Im Jahr 2045 wird für Deutschland ein Gebäudewärmebedarf von 582 TWh/a prognostiziert. Laut Bundesverband Geothermie könnten davon 186 TWh durch geothermische Systeme erzeugt werden. Aktuell kämpft die Branche mit ungelösten Problemen bei der Qualitätssicherung von Erdwärmesonden, mit überhitzten und unterkühlten Erdwärmesondenfeldern und mit einem Fachkräftemangel auf allen Ebenen. Eindrücke von Europas größter Geothermie-Fachmesse mit Kongress GeoTherm, die nach zweijähriger Pause wieder in Offenburg stattfand.
Kompakt zusammengefasst
■ Erdwärmesonden haben ihre Tücken, ob als Einzelsonde für das Ein- und Mehrfamilienhaus, als Sondenfeld nur zum Heizen oder als komplexes geothermisches System zum Heizen, Kühlen und zur saisonalen Energiespeicherung.
■ Die hohe Zahl an Forschungsprojekten zum Thema Bewirtschaftung von EWS-Feldern, Vorab-Simulation der Erdreichtemperaturen aber auch sehr trivial anmutende Untersuchungen, wie die EWS-Tauglichkeit von Ringraumverfüllmaterial, deuten darauf hin, dass es noch ein weiter Weg zur routinierten Planung, Realisierung und zu einem nachhaltigen Betrieb solcher Anlagen ist.
■ Zudem fehlt es in der Branche an Fachkräften, angefangen bei den Fachingenieuren und weiter bei den Bohrführern bis hin zu Betriebsingenieuren.
■ Umso wichtiger ist – zumindest bei größeren EWS-Anlagen – ein permanentes Monitoring, denn ist das Erdreich nach Jahren eines unkontrollierten Betriebs erst einmal vereist oder übererwärmt, kann es lange dauern, bis sich der Untergrund wieder in einer thermischen Balance befindet.
Die gute Nachricht zuerst: Das Interesse der Besucher an der Fachveranstaltung GeoTherm ist ungebrochen. Besonders hohen Zuspruch fanden die Vorträge über Tiefengeothermie und hier insbesondere das Thema Tiefengeothermie bei gleichzeitiger Gewinnung von Lithium im Oberrheingraben.
Während die Halle für Tiefengeothermie von Ausstellern gut gebucht war, klafften in der Halle für oberflächennahe Geothermie große Lücken. Offiziell waren in diesem Jahr nur 153 Aussteller präsent gegenüber 200 vor zwei Jahren. Mit 3537 Besuchern blieb die Anzahl der Besucher gegenüber der letzten Veranstaltung (3600) jedoch stabil. Kaum vertreten in Offenburg waren die Hersteller von Wärmepumpen. Schwer nachvollziehbar ist, warum sich der Nibe-Stand bei der Tiefengeothermie ansiedelte.
Dass die Entwicklung der oberflächennahen Geothermie den Akteuren nicht nur Freude bereitet, vermittelte auch die Zusammensetzung des fachspezifischen Kongressprogramms. So konnte sich der Autor des Eindrucks nicht erwehren, dass es mit der Qualitätssicherung am Bohrloch nur langsam voran geht. Auch die starke Präsenz von Vorträgen über Modellierung von Erdwärmesonden(EWS)-Feldern, neuen Regelungsstrategien für den Betrieb großer EWS-Anlagen (wegen Überwärmung bzw. Unterkühlung des Erdreichs) sagt etwas über die aktuellen Herausforderungen mit dieser Technik aus.
Letztendlich signalisiert auch die Statistik des Bundesverbands Wärmepumpen (BWP) über den Wärmepumpenabsatz im Jahr 2021, dass erdgekoppelte Wärmepumpensysteme mit nur 18 % Marktanteil gegenüber 82 % für Luft/Wasser-Wärmepumpensystemen in der Gunst der Verbraucher deutlich abfallen. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass vermehrt preisattraktive R32-Luft/Wasser-Wärmepumpen in Split-Bauweise in den Markt drängen und damit weniger Motivation besteht, in ein von Bürokratie und Facharbeitermangel geprägtes teures Erdwärmesystem zu investieren.
Bergrecht wirkt abschreckend auf potenzielle EWS-Anwender
Ein wesentlicher Grund für die eher zögerliche Akzeptanz oberflächennaher Geothermieanlagen ist mit Sicherheit das aufwendige und bürokratische Genehmigungsprocedere und hier insbesondere das Bergrecht, dessen Grundlage noch aus dem Mittelalter stammt.
Dr. Georg Buchholz von der Kanzlei GGSC, Gaßner, Groth, Siederer & Coll., eine Spezialkanzlei für die Gebiete Umwelt, Bauen, Planen, Abfall, Wasser und Energie mit Sitz in Berlin, schätzt oberflächennahe Erdwärmeprojekte wegen der bergrechtlichen Aspekte in der Genehmigung als aufwendig, ungewohnt und zeitraubend ein.
Verwirrend sei zudem die unterschiedliche Zuordnung der Erdwärmenutzung zum Bergrecht in den einzelnen Bundesländern. So werde der Abstand der Erdwärmesonden zur Grundstücksgrenze von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedlich interpretiert, was beispielsweise Quartierslösungen erschwere. In manchen Bundesländern werde die oberflächennahe Erdwärme sogar wie ein schürffähiger Bodenschatz behandelt, obwohl keine bergrechtliche Gewinnung im Sinne eines Bergbaubetriebes stattfindet. Buchholz fordert deshalb klare Ausnahmen vom Bergrecht für die oberflächennahe Geothermie bis zu einer Bohrtiefe von 400 m.
In der anschließenden Diskussion kam der Einwand, dass eine zu starke Vereinfachung des Genehmigungsprocederes womöglich den Bestandsschutz von Erdwärmesonden-Anlagen gefährden könnte. So zeige die Praxis, dass große neue EWS-Anlagen kleine bestehende Sondenfelder in der Peripherie thermisch beeinflussen, im Extremfall sogar Energie über Grundstücksgrenzen hinweg absaugen können. Dies gelte besonders für EWS-Anlagen, die ausschließlich zum Heizen bestimmt sind.
Inflationäre Forschung rund um die EWS-Qualitätssicherung
Seit Jahren steht die Qualitätssicherung bei Erdwärmesonden im Mittelpunkt des GeoTherm-Kongresses. Die überbordende Anzahl an Forschungsprojekten zu diesem Thema kann auch als Indiz gewertet werden, dass die Entwicklung rund um die oberflächennahe Geothermie bei weitem noch nicht abgeschlossen ist und Bohrungen und Betrieb von Erdwärmesonden immer noch mit einem erhöhten Risiko einhergehen.
Auch im aktuell laufenden Verbundvorhaben „QEWSplus“ geht es im Grunde genommen darum, vorhandene Unsicherheiten rund um die Ringraumverfüllung von Erdwärmesonden zu analysieren und neue Wege zu besseren Lösungen aufzuzeigen. So wird von den Projektpartnern die Verfüllqualität von einigen Materialien sowie deren Anmischgeschwindigkeit infrage gestellt (Bild 1).
Ebenfalls bei der Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit, der Wärmekapazität und dem thermischen Verhalten im Nahbereich von EWS gibt es offenbar noch so große Bandbreiten, dass in der Praxis mit signifikanten Wärmekapazitätsunterschieden gerechnet werden muss. Ziel des bis Ende 2023 laufenden Projekts ist die Etablierung einer Stoffdatenbank mit Angaben über spezifische und volumetrische Wärmekapazitäten und Wärmeleitfähigkeiten gängiger Verfüllbaustoffe sowie von ausgewählten Gesteinen.
„Empfehlungen der VDI 4640 Blatt 5 zur Ausgleichszeit: ungenügend bis falsch“
Die Effizienz einer Erdwärmesonden-Wärmepumpe ist zum großen Teil von den geothermischen Untergrundparametern, beispielsweise der „ungestörten Untergrundtemperatur“, abhängig, die im Rahmen des Thermal-Response-Tests erhoben werden.
Laut VDI-Richtlinie 4640 Blatt 5 handelt es sich bei der „ungestörten Untergrundtemperatur“ um den Temperaturmittelwert über die EWS-Länge unmittelbar bei Beginn des Thermal-Response-Tests, der meist wenige Tage nach der Ringraumverfüllung stattfindet. Dabei geht es um die Wärmeleitfähigkeit des umgebenden Gesteins, den thermischen Bohrlochwiderstand und die Wärmekapazität des anstehenden Gesteins. Sie ist wichtig für die Absicherung der Ausführungsqualität der EWS, ihrer Leistung und damit auch der Effizienz der Wärmepumpe.
Nach den Erfahrungen von Dr. Sven Rumohr vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), Wiesbaden, liegen die realen und die gemessenen Temperaturdaten in Erdwärmesonden oft weit auseinander. Ursache sei der Zeitpunkt der Messung, der meist drei bis vier Tage nach Einbringen der Ringraumverfüllung liegt. Diese frühzeitige Messung führe nach den Erfahrungen des HLNUG zu gemessenen Untergrundtemperaturen, die signifikant höher liegen können als die per Definition „ungestörte Untergrundtemperatur“ und damit zu Fehlannahmen hinsichtlich Leistung und Effizienz der EWS-Wärmepumpenanlage.
Rumohr und sein Team haben deshalb in den letzten fünf Jahren eigene Temperaturprofilmessungen an EWS durchgeführt und sind dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen: Die Temperaturen in den EWS werden in der Frühphase der Fertigstellung überwiegend durch den Wärmeeintrag im Zuge der EWS-Errichtung beeinflusst. Im Detail erfolgt der Wärmeeintrag über:
● die Temperatur des Erdwärmesonden-Materials, je nach Tagestemperatur beispielsweise 30 °C
● das Bohrverfahren, z. B. bei Antrieb eines Imlochhammers per Druckluft in Abhängigkeit der Außenlufttemperatur
● die Temperatur der Verfüllbaustoffe
● die Verfüllung des Ringraums mit einer hydraulisch erhärtenden Suspension und deren exotherme Reaktion.
Außerdem spielen eine Rolle:
● der Bohrlochdurchmesser
● die Menge an Verfüllmaterial in Abhängigkeit von Klüften, Grundwasserspiegel und die Art des Umgebungsgesteins sowie
● die Messfahrtgeschwindigkeit der Messsonde.
Als Schlussfolgerung aus den Messreihen (Bild 2) empfiehlt das HLNUG, die Temperaturmessung frühestens 14 Tage nach Fertigstellung der EWS durchzuführen. Die Empfehlungen der in VDI 4640 Blatt 5 angegebenen Ausgleichszeit sind, Zitat Rumohr, „ungenügend bis falsch. Diese Empfehlungen müssen überarbeitet werden“.
Geothermisch aktivierte Mixed-in-Place-Wand
Die Bauer AG, Schrobenhausen, baut seit Jahrzehnten sogenannte Mixed-in-Place(MIP)-Wände. Dabei handelt es sich um ein patentiertes Verfahren zur Herstellung von unterirdischen Wänden im Spezialtiefbau. Die Besonderheit des Verfahrens liegt darin, dass während des Bohrprozesses – in der Regel mit einer Dreifachschnecke – der anstehende Boden und eine Bindemittelsuspension an Ort und Stelle vermischt und vermörtelt und anschließend durch das wechselseitige Drehen einzelner Schnecken homogenisiert werden.
Bauer gibt an, bereits mehr als 650 Baustellen mit mehr als 2,6 Mio. m2 Wandfläche nach diesem Verfahren ausgeführt zu haben. Gegenüber einer klassischen Bohrpfahlwand soll die Mixed-in-Place-Wand rund 68 % weniger Material benötigen und durch den geringeren Ab- bzw. Antransport von Aushub und Materialien sowie den dadurch niedrigeren Energieaufwand rund 42 % an CO2-Emissionen einsparen.
