplatz oder im Hotelzimmer agiert bzw. unterstützt von der Automation agieren möchte. Zuhause hat man natürlich auch den Vorteil, dass man die Bedienung kennt und mit der Technik vertraut ist und möchte immer häufiger auch Energiemanagement und -monitoring nutzen.
TGA+E-Redaktion: Um die aufgezeigten Möglichkeiten und Chancen zu ergreifen, sind Fachleute erforderlich. Herr Schillsott, Herr Wachter, können Sie ihre Teams jetzt einfach erweitern oder müssen Sie selbst ausbilden?
Wachter: Aufgrund meines Werdegangs habe ich eher zufällig die gefragten Fachbereiche Elektrotechnik, Automatisierung, Kraftwerkstechnik, Thermodynamik und Gebäudetechnik durchlaufen. Soweit ich weiß, gibt es bisher keinen reinen Bachelor-Studiengang Gebäudeautomatisierung. Es gibt Master-Studiengänge für die Gebäudeautomatisierung, die beispielsweise auf Versorgungstechnik oder vergleichbare Studiengänge aufbauen.
Die Voraussetzungen verdeutlichen das Dilemma: Wenn ich die Behandlungsstufen einer Klimaanlage nicht verstehe, wie soll ich sie dann richtig automatisieren? Bisher ist es so: Auch mit Masterabschluss fehlt Berufseinsteigern entweder vertiefendes Wissen im Bereich Elektrotechnik oder im Bereich Anlagentechnik.
Schillsott: Es sind quasi drei Ausbildungen erforderlich. Man braucht einen gelernten Elektriker, der noch einen Abschluss im Bereich Heizung, Lüftung und Sanitär und dann einen Master für Gebäudeautomatisierung macht. Die laufen nicht einfach auf der Straße herum.
TGA+E-Redaktion: Wir haben in vielen Bereichen der TGA-Planung die Herausforderung, dass man sie nicht auf beliebig viele Köpfe verteilen kann …
Schwenk: … die sich auch ständig weiterentwickeln müssen. Wir müssen deshalb menschenzentriert in der gesamten Kette denken und handeln. Nach dem Planer, kommt der Installateur. Für ihn gehören auch Komfort und Einfachheit beim Einbau und bei der Inbetriebnahme zu den wichtigen Aspekten, genauso unser Service, die Betreuung durch unsere Objekt- und Planerberater.
Denn der Installateur, der sich irgendwann für Theben-Produkte entschieden hat, braucht beim Verbauen auch mal Unterstützung und ruft dann an. Auch dabei geht es um Menschen. Und dann der Nutzer: Hier geht es viel um Komfort und um Energieeffizienz. Und er ist über viele Jahre konfrontiert mit dem Produkt und seinen Leistungen. Da muss es der Anspruch sein, dass seine Belange im Mittelpunkt stehen.
TGA+E-Redaktion: Ein passendes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch.