Durch den Einsatz bildgebender Diagnostikgeräte hat das Ärztehaus MVZ Diagnostikzentrum Radiologie in Marburg einen enormen Stromverbrauch. Im Rahmen einer Modernisierung des Bestandbaus war es deshalb angezeigt, diesen zu einem möglichst großen Teil mit vor Ort erzeugtem Solarstrom zu decken.
Architekt Hagen Plaehn von a.p.l. – architekten plaehn und lüdemann hat das mehrstöckige Gebäude dafür in einen modernen und zugleich funktionalen, nachhaltigen Bau verwandelt (Bild 1). Hierbei wurde auf grundlegende Veränderungen der Bausubstanz verzichtet. Diese wurde stattdessen aufgegriffen und als Basis für den neuen Entwurf herangezogen. Die alte Fassade wurde zurückgebaut und durch eine stromerzeugende Fassade ersetzt.
Gestalterisches Kernelement ist dabei eine neu entstandene Gebäuderundung, die durch die Überbauung einer innenliegenden Gebäudeecke (Bild 2) entstanden ist. Dadurch wurde die vormals optisch unterbrochene Fassade geschlossen. Hervorgehobene Fensterausschnitte mit Passepartout-Rahmen ziehen sich wie horizontale Lichtbänder durch das Gebäude und verleihen ihm gemeinsam mit der gewölbten Formgebung seine besondere Dynamik. Neben gestalterischen Überlegungen standen bei der Entwurfsfindung auch funktionale Aspekte Pate – in der ehemaligen Innenecke entstand ein großzügiges Treppenhaus mit Aufzug.
Fassade als Stromlieferant
Die schwarze Photovoltaik-Fassade besteht aus individuell gefertigten, rahmenlosen Glas-Glas-Modulen des Herstellers Sunovation, der auf gebäudeintegrierte Photovoltaik spezialisiert ist. Die Photovoltaik-Fassade wurde als vorgehängte hinterlüftete Fassade ausgeführt. Um den Besonderheiten des Bestandbaus gerecht zu werden, wurden die Module und die Unterkonstruktion für die 317 m² große Solarfassade in Unterfranken maßgefertigt.
Hierfür konfigurierte der Modulhersteller die 161 Glas-Glas-Module passgenau in 28 verschiedenen Geometrien. Zum Einhängen in die bauseitige Unterkonstruktion wurden sie mit rückseitig geklebten Rahmen ausgestattet. Plaehn: „Eigentlich handelt es sich um eine herkömmliche Glas-Fassade. Wir können aber jede Glasfassade auch als Photovoltaik-Fassade errichten. Es bedarf ein wenig mehr Planung und Technik, rechnet sich aber langfristig auch finanziell.“
Nahtlose gebäudeintegrierte Photovoltaik
Die Fassadenrundung des medizinischen Versorgungszentrums ist ebenfalls mit aktiven Photovoltaik-Modulen ausgestattet. Sunovation hat die gewölbten Glas-Glas-Module mit jeweils 2 bis 3 m2 in fünf verschiedenen Höhen und einem Radius von 2,5 m gefertigt. Die rückseitigen SG-Rahmen wurden gebogen gefertigt und passgenau mit den gewölbten Glas-Glas-Modulen verklebt.
Ermöglicht wird diese Bauweise durch das SCET-Produktionsverfahren (Sunovation Cell Embedding Technology) des Modulherstellers. Hierbei wird der Modulverbund mittels eines kalten Verfüllprozesses hergestellt, der eine spannungsfreie Einbettung der Photovoltaikzellen in gebogene Gläser ermöglicht.
Die gesamte Fassadenanlage verfügt über eine installierte Leistung von 55 kWp. Neben einer klassischen Solaranlage auf dem Flachdach des Gebäudes trägt sie zur Stromerzeugung direkt am Ort des Stromverbrauchs bei. Langfristig soll das Gebäude das erste klimaneutrale radiologische Zentrum Deutschlands werden. Die Photovoltaik-Fassade ist hierfür ein Baustein.
Maximaler Stromertrag
Für einen maximalen Ertrag der Fassadenanlage wurden die PV-Module mit eigenen Leistungsoptimierern versehen. Dadurch wird eine optimale Modulleistung garantiert und das modulgenaue Monitoring ermöglicht. Dem Monitoring kommt in diesem Projekt eine besondere Bedeutung zu, denn die Fassadenanlage ist als Bürgersonnenkraftwerk des Vereins Sonneninitiative konzipiert. Dieser engagiert sich im Bereich Umwelt- und Klimaschutz durch Förderung regenerativer Energiegewinnung. Mit der Photovoltaik-Fassade in Marburg hat er den Bereich der gebäudeintegrierten Photovoltaik für sich neu entdeckt.
www.sunovation.de www.a-p-l.net www.sonneninitiative.org
Der Artikel gehört zur TGA+E-Themenseite mit Referenzprojekten