Durch die langjährige Erfahrung von Bauer mit thermisch aktivierten Bodenplatten und Energiepfählen lag es nahe, dieses Know-how mit den Erfahrungen der Mixed-in-Place-Wand zu verbinden. Dazu werden vorgefertigte Stahlträger mit eingelegten Erdwärmesonden in die breiige Masse aus Zement, Erde und Wasser eingerüttelt und mit den Anbindeleitungen auf der Sauberkeitsschicht verbunden (Bild 3). Durch die deutlich profilierte Oberfläche der Mixed-in-Place-Wand entsteht eine kleinteilige Verzahnung mit dem umgebenden Erdreich. Dadurch komme es zu einer signifikanten Vergrößerung der Wandoberfläche und damit zu einem sehr effizienten Energieaustausch, so Holger Kaiser von Bauer Ressources.
Im Idealfall werden die Mixed-in-Place-Wände sowohl für den Heizfall (Wärmeentzug aus dem Erdreich) als auch zur Raumkühlung (Wärmeeintrag in das Erdreich) genutzt. Bei reinem Heizbetrieb empfiehlt Kaiser die Regeneration des Erdreichs mittels thermischer Solarkollektoren. Erstmals angewendet wurde dieses Verfahren bei einem Mehrfamilienhaus mit 14 Wohneinheiten in Füssen. Im Dezember 2023 soll das 23 m hohe Einkaufszentrum Myos in Lindau in Betrieb gehen, das ebenfalls über thermoaktivierte Mixed-in-Place-Wände geheizt und gekühlt wird.
Geothermie in Fernwärme einkoppeln
Die Geothermie in Verbindung mit Wärmepumpen hat gute Chancen, künftig bei der Dekarbonisierung von Fernwärmesystemen eine tragende Rolle einzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt das IEA-DHC-Projekt Annex TS2 „Realisierung von Niedertemperatur-Fernwärmesystemen“, dessen Ergebnisse bereits als Guidebook vorliegen. Bei der Projektrecherche stellte sich heraus, dass im Vergleich zu anderen Maßnahmen und Technologien, wie Solarthermie, Biomasse, Abfall-KWK und Speichertechnologien, die Kombination von Niedertemperaturnetzen und Wärmepumpen hinsichtlich Investitionen und Betriebskosten am wirtschaftlichsten ist.
Christian Engel von Austroflex Rohrisolationssysteme, Gödersdorf, Österreich, und Teilnehmer des IEA-DHC-Projektes, sieht in der Transformation vorhandener Hochtemperatur-Fernwärmesysteme in Richtung niedrigeren Temperaturen bis hin zur kalten Fernwärme einen stufenweisen Prozess. So sollten die heute üblichen Hochtemperatursysteme zunächst auf 70 bzw. 60 °C Vorlauftemperatur und weiter auf 30 °C abgesenkt werden.
Je niedriger die Systemtemperaturen, desto einfacher lassen sich alternative Wärmequellen, wie Geothermie, Solarthermie und Abfallwärme aus Industrie und Gewerbe, einkoppeln. Die Senkung der Systemtemperaturen bedeute gleichzeitig auch eine Senkung der Netzverluste von bis zu 50 %. Bei neuen Niedrigtemperatur-Fern- bzw. -Nahwärmesystemen könnten Kunststoffrohre anstelle von teuren Stahlrohren verwendet werden. Probleme mit der Temperaturabsenkung bei bestehenden Fernwärme-Anlagen bereiten allerdings die hygienischen Vorgaben für die Trinkwassererwärmung, da hierzu mindestens 65 °C Vorlauftemperatur notwendig seien.
Energieflüsse in Wohnquartieren gesamtheitlich überwachen
Der größte Schwachpunkt geothermischer Nahwärme-Anlagen ist das mangelnde Monitoring. Mit diesem Statement eröffnete Dr. David Kuntz, Geo Alto GmbH, Rottenburg am Neckar, seinen Vortrag über die projektspezifischen Besonderheiten kalter Nahwärmesysteme in Wohnquartieren. Eigenen Erfahrungen zufolge gibt es ein wachsendes Interesse an solchen Systemen seit Beginn der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze der Generation 4.0.
