Der professionelle Einsatz der Wärmebild-Messtechnik setzt Schulungen voraus. Sie vermitteln Grundlagenkenntnisse und Praxiswissen. Wer bietet was zu welchen Kosten und worauf sollte man bei der Kursauswahl achten?
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Die Wärmebildtechnik setzt ein profundes Fachwissen voraus, das man sich am besten in Form Grundlagen- und Spezialschulungen aneignet.
■ IR-Kameraanbieter und Dienstleister bieten entsprechende Präsenz- und Online-Schulungen für nahezu alle Bereiche der Bau-, Elektro- oder Anlagenthermografie an.
■ Mit in Zertifizierungskursen erworbenen Zertifikaten können Teilnehmer zudem ihre fachliche Qualifikation gegenüber ihren Auftraggebern nachweisen.
■ Bei der Kursauswahl sollte man auf Inhalte, Praxisnähe, die Qualität der Schulungsunterlagen, eventuelle Kurs- und Teilnehmer-Zertifizierungen, die Qualifikation der Dozenten und den Leistungsumfang achten.
Mit Infrarotkameras sieht man mehr. Doch man muss zunächst lernen, wie man Fehler bei der Aufnahme vermeidet, die Wärmebilder (Thermogramme) richtig deutet, interpretiert und daraus die passenden Schlüsse zieht.
Thermografie-Schulungen vermitteln die dafür notwendigen Grundlagenkenntnisse, aber auch Praxis- und Spezialwissen. Zertifizierungskurse offerieren darüber hinaus an Richtlinien orientierte Schulungsinhalte, sodass Teilnehmer ihre dabei erworbene fachliche Qualifikation gegenüber Auftraggebern oder Versicherungen in Form von Zertifikaten nachweisen können.
Einige Kurse werden auch für die Aus- und Weiterbildung, beispielsweise von Energieberatern angerechnet.
Welche Schulungen werden angeboten?
In der Regel eintägige, teilweise auch zweitätige Grundlagenkurse vermitteln Thermografie-Basiswissen aus den Bereichen Wärmestrahlung, Wärmeleitung, Messtechnik, Materialkunde oder Bauphysik, ferner Know-how zur Bedienung von Wärmebildkameras, zur Anwendung von Auswertungsprogrammen, zur Interpretation von Wärmebildern sowie zur Erstellung von Thermografieberichten.
Vier- bis fünftägige Zertifizierungskurse zur Thermografie bieten die Möglichkeit, sich gemäß der Normen DIN EN ISO 9712 [1] oder ISO 18436-7 [2], jeweils in den Stufen 1, 2 oder 3 zertifizieren zu lassen. Damit können sich die Teilnehmer als professionelle Thermografen ausweisen (siehe nächster Abschnitt).
Schulungen zur Differenzdruck-Thermografie vermitteln Basis- und Expertenwissen zur Luftdichtheitsmessung nach DIN EN 13829 (ISO 9972) und DIN 4108-7. Zu den Inhalten zählen gesetzliche Vorgaben nach Gebäudeenergiegesetz (GEG), die Bestimmung des Gebäudevolumens, die Theorie zur Luftleckageprüfung und zum Dichtheitsnachweis, den Aufbau der Messvorrichtung und die praktische Durchführung einer Messung, inklusive Leckagesuche. Praxistipps zum Abdichten von Gebäuden, zu typischen Fehlern und deren Vermeidung sowie die Bewertung und Einstufung der Luftleckagen und die Berichterstellung runden den ein- oder mehrtätigen Kurs mit oder ohne anschließende Zertifizierung ab.
Zusätzlich offerieren einige Anbieter auch spezielle Fachseminare, wie zum Beispiel ITC, Testo oder Trotec zur Bauthermografie oder InfraTec zur Aktiv-Thermografie. Das ist eine zerstörungsfreie Prüfungsmethode, bei der Bauteile zuvor thermisch angeregt werden.
