Der erste Teil der Beitragsreihe [1] beschäftigt sich mit dem Anwendungsbereich der Norm und den Neuerungen, die ventilatorgestützte Systeme betreffen. Im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen neben den Änderungen, die die Berechnung der Außenluftvolumenströme und die Auslegung von Lüftungskomponenten betreffen, Informationen zum Erstellen eines Lüftungskonzepts.
Zum Lüftungskonzept gehören nach DIN 1946-6 das Prüfen der Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen sowie die Auswahl eines Lüftungssystems. Das Festlegen der Außenluftvolumenströme und die Dimensionierung der Lüftungssysteme sind hingegen nicht Bestandteil des Lüftungskonzepts.
Erstellen eines Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6
Um die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen zu überprüfen, wird die für übliche Nutzungen erforderliche Lüftung zum Feuchteschutz qv,ges,NE,FL [Gl. 2] mit dem durch Infiltration realisierbaren Luftvolumenstrom qV,Inf,Konzept [Gl. 1] verglichen. Ist qV,Inf,Konzept < qv,ges,NE,FL, sind lüftungstechnische Maßnahmen notwendig. Die erforderlichen Luftvolumenströme werden wie folgt berechnet:
Die n50-Auslegungswerte in Abhängigkeit von der Gebäudekonstellation und vom Lüftungssystem sowie die Zuordnung der Landkreise zum windschwachen oder windstarken Gebiet (Bild 2) sind in der Neufassung von DIN 1946-6 unverändert geblieben.
Wird die Gebäudedichtheit mit einer Messung bestimmt, kann eine rechnerische Korrektur für kleine Öffnungen erfolgen, die bei der Messung abgedichtet, bei bestimmungsgemäßer Nutzung aber offen sind:
Bei der Belegungsdichte kann nach DIN 1946-6 davon ausgegangen werden, dass sie in selbst genutztem Eigentum, beispielsweise in Einfamilienhäusern, gering ist. Soll zum Zeitpunkt der Lüftungsplanung nicht festgelegt werden, wie viele Bewohner das Gebäude bzw. die Wohnung nutzen werden, liegt die Annahme einer hohen Belegungsdichte lüftungstechnisch auf der sicheren Seite.
(Bild 4) zeigt beispielhaft für neu zu errichtende Gebäude und unter Annahme von Auslegungswerten für die Gebäudedichtheit die resultierende Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen. Tendenziell sind diese Maßnahmen eher erforderlich
· im Bestand, weil hier der Wärmeschutz meist schlechter ist als im Neubau,
· in Mehrfamilienhäusern, weil die Lüftung durch thermischen Auftrieb geringer ist
als in Einfamilienhäusern,
· in dichteren Gebäuden aufgrund des geringeren Luftaustauschs durch Leckagen.
Außenluftvolumenstrom-Berechnung: Was ist in der neuen DIN 1946-6 anders?
Die grundsätzliche Herangehensweise zur Berechnung der Außenluftvolumenströme wurde in der Neufassung von DIN 1946-6 nicht verändert.
· Der Gesamt-Außenluftvolumenstrom setzt sich aus den Anteilen der lüftungstechnischen Maßnahme, der Infiltration und des Fensteröffnens zusammen. Für die Auslegung lüftungstechnischer Maßnahmen geht die Norm von geschlossenen Fenstern aus.
· Beim Bestimmen des Außenluftvolumenstroms sind Anforderungen für die gesamte Wohnung und – in Abhängigkeit vom Lüftungssystem – für bestimmte Räume einzuhalten. Falls bekannt, kann auch die Personenanzahl in die Auslegung einbezogen werden.
· Es werden vier Lüftungsstufen definiert: Lüftung zum Feuchteschutz – reduzierte Lüftung – Nennlüftung – Intensivlüftung.
· Maßnahmen der freien Lüftung werden nach reduzierter oder mindestens nach Lüftung zum Feuchteschutz ausgelegt.
· Maßnahmen der ventilatorgestützten Lüftung werden mindestens nach Nennlüftung und optional nach Intensivlüftung ausgelegt.
· Die nicht durch lüftungstechnische Maßnahmen abgedeckten Lüftungsstufen sind im Betrieb in Abhängigkeit von den Nutzerwünschen durch Fensteröffnen abzusichern.
Während in der Normenfassung von 2009 die Infiltration für die Auslegung aller Lüftungskomponenten angesetzt wird, ist die Anrechnung in der Neufassung nur noch bei Außenbauteil-Luftdurchlässen (ALD) zulässig. In der Konsequenz wird nun beim Auslegen von Zu-/Abluftsystemen keinerlei Infiltration berücksichtigt, da bei diesen Systemen keine ALD eingesetzt werden.