In der Regel liegen diese Netze auf einem Temperaturniveau von 0 bis 20 °C, was sowohl eine Beheizung als auch eine Gebäudekühlung mittels reversierbarer Wärmepumpen erlaubt (Bild 4). Kuntz machte deutlich, welche komplexen Herausforderungen an den Planer hinsichtlich Design, Auslegung, Genehmigung und letztendlich auch an den Betrieb kalter Nahwärmenetze gestellt werden. So hält der Geologe ein simulationsgestütztes Verfahren im Hinblick auf thermische und hydraulische Aspekte für ratsam.
Allerdings erschwere die landesspezifische genehmigungsrechtliche Situation sowohl im Wasserrecht als auch im Bergrecht eine bundeseinheitliche Umsetzung solcher Anlagen. Da größere geothermische Anlagen durch die bekannten Unsicherheiten aus dem Ruder laufen können (Abkühlung des Erdreichs bei zu hoher Wärmeentnahme, überproportionale Erderwärmung bei hohem Wärmeeintrag durch Kälteanlagen) sieht Kuntz im langfristigen Anlagenmonitoring eine Art Verpflichtung für den Betreiber.
Nur so könne das Temperaturniveau im Verteilnetz dauerhaft leistungsfähig gehalten werden. Von wirtschaftlich fragwürdigen Überdimensionierungen rät Kuntz ab und favorisiert eher die Option eines bedarfsgeführten Ausbaus der geothermischen Primärquellen.
EWS-Regeneration immer wichtiger
Mit zunehmender Verbreitung von Erdwärmesonden bei gleichzeitiger Verdichtung der Bebauung stellt sich die Frage, wie sich ein hoher Wärmeentzug über einen Zeitraum von 50 Jahren auf die Temperatur im Erdreich und damit auf die Effizienz der Wärmepumpe auswirkt und welche Maßnahmen zur Regeneration des Erdreichs sinnvoll, wirtschaftlich und nachhaltig sind.
Diese Herausforderung stellt sich insbesondere bei großen Wohnbebauungen, in denen primär geheizt wird und keine Wärme aus gewerblichen Klimaanlagen für die Regeneration des Erdreichs zur Verfügung steht. Erfahrungen in der Schweiz deuten darauf hin, dass die Gefahr einer kaum wieder auflösbaren Eisblockbildung in EWS-Feldern real ist. Das zeigt sich auch darin, dass das Schweizerische Bundesamt für Energie das Thema Regeneration im Rahmen der Studie „SolSeas Store – Saisonale Wärmespeicherung in städtischen Quartieren mit Erdwärmesonden wissenschaftlich untersuchen ließ (www.bit.ly/tga1425).
Dr. Joachim Poppei von der CSD Ingenieure AG, Aarau, Schweiz, stellte das mehrjährige angelegte Forschungsprojekts vor. Ergebnisse:
● Bei dichter werdender Bebauung und Erdwärmenutzung muss der Einsatz von EWS sehr sorgfältig geplant werden, sonst besteht die Gefahr der Unterkühlung des Erdreichs.
● Durch Einspeisung von solarer Wärme in EWS-Felder kann der Bestand an EWS zum saisonalen Speicher ausgebaut werden.
● Da Dachflächen künftig primär zur Stromgewinnung genutzt werden sollten, fehlt es an verfügbaren Flächen für solarthermische Anlagen. In solchen Fällen bieten sich PVT-Kollektoren an.
● Die Simulationsrechnungen haben gezeigt, dass bei kleineren Gebäuden eine 100%ige Regeneration möglich ist.
● Bei größeren Quartieren empfiehlt es sich, zusätzlich Fassadenflächen zur solaren Wärmegewinnung zu nutzen.
● Ergänzend könne ein Luft/Wasser-Wärmeübertrager mit in das System eingebunden werden.