Lehrgänge zur Elektro-Thermografie von ITC, TÜV Nord Akademie, TÜV Rheinland Akademie, TÜV SÜD Akademie, VdS Schadenverhütung und anderen richten sich an Elektrosachverständige, die thermografische Untersuchungsmethoden in die Prüfung elektrischer Anlagen einbinden möchten. Vermittelt werden Thermografie-Grundlagen, zu berücksichtigende Parameter, häufige Mess- und Einstellungsfehler sowie die Bewertung und Dokumentation der aufgenommenen Thermogramme in Form von Prüfberichten, Gutachten oder Befundscheinen.
Auf die Photovoltaik-Thermographie spezialisierte Kurse vermitteln das theoretische und praktische Wissen zur Erkennung und Bewertung typischer Fehler an PV-Modulen. Anhand praktischer Übungen und eines Musterkatalogs wird den Teilnehmern gezeigt, welche Modulfehler welche Farbmuster im Wärmebild erzeugen, wie man diese bewertet und beseitigt.
Teilweise werden auch spezialisierte Schulungen für die Drohnen- oder Industrieanlagen-Thermografie offeriert. Speziell auf den TGA- oder SHK-Bereich zugeschnittene Schulungsangebote, etwa für die Leitungs- oder Leckageortung, sind eher selten (z. B. Testo).
Online-Seminare, die sich während der Coronavirus-Pandemie bewährt haben, werden von vielen Anbietern inzwischen als Alternative oder als Ergänzung zur Präsenzschulung angeboten (Blended Learning). Auch neue Lernmethoden, wie das interaktive E-Learning, Learning on Demand oder das mobile Nano-Learning ergänzen zunehmend konventionelle Schulungen. Dabei werden die Online-Kursteilnehmer interaktiv eingebunden, Online-Schulungsinhalte aufgezeichnet und zum beliebigen Abruf bereitgestellt, respektive kurze digitale „Schulungshäppchen“ für die mobile Anzeige auf Smartphones oder Tablets angeboten.
Die Preise für die jeweiligen Schulungsangebote liegen zwischen 300 Euro für eintägige Einführungskurse und etwa 2500 Euro (jeweils netto) für 5-tägige Zertifizierungskurse. Bei ganztägigen Präsenzschulungen ist eine Vollverpflegung entweder im Preis enthalten oder optional. Etwas teurer sind individuell auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Inhouse-Schulungen. Hier sollte man beim jeweiligen Anbieter nachfragen und sich ein Angebot einholen. In der Gesamtkostenbetrachtung kann die Schulung mehrerer Mitarbeiter im Unternehmen nämlich deutlich günstiger sein.
Zertifizierung und Re-Zertifizierung
Die Bezeichnung „Thermograf“ ist nicht geschützt und sagt nichts über die Qualifikation aus. Deshalb sind Zertifizierungen sinnvoll, weil Thermografie-Dienstleister damit ihre Fachkompetenzen gegenüber Auftraggebern, Versicherungen oder Gerichten nachweisen können. Teilweise werden von Schulungsanbietern zwei Zertifizierungsverfahren angeboten, nach DIN EN ISO 9712 und ISO 18436-7.
Die Unterschiede liegen beispielsweise in den Schulungsinhalten, der Praxisorientierung und den Voraussetzungen, wobei DIN EN ISO 9712 in Deutschland und in Europa, ISO 18436-7 eher in englischsprachigen Ländern und weltweit verbreitet ist. Beide Regelwerke verfügen über drei Qualifizierungsstufen, respektive Kategorien, wobei 3 die höchste Stufe / Kategorie ist.
In der Stufe / Kategorie 1 erlernen die Teilnehmer theoretischen Grundlagen und Prinzipien der Infrarot-Messtechnik, eignen sich Wissen zur Verarbeitung und Analyse von Thermogrammen an, befassen sich mit praktischen Anwendungen und üben die Handhabung von Wärmebildkameras ein.
Die Stufe / Kategorie 2 befähigt Absolventen, thermografische Untersuchungen selbstständig durchzuführen. Selbstständig arbeitende Thermografen sollten deshalb mindestens über eine Stufe / Kategorie-2-Zertifizierung verfügen. DIN EN ISO 9712 bietet die Möglichkeit, ein Zertifikat zur Fachkraft für Thermografie Stufe 2 in den Sektoren Bau, Industrie, Elektro oder Aktive Thermografie zu erlangen.
