Nach einer Messkampagne zeigen DUH und Clean Air Taskforce signifikante Treibhausgasemissionen durch Methanleckagen in der Erdgas-Infrastruktur in Deutschland und ganz Europa an.
Bei der vollständigen Verbrennung von fossilem Erdgas entstehen im Vergleich zu den fossilen Energieträgern Kohle und Mineralölprodukte weniger Treibhausgasemissionen. Eine Tatsache, mit der die Gaswirtschaft gerne wirbt. Hauptbestandteil von Erdgas, mit je nach Herkunft bis nahezu 100 %, ist Methan (CH4). Methan hat allerdings ein deutlich höheres Treibhauspotenzial als CO2. Tritt Erdgas bzw. Methan nicht verbrannt aus der Erdgas-Infrastruktur aus, steigt das Treibhauspotenzial des verwendeten Erdgases.
Diffuse Methanleckagen lassen sich wegen des technischen Aufwands zur Verhinderung bzw. Beseitigung nicht vollständig vermeiden, ebenso die Freisetzung bei Unfällen. Berücksichtigt werden diese in die Vorketten umfassenden Emissionsfaktoren, beispielsweise nach GEMIS. Fragt man bei der deutschen Gaswirtschaft nach, sind die Methan-Emissionen der deutschen Erdgas-Infrastruktur nicht null aber „vernachlässigbar gering“.
Spezialkamera spürt Methanleckagen auf
Nun deutet aber eine gemeinsam von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und der US-amerikanischen Umweltorganisation Clean Air Taskforce (CATF) durchgeführte Messkampagne darauf hin, dass an der Erdgas-Infrastruktur in ganz Deutschland signifikante Methan-Emissionen entstehen. Das untermauern seit Anfang 2021 von DUH und CATF gemachte Aufnahme. Für die Dokumentation der Emissionen wurde eine Spezialkamera (Optical Gas Imaging OGI-Kamera) verwendet, die das ansonsten unsichtbare Methan an verschiedenen Anlagen sichtbar gemacht hat. Solche Systeme sind für den mobilen und stationären Einsatz seit wenigen Jahren marktverfügbar. Stationäre Systeme werden beispielsweise verwendet, um Gas-Fackeln zu überwachen. Mobile Systeme unterstützen bei Biogas-Anlagen die Dichtheitskontrolle.
Insgesamt wurden von DUH und CATF Aufnahmen an 14 verschiedenen Standorten in Deutschland angefertigt. Dabei wurden manche Standorte im Abstand einiger Monate mehrfach aufgesucht, um Ergebnisse zu validieren. Dabei zeigte sich, dass manche Leckagen bereits seit Monaten bestehen. Die DUH fordert die Betreiber der betroffenen Erdgas-Infrastruktur sowie die zuständigen Behörden auf, für eine möglichst schnelle Beseitigung der Methan-Emissionen zu sorgen.
Im Hintergrundpapier Methan-Emissionen durch Erdgas-Infrastruktur in Deutschland macht die DUH nähere Angaben zu den festgestellten Methanleckagen. Eine der OGI-Kamera-Aufnahmen hat die DUH auf YouTube veröffentlicht:
Und das Problem ist nicht auf Deutschland begrenzt, sondern betrifft die gesamte Erdgas-Industrie in Europa. Dies zeigen parallele Veröffentlichungen in Ungarn und Italien sowie auf internationaler Ebene, siehe www.cutmethane.eu
„Wir brauchen unabhängige und überprüfbare Messungen“
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Erdgas ist ähnlich klimaschädlich wie Kohle, nur ist es eben unsichtbar. Methan ist über 20 Jahre betrachtet 87-mal klimaschädlicher als CO2. Selbst geringe Mengen können deswegen großen Schaden anrichten, wenn sie in die Atmosphäre gelangen.
Trotzdem scheint die Erdgas-Industrie hierzulande nicht daran interessiert zu sein, diese Emissionen zu beseitigen – oder sie weiß erst gar nichts von deren Existenz, weil nicht korrekt oder nur unzureichend gemessen wird. Das Verhalten von Behörden und Industrie erinnert uns dabei fatal an Dieselgate. Wir brauchen endlich unabhängige und überprüfbare Messungen, anstatt allein von der Industrie angefertigte Hochrechnungen. Unsere Untersuchungen an deutscher Erdgas-Infrastruktur werden deshalb weitergehen – bis jedes Leck aufgedeckt ist.“
Anmerkung: Bezogen auf 100 Jahre, dies ist beispielsweise bei Kältemitteln üblich, beträgt das GWP von Methan 28. Auch dieser Wert ist höchst relevant: Bei einer Leckrate von 1 % erhöht sich das Treibhauspotenzial gegen vollständig verbranntem Methan um 9 Prozentpunkte. Nimmt man den Wert für 20 Jahre, entspricht eine Leckrate von 1 % bereits einer Erhöhung des Treibhauspotentials von über 30 %.
Verfügbare Daten stammen aus der betroffenen Erdgas-Industrie
Die verfügbaren Daten zu Methan-Emissionen in Deutschland basieren auf Angaben der betroffenen Erdgas-Industrie selbst. In der Regel sind Hochrechnungen durchschnittlicher Emissionsfaktoren die Basis. Unabhängige und umfassende Messwerte liegen bisher nicht vor. Laut des „Global Methane Assessment“ Reports des UN-Umweltprogramms UNEP kann eine signifikante Reduktion von Methan eine weitere weltweite Erderhitzung um bis zu 0,3 K verhindern. Voraussetzung ist eine Reduktion der Methan-Emissionen auch aus anderen Bereichen wie der Landwirtschaft.
Im Bereich der Energiewirtschaft müssten hierfür die Methan-Emissionen aus Kohle, Öl und Erdgas bis 2030 um 65 % reduziert werden. 60 % dieser Reduktion wären dabei mit negativen oder niedrigen Kosten verbunden, weil bei der Leckage ein handelsfähiges Produkt ungenutzt entweicht.
„Deutschland hat ein Methan-Problem“
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wenn bei einer Öl-Pipeline Öl austritt, ist der Protest völlig zurecht groß. Bei der Erdgas-Infrastruktur in Deutschland gibt es teilweise monatelang solche Lecks. Der fatale Unterschied ist, dass man Methan im Gegensatz zu Öl nicht sehen kann. Das ändert aber nichts daran, dass diese Methan-Lecks extrem klimaschädlich sind.
Deutschland hat ein Methan-Problem. Entgegen der allgemeinen Auffassung tritt das extrem wirksame Klimagas nicht nur in den Herkunftsländern an verschiedensten Anlagen der Erdgas-Industrie aus. Wir fordern die Unternehmen der Erdgaswirtschaft auf, unverzüglich die vorhandenen Lecks zu finden und zu beseitigen. Wir brauchen zudem strengere gesetzliche Vorgaben für die Messung und die Reduktion von Methan-Emissionen aus der Erdgas-Industrie.“
Zudem fordert Müller-Kraenner, dass Deutschland ein Ausstiegsdatum für fossiles Erdgas in Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen festlegt. Und die EU müsse bei der Umsetzung ihrer Methanstrategie eine Methan-Abgabe einzuführen, die auch Drittländer wie Russland einschließt. ■
Siehe auch:
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„Wir brauchen einen klaren Plan zum Erdgas-Ausstieg“
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