Der Einsatz von PVT-Kollektoren (Bild 5) zur Regeneration habe den Vorteil, dass der erzeugte Sonnenstrom in der Regel ausreicht, Wärmepumpen, Umwälzpumpe und andere Nebenantriebe – ganzjährig bilanziert – mit Strom zu versorgen. Poppei rät davon ab, die Anzahl der EWS bzw. deren Länge aufgrund der Regenerationsoption zu kürzen, da dies zu einer Erhöhung des Winterstromverbrauchs um rund 10 % führe, so die Simulationsberechnungen. Für eine erste Abschätzung der Regenerationsmaßnahme mittels PVT-Kollektoren könne mit einem Bedarf an Dachfläche von 1,8 m2 pro MWh erforderlicher jährlicher Nutzwärme gerechnet werden.
Projekt Geo:base: Beim Heizen und Kühlen muss die Bilanz stimmen
Prof. Dr.-Ing. Lars Kühl, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wolfenbüttel, resümiert bereits zu Beginn der Vorstellung des Projekts geo:base (Beispiele zur Integration und Betriebsoptimierung von Anlagen der oberflächennahen Geothermie in gewerblichen Gebäuden und anderen Nichtwohngebäuden), dass im Vorfeld solcher komplexer Projekte mehr gerechnet werden muss. Auch Kühl hält ein Anlagenmonitoring für notwendig, um ein zu starkes Abkühlen bzw. Erwärmen des Untergrundes zu vermeiden. Folgende ausgeführte Objekte wurden untersucht:
● Volkswagen AG, Emden
● Leica Camera, Wetzlar
● Oeding Print, Braunschweig
● Solvis, Braunschweig
Bei VW (Bild 6) und Leica stand die Energiebilanzierung von Energiepfählen und Erdwärmesonden im Mittelpunkt. Die Anlagen bei Oeding Print und Solvis, beide mit Wasserspeichersystemen für Wärme und Kälte, werden als nicht-geothermische Systeme zum Vergleich herangezogen.
Das Monitoring der beiden Anlagentypen ermöglichte es, das Potenzial der träge reagierenden Erdwärmesonden / Energiepfähle im Vergleich zu den eher kurzen Speicherzyklen der Eis- und Wasserspeicher zu bewerten. Eine fünfte Anlage, das Gebäude des E.ON Research Centers in Aachen, wird zur Kalibrierung von Berechnungen zum thermischen Verhalten des Untergrundes und zum Test fortschrittlicher Steuerungsmechanismen genutzt. Aus den Untersuchungen lassen sich folgende Ergebnisse ableiten:
● Im Planungsprozess müssen bereits konkrete Ziele für die Geothermieanlagen definiert werden.
● Betriebsprobleme treten meist bei Lastveränderungen durch Produktionsänderungen auf.
● Ein betriebsbegleitendes Monitoring identifiziert anstehende Abweichungen; daraus können Optimierungsstrategien erarbeitet werden.
Neue Betriebsstrategie für EWS-Felder
Mit dem Verbundprojekt „MPC-Geothermie, effizienter und nachhaltiger Betrieb von Erdwärmesondenfeldern mit modellprädiktiver Regelungsstrategie“ beabsichtigen die Akteure des Projekts, die offensichtliche Lücke zwischen Planung und Betriebsführung von EWS-Feldern zu schließen und die Grundlage für ein technisches Regelungswerkzeug zu schaffen. Gleichzeitig soll damit eine Kostenreduzierung und so eine Steigerung der Marktakzeptanz solcher Anlagen erreicht werden.
Die Methode der modellprädiktiven Regelung (MPC-Regelung) wird derzeit am EWS-Feld des E.ON Energy Research Centers in Aachen, einem multifunktionalen Bürogebäude (7222 m2) mit Büro-, Labor-, Server- und Konferenzräumen, entwickelt und erprobt (Bild 7). Beheizt bzw. gekühlt werden die thermisch oft hochbelasteten Räume über einen Wärmeverbund, bestehend aus einer 250-kWth-Wärmepumpe, einem BHKW und einem Gas-Brennwertheizkessel zur Spitzenabdeckung. Wärmequelle bzw. Wärmesenke ist ein EWS-Feld mit 41 Sonden, à 100 m Bohrtiefe.