Mit der Zertifizierung der Stufe / Kategorie 3 weisen Absolventen ihre Fähigkeit nach, thermografische Prüfungen durchzuführen und zu leiten. Sie können Normen / Regelwerke auslegen, Verfahrensbeschreibungen verfassen, Prüfanweisungen erstellen und validieren, Prüfverfahren festlegen, Personal anleiten oder Verantwortung für eine Prüfeinrichtung übernehmen.
Jede Stufe oder Kategorie schließt mit einer umfangreichen theoretischen und praktischen Prüfung ab und baut auf der darunter liegenden auf, wobei es für Meister, Techniker oder Ingenieure Sonderregelungen gibt. Sobald sämtliche Voraussetzungen vorliegen, wird das Zertifikat von anerkannten Zertifizierungsstellen ausgestellt, beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP). Sie gilt maximal für fünf Jahre und kann danach über eine Re-Zertifizierung für weitere fünf Jahre erneuert werden (Netto-Kosten: ca. 250 bis 500 Euro).
Organisation, Voraussetzungen, Ablauf
Vor allem mehrtägige Schulungen müssen in die eigenen Unternehmensabläufe terminlich integriert und deshalb geplant werden. Wer an einer bestimmten Schulung teilnehmen möchte, sollte rechtzeitig online buchen, denn Termine und Teilnehmerzahlen vieler Kurse sind beschränkt und daher schnell ausgebucht. Während auf Schulungen spezialisierte Anbieter über das ganze Jahr Termine offerieren, beschränken sich andere auf bestimmte Zeiten.
Bei einer weiten Anreise ist eine Hin- und Rückfahrt am selben Tag nicht sinnvoll. Deshalb sollte man zur aufzuwendenden Zeit und den Kosten mindestens einen Tag für die An-/Abreise und Übernachtung einrechnen. Der Veranstalter hält dafür in der Regel eine Liste von Hotels in der näheren Umgebung bereit, die für Schulungsteilnehmer Sonderkonditionen bieten. Die Hotelbuchung und Abrechnung erfolgt in der Regel individuell durch den Schulungsteilnehmer. Geschult wird meist in unternehmenseigenen Räumen, angemietete Hotel-Seminarräume haben den Vorteil kurzer Wege.
Während Grundlagenkurse nichts voraussetzen, müssen Teilnehmer von Zertifizierungskursen Praxiserfahrungen und eine Sehfähigkeitsbescheinigung vorweisen, z. B. Nahsehfähigkeit, Farbsehvermögen, siehe: www.dgzfp.de/zertifizierung/sehfaehigkeit
Die Infrarotkameras werden in der Regel während des Kurses vom Veranstalter zur Verfügung gestellt, ebenso können auch eigene geeignete Kameras mitgebracht werden. Teilweise werden auch Notebooks für praktische Übungen mit der Auswertungssoftware gestellt, respektive empfohlen.
Zu Veranstaltungsbeginn erhalten Teilnehmer ein detailliertes Tagesprogramm, Schulungsunterlagen und Schreibmaterial. Der Unterricht beginnt meist gegen 9:00 Uhr mit Vorträgen und endet um 17:00 Uhr, unterbrochen durch kleine Pausen und eine Mittagspause. Der Nachmittag ist häufig praktischen Übungen vorbehalten. Dabei werden an den Arbeitsplätzen mit ein bis zwei Teilnehmern Praxisaufgaben nach Anweisung eigenständig mit Anleitung und Hilfestellung absolviert.
Zur Kontrolle des Lernfortschritts und zur Vorbereitung auf die Zertifizierungsprüfung werden regelmäßig Wissenstests und Wiederholungen angeboten. Grundlagenkurse werden meist von angestellten Lehrkräften geleitet, Fachseminare werden durch Experten aus der Industrie, von Hochschulen, Behörden oder Dienstleistungsunternehmen ergänzt.
Darauf sollte man achten
Wer wertvolle Arbeitszeit und mehrere hundert Euro in Schulungen investiert, sollte einen Anbieter seines Vertrauens wählen. Das kann ein IR-Kamera-Hersteller oder -Anbieter oder ein Schulungsdienstleister sein. Der gewählte Kurs sollte zum eigenen Wissensstand passen und durch Praxisbezüge beruflich unmittelbar verwertbar sein.