Die in Abhängigkeit von der Fläche der Nutzungseinheit zu bestimmenden Außenluftvolumenströme können mit Gleichung 2 berechnet werden. Statt fWS wird der Faktor f nach DIN 1946-6:2019 fLSt genannt. Für die weiteren Lüftungsstufen ist er folgendermaßen festgelegt:
· Reduzierte Lüftung: fLSt = 0,7
· Nennlüftung: fLSt = 1,0
· Intensivlüftung: fLSt = 1,3
(Bild 5) zeigt die Außenluftvolumenströme für die gesamte Wohnung nach den unterschiedlichen Normenfassungen. Mit der Neufassung ergeben sich folgende Änderungen:
· Erweiterung der Angaben für kleinere
Wohnungen ab 20 m2. So beträgt z. B. nach neuer Norm der Volumenstrom für die Nennlüftung einer Wohnung mit 20 m2 ca. 35 m3/h. Nach der Normenfassung von 2009 waren es ca. 55 m3/h (abgelesen für 30 m2).
· Reduzierung der Außenluftvolumenströme für alle Wohnungsgrößen, insbesondere aber für größere Wohnungen. Beispielsweise fordert die neue Normenfassung für eine Wohnung mit 200 m2 ca. 160 m3/h, nach DIN 1946-6:2009 waren es ca. 210 m3/h.
· Anpassung des Rechenalgorithmus für sehr große Wohnungen: Die verwendete quadratische Gleichung führt in sehr großen Wohnungen mit Flächen > 300 m2 zu einer Reduzierung des Luftvolumenstroms bei zunehmender Wohnfläche. Dies wird kompensiert, indem ab Wohnflächen > 210 m2 der Luftvolumenstrom bei Nennlüftung mit einem Zuschlag von 4 m3/h je 10 m2 Wohnfläche bestimmt wird.
Lüftungssysteme auslegen: Das hat sich geändert
Die Auslegung von Lüftungskomponenten für die freie Lüftung folgt in der Neufassung der Norm den prinzipiell gleichen Ansätzen wie bisher. Neben den bereits ausgeführten Neuerungen zur Bestimmung der Gesamt-Außenluftvolumenströme und der Anrechnung der Infiltration wurde die Festlegung der raumweise erforderlichen Außenluftvolumenströme angepasst (Bild 6).
Für die Dimensionierung der ALD wird die Infiltration in Abhängigkeit von Gebäudeparametern, wie Standort und Gebäudelage, sowie von Parametern der Nutzungseinheit, wie Höhe über Grund, Fassadenanzahl und Anzahl der Geschosse bestimmt:
Auch das Auslegen von Lüftungskomponenten für die ventilatorgestützte Lüftung folgt in der Neufassung der Norm den gleichen Grundsätzen wie bisher. Die Festlegung der für Ablufträume erforderlichen Abluftvolumenströme wurde angepasst (Bild 8).
Für die Dimensionierung der ALD wird die Infiltration in Abhängigkeit vom Lüftungssystem und einer gegebenenfalls vorhandenen Feuerstätte durch Variation des Volumenstromkoeffizienten ez nach (Bild 9) bestimmt.
Sind in einer Wohnung viele Feuchträume vorhanden, ist es eher unwahrscheinlich, dass diese Räume alle gleichzeitig intensiv genutzt werden. Um in solchen Fällen überdimensionierte Lüftungssysteme zu vermeiden, wurde die Gleichung zur Bestimmung des Gesamt-Außenluftvolumenstroms in der Neufassung der Norm zur Berücksichtigung einer Gleichzeitigkeit erweitert:
Demnach ist nur das Minimum aus der Summe der Luftvolumenströme der Ablufträume und des 1,2-Fachen des Luftvolumenstroms für die Nutzungseinheit anzurechnen.
Wie die Normenfassung von 2009 gibt auch die neue Norm Hinweise zur Dimensionierung einzelner Komponenten, wie ALD oder ÜLD (Überströmluftdurchlässe zwischen Räumen). Die Hinweise zu den Luftleitungen wurden um zusätzliche Angaben für kleine Rohrdurchmesser und für eine zulässige Strömungsgeschwindigkeit von 5 m/s z. B. für Sammelleitungen ergänzt.
Ausblick
Im dritten Teil der Reihe werden anhand von Beispielen die Auslegung nach DIN 1946-6 und DIN 18 017-3 sowie die Auslegung kombinierter Lüftungssysteme erläutert.
Literatur
[1] Händel, C.: DIN 1946-6: Neuerungen der Norm für Wohnungslüftung. Stuttgart: Gentner Verlag, online
[2] DIN 1946-6 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2019
[3] FGK-Status-Report 30: Richtiges Lüften in Haus und Wohnung. Beschreibung technischer Maßnahmen, die auch bei dichter Gebäude-Bauweise einen ausreichenden Luftwechsel gewährleisten. (in Zusammenarbeit mit RA Joachim Garbe-Emden, Schlawien-Naab-Partnerschaft). Download
Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 08-2020 des TGA Fachplaners unter dem Titel „Lüftungskonzept und Luftvolumenströme“ von Professor Dr.-Ing. Thomas Hartmann.
Siehe auch:
Berechnungstool zur neuen DIN 1946-6
Studienergebnis: Geballt Aerosole im Klassenraum trotz Fensterlüftung
Lüftungskanal-System aus Glaswolle-Dämmplatten