„Im Grunde genommen geht es beim MPC-Projekt darum, Vorfahrtsregeln für die konkurrierenden Wärme- und Kälteproduzenten zu definieren“, erklärt Dr. Renate Pechnig von der Geophysica Beratungsstelle, Aachen. Bis zum Jahr 2020 wurde das EWS-Feld in einer ON/OFF-Strategie betrieben. Das führte dazu, dass es über mehrere Jahre zu einem Überschuss an Wärme im Untergrund kam, wodurch auch benachbarte Sonden beeinflusst wurden. Diese Übererwärmung des Erdreichs führte unter anderem zu hohen Betriebskosten für Pumpenstrom.
Die jetzt entwickelte MPC-Regelung reagiert auf eine Vorhersage und gleicht diese ständig mit einem Messwert ab. Die Daten dazu stammen aus Modellen mit langfristiger, mittelfristiger und kurzfristiger Optimierung sowie saisonalen Lastvorgaben, Wettervorhersagen und zeitnahen Gebäudeanfragen. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Monitoring der 41 Doppel-U-Erdwärmesonden hinsichtlich Fluidtemperatur, Bodentemperatur und Durchflussgröße, unterteilt nach EWS-Feldern, EWS-Segmenten und Einzelsonden.
Von Vorteil ist, dass sich jede EWS einzeln ansteuern lässt und jeweils die individuellen Temperaturen und Durchflüsse in einer Zeitauflösung von 30 s ausgelesen werden können. Zur genaueren Datenerfassung sind 24 Sonden zusätzlich mit Glasfasertechnik ausgerüstet. Ziel des Projekts ist nicht nur die Betriebsoptimierung der Campus-Gebäude, sondern die Weiterentwicklung der Datenerfassung zu einem Prognose-Tool über das Verhalten von EWS-Feldern über einen Zeitraum von 25 Jahren. Im Demonstrationsbetrieb konnte bereits der Nachweis einer Reduktion des Pumpenstroms um 60 % erbracht werden.
Zur neuen Regelungsstrategie gehört, dass auch die einzelnen Sonden entsprechend der Heiz- und Kühlnachfrage und der Sondentemperatur aktiviert werden können (Bild 8). Dies bewirke eine geringere Aufheizung der Sondenumgebung und damit eine Verbesserung der Anlagenperformance, so ein erstes Resümee.
Quartierskonzepte erfordern neue Ansätze für Erdwärmesonden(felder)
Für die Auslegung, Optimierung und den Betrieb einzelner Wärmepumpen-Anlagen mit Erdwärmesonden stehen umfangreiche Richtlinien und Erfahrungen sowie ein breites Angebot an Fachliteratur zur Verfügung. Allerdings lassen sich diese Erkenntnisse aus Einzellösungen nur bedingt auf Quartierslösungen in städtischen Gebieten übertragen. Was fehlt ist die quartiersbezogene Betrachtung von Wärmeeintrag und Wärmeentzug über die Erdwärmesonden im Erdreich sowie die Berücksichtigung von Synergien durch die unterschiedliche Nutzung von Gebäuden im urbanen Raum.
Nach Angaben des Umweltbundesamts liegen die höchsten Energieeffizienzpotenziale bei der Versorgung von städtischen Gebieten und großen zusammenhängenden Gebäudekomplexen mit Wärmeenergie in Quartierslösungen, sodass diesem Bereich künftig eine Schlüsselrolle zukommt. Hier setzt das von dem Konsortium Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Leipzig, dem Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und der Geoenergiekonzept GmbH, Freiberg, initiierte Verbundprojekt EASYQuart an.
Ziel des Projekts ist, die planerischen Grundlagen für eine methodisch vertiefte Optimierung von Versorgungsnetzwerken zur Nutzung oberflächennaher geothermischer Ressourcen für Heiz- und Kühlzwecke in Stadtquartieren mit Mischbebauung zu schaffen. Dabei geht es um die Entwicklung eines standortbasierten Entscheidungshilfesystems mittels thermischer Modellierung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Machbarkeit, der konzeptionellen Planung, der geothermischen Erkundung und der Entwurfs- und Genehmigungsplanung. Dadurch sollen wirtschaftlich nachteilige Über- und Unterdimensionierungen verhindert werden.
