Klimaneutralität des European Green Deal und das Pariser Klimaabkommen erfordern eine Emissionsreduktion bis 2030 von 65 statt 40 %. Das Energiesystem muss dazu bis 2040 auf 100 % erneuerbare Energien umgestellt werden.
Im März haben wir an dieser Stelle berichtet, dass Forscher ermittelt haben, dass das kosteneffizienteste Niveau der globalen Erwärmung sehr robust dasjenige ist, das mehr als 190 Nationen 2015 als Pariser Klimaabkommen vereinbart haben: eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 °C. Mit anderen Worten: Ambitionierter Klimaschutz ist die günstigste Option.
Die Europäische Union will hierbei eine Vorreiterrolle übernehmen und mit dem European Green Deal Netto-Klimaneutralität bis 2050 erreichen. Ein Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt mit Modellrechnungen, dass dafür das Reduktionsziel bis 2030 (gegenüber 1990) von 40 auf rund 65 % erhöht werden muss. Zur Einordnung: Deutschland hat mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) gerade eine Minderung um mindestens 55 % bis 2030 verbindlich gemacht, wird aber mit den bisher beschlossenen Maßnahmen nur 51 bis 52 % erreichen. Als besonders relevanter CO2-Emittent wird Deutschland mindestens das
EU-Ziel leisten müssen.
Der DIW-Bericht besagt weiterhin, dass ein Erreichen der Pariser Klimaziele nur möglich ist, wenn Europa das Energiesystem bereits bis 2040 auf 100 % erneuerbare Energien umstellt. Auch Erdgas verschwindet bis 2040 aus dem Energiemix, bis 2030 wird der Verbrauch fast halbiert. Im neuen Energiesystem werden maximal noch 10 % der vormaligen Infrastrukturkapazität zum Gastransport benötigt. Wasserstoff kommt eine eher kleine Rolle als Energiespeicher und in geringem Umfang für die Herstellung synthetischer Kraft- und Brennstoffe sowie Hochtemperaturwärme in der Industrie zu; im Niedrigtemperaturbereich (Raumwärme) setzen sich weitgehend elektrische Wärmepumpen durch.
Der Investitionsbedarf für erneuerbare Energien beläuft sich dafür europaweit auf rund 3300 Mrd. Euro (ohne Netzinfrastruktur und Lastmanagement). Hinzu kommt weiterer Investitionsbedarf für Energieeffizienz und Sektorenkopplung. Dem stehen alleine knapp 2000 Mrd. Euro Einsparungen durch den Wegfall von Erdöl- und Erdgasimporten gegenüber. Weiterhin erwähnt der DIW-Bericht die Einsparung von Umwelt- und Klimakosten in Höhe mehrerer Tausend Milliarden Euro.
Sorgen, dass eine Umstellung auf Erneuerbare die Strom- und Energienachfrage nicht decken kann, sind den Ergebnissen stundenscharfer Berechnungen zufolge unbegründet. Allerdings sind hierfür Investitionen in direkte Stromspeicher, beispielsweise Batterien, und zur indirekten Speicherung mit Wasserstoff durch Elektrolyse und Turbinen zur Rückverstromung notwendig. Bei einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien bis 2040 – die günstigste Alternative – bleibt es also „dennoch hell und warm“, so die Studie.
1300 Mrd. Euro – eine gewaltige Summe. Legt man sie aber auf die in der EU lebenden 446 Mio. Menschen um, sind es „nur“ 2915 Euro/Kopf und bei einer Umstellungszeit von 20 Jahren 145 Euro/(Pers ∙ a) oder für einen 3-Personenhaushalt 1,2 Euro/Tag. Für ein Einfamilienhaus mit einem Erdgasbezug von 20 000 kWhHi/a werden allein die CO2-Zusatzkosten des BEHG bis 2040 bei einem mittleren Preispfad (linearer Anstieg ab 2027 um 10 Euro/tCO2) nicht abgezinst 9520 Euro betragen, das sind 1,3 Euro/Tag. Proteste gegen die CO2-Bepreisung gab es kaum, vielmehr wurde kritisiert, dass das Preissignal in der Festpreisphase zu gering ist.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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