Während Grundlagenschulungen und Schulungen zur IR-Kamera- und Softwarebedienung meist branchenübergreifend gehalten werden, sollten Fachseminare detailliertes Know-how, beispielsweise aus der Bau-, Differenzdruck- (Blower-Door-), Elektro- oder Photovoltaik-Thermografie vermitteln. Die Teilnehmerzahl sollte sowohl bei Präsenz- als auch Online-Schulungen auf etwa 20 Personen beschränkt sein, damit das Lehrpersonal adäquat auf individuelle Rückfragen reagieren kann.
Werden viele Schulungszeiten übers Jahr an verschiedenen Orten offeriert, hat man eine größere Auswahl. Man muss aber auch damit rechnen, dass Anbieter einzelne Termine bei zu geringer Auslastung kurzfristig absagen. Während eine Sehfähigkeits-Bescheinigung für die Ausstellung einer Zertifizierung meist auch nachgereicht werden kann, sollten Teilnehmer – auch aus eigenem Interesse – vor Beginn eines Zertifizierungskurses bereits über eine praktische Erfahrung mit der Thermografie-Messtechnik verfügen (in der Regel mindestens 3 Monate).
Die Qualität der Schulung wird durch den Anbieter und die Dozenten, aber auch durch die Schulungsunterlagen und andere Details bestimmt. Ist der Kurs, bzw. sind die Dozenten nach ISO 9001, ISO 18436-7 Stufe 3 oder ISO 9712 Stufe 3 zertifiziert, hat man eine gewisse Qualitätssicherheit. Vieles hängt jedoch auch vom persönlichen Stil des Dozenten und seiner Eignung als Wissensvermittler ab. Nicht jeder Experte kann sein Wissen anschaulich und spannend rüberbringen und nicht jeder Dozent mit Entertainer-Qualitäten ist ein Experte auf seinem Gebiet.
Wie umfangreich und informativ die gedruckten, online oder zum PDF-Download bereitgestellten Schulungsunterlagen sind, erfährt man meist erst zu Kursbeginn. Viele Schulungsunterlagen können sich durchaus mit der einschlägigen Fachliteratur messen lassen, aber längst nicht alle.
Eine gewisse Orientierung bieten auch Zertifizierungskurse: Wer diese anbietet (möglichst in allen Qualitätsstufen), hat meist auch das fachlich sattelfeste Schulungspersonal zur Verfügung. Bei den Schulungskosten sollte zuvor geklärt werden, welche Leistungen und Zusatzleistungen enthalten sind und welche Kosten gegebenenfalls zusätzlich entstehen, etwa Prüfungs- oder Zertifizierungsgebühren. Marian Behaneck
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Thermografie
Literatur
[1] DIN EN ISO 9712 Zerstörungsfreie Prüfung – Qualifizierung und Zertifizierung von Personal der zerstörungsfreien Prüfung. Berlin: Beuth Verlag, September 2022
[2] ISO 18436-7 Zustandsüberwachung und -diagnostik von Maschinen – Anforderungen an die Qualifizierung und Bewertung von Personal, Teil 7: Thermografie. Berlin: Beuth Verlag, April 2014
[3] Fouad, N.A.; /Richter T.: Leitfaden Thermografie im Bauwesen. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2012
[4] VATh (Hrsg.): VATh-Richtlinie Bauthermografie. Nürnberg: Bundesverband für Angewandte Thermografie, 2016, Download auf www.vath.de
[5] Wagner, H.: Thermografie – Sicher einsetzen bei der Energieberatung, Bauüberwachung und Schadensanalyse. Köln: Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, 2011
[6] Zimmermann, M.; Zimmermann, T.: Lehrbuch der Infrarotthermografie. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2012
[7] Weitere Infos (Auswahl)
www.thech.ch
www.thermografie.co.at
www.thermografie.de (viele Beispiele)
www.vath.de
[8] Weitere Schulungsanbieter (Auswahl)
www.datatec.eu
www.dgzfp.de
www.dias-infrared.de
www.eukademie.eu
www.tae.de