Weitere Entwicklungen in der oberflächennahen Geothermie
Entwicklung einer Ringrohrsonde: Die von Dr.-Ing. Rolf Michael Wagner, BLZ Geotechnik GmbH, Gommern, entwickelte Ringrohrsonde soll gegenüber Einfach-U-Rohr, Doppel-U-Rohr und Koaxialsonden bei gleicher Sondentiefe, gleichem Bohrdurchmesser und gleichem Abstand zueinander höhere Leistungen erbringen und damit wirtschaftlicher sein. Die Ringrohrsonde besteht aus 10 kleinen Außenrohren und einem Zentralrohr und hat damit eine um 30 % größere Oberfläche. Sie soll eine gegenüber den anderen Bauarten um 36,5 % höhere Leistung bei gleichen Bohrmetern erbringen.
„Stärkste Erdwärmesonde der Welt“: Mit der zunehmenden Urbanisierung und verdichteten Bauweise geht der Trend bei Erdwärmesonden zu größeren Tiefen, in der Schweiz regulär bereits bis 400 m. Die Jansen AG, Oberriet, Schweiz, bietet deshalb die Erdwärmesonde „hipress“ jetzt auch in der Druckstufe PN35 an. Durch den Metallmantel im Rohrinnenaufbau ist die Sonde nicht nur absolut diffusionsdicht, sondern weist auch einen höheren Wärmedurchgang auf. Gleichzeitig ist der Innendurchmesser größer und damit der hydraulische Widerstand geringer. Besonders interessant ist die diffusionsdichte Sonde in Gegenden mit potenziellen Gasvorkommen, da Erdgas (Methan) aber auch natürliches Kohlendioxid durch das heute übliche Sondenmaterial hindurchdiffundiert.
Mehr Sicherheit durch Radarsonde: Die Bohrung von Erdwärmesonden und damit die langfristige Qualitätssicherung des Betriebs einer erdgekoppelten Wärmepumpe sind immer noch mit Unwägbarkeiten verbunden. Typische Fehlstellen in Erdwärmesonden sind die Verbindung von zwei Grundwasserleitern durch den Bohrvorgang und damit der Abtransport der injizierten Zementsuspension. Weitere Herausforderungen beim Bohrvorgang sind Kluftzonen und damit die Verlagerung der Suspension in den Hohlraum. Nicht vollständig ausgefüllte Ringraumverfüllungen mindern den Wärmeübergang zur Sonde und damit auch die Leistung der Wärmepumpe. Zur Kontrolle der Verfüllung von Erdwärmesonden wurden zahlreiche radiometrische und elektromagnetische Messverfahren entwickelt, deren alleiniger Einsatz jedoch nicht immer aussagefähige Ergebnisse liefert.
Einen Qualitätssprung beim Bau und Betrieb von Erdwärmesonden erwartet die Branche von der Entwicklung einer Radarsonde (Bild 9) im Rahmen des Verbundprojekts „GeoMo“, mit den Teilnehmern European Institute for Energy Research (EIFER), Karlsruhe, Institut für Angewandte Bauforschung (IAB), Weimar, Ingenieurbüro für Halbfrequenztechnik und Antennenentwicklung (IRK), Dresden und Institut für Bioprozess- und Analysetechnik (IBA), Heilbad Heiligenstadt. Ziel des Projekts auf der Basis der dielektrischen Hochfrequenz-Spektroskopie ist die Entwicklung einer miniaturisierten Radarmesssonde, welche ein Befahren von EWS mit Innendurchmessern von bis zu 25 mm ermöglicht.
Laut Thomas Nacke vom IBA konnte die Funktionsfähigkeit dieses Verfahrens nachgewiesen und zum Beispiel EWS-Fehlstellen in der Größe von Tischtennisbällen an einer Modell-EWS online detektiert und bildlich dargestellt werden. Nacke räumt ein, dass bis zu einem praxis- und baustellentauglichen Gerät noch weiterer Entwicklungsbedarf besteht.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGAdossier Wärmepumpe