Eine Studie des Fraunhofer ISI im Auftrag der European Climate Foundation (ECF) kommt zu dem Ergebnis, dass eine spätere Umrüstung von LNG-Terminals zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak mit großen Unsicherheiten behaftet ist.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat Fragen nach der Energiesicherheit Europas aufgeworfen. Aufgrund der bisherigen großen Abhängigkeit vieler EU-Mitgliedstaaten von russischem Erdgas sind sie auf der Suche nach alternativen Gasquellen. Im aktuellen Fokus ist dabei verflüssigtes Erdgas (LNG liquefied natural gas), das insbesondere aus den USA, Katar, Algerien und auch aus Russland per Schiff nach Europa transportiert wird. Global gesehen ist zudem Australien ein großer LNG-Exporteur.
Der temporäre Einsatz schwimmender Speicher- und Regasifizierungseinheiten (Floating Storage and Regasification Units, FSRU) ist eine flexible Möglichkeit, einen kurzfristigen Gasmangel zu vermeiden. Der Bau fester LNG-Terminals an Land mit einer voraussichtlichen Lebensdauer bis in die 2040er-Jahre hinein wirft allerdings die Frage nach Fehlinvestitionen und einem fossilen Lock-In auf, da LNG nicht klimaneutral ist. LNG aus den genannten Lieferländern weist inklusive der Vorketten sogar höhere Treibhausgasemissionen als über Pipelines aus Russland importiertes Erdgas auf.
Nachnutzung von LNG-Terminals
Eine mögliche Lösung für die langfristige Nutzung der Onshore-Terminals an Land besteht in der Umrüstung ihrer Komponenten auf potenziell klimaneutrale Energieträger, insbesondere flüssigen Wasserstoff oder flüssiges Ammoniak. Deren physikalische Eigenschaften bringen jedoch bestimmte technische Herausforderungen mit sich und das Know-how über die Umrüstungskosten von LNG-Terminals ist ebenfalls begrenzt.
Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Studie des Fraunhofer ISI Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia die technische Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals unter wirtschaftlichen Aspekten mittels einer Literaturrecherche, die durch ein Dutzend Interviews mit Experten aus Wissenschaft und Industrie ergänzt wurde. Stark verdichtet lautet das Ergebnis: Die Umrüstung von Teilen eines LNG-Terminals ist machbar, wenn sie bereits bei der Planung berücksichtigt worden ist.
Große technische Herausforderungen
Sowohl Ammoniak als auch flüssiger Wasserstoff stellen die Terminalinfrastruktur vor technische Herausforderungen. Ammoniak hat eine günstigere Siedetemperatur als LNG und daher geringere Anforderungen an die thermische Isolation, ist aber korrosiv und giftig. Flüssiger Wasserstoff hingegen hat einen noch niedrigeren Siedepunkt als LNG, kann Materialversprödung verursachen und erfordert aufgrund des Explosionsrisikos hohe Sicherheitsanforderungen.
LNG-Terminals bestehen aus mehreren Komponenten, dem Lagertank, Kompressoren und Pumpen. Der Speicher zur Zwischenlagerung in der angelandeten Flüssigphase ist mit Abstand das teuerste Bauteil. Um hohe Neuinvestitionen zu vermeiden, sollte deshalb die Umstellung auf Ammoniak oder flüssigen Wasserstoff bereits bei der Planung der Terminals berücksichtigt werden, beispielsweise durch die Verwendung kompatibler Materialien, etwa spezieller Edelstähle.
Laut Schätzungen lassen sich von den Investitionskosten, die für den Bau des LNG-Terminals ursprünglich anfielen, etwa 70 % bei der Umrüstung in ein Ammoniak-Terminal übertragen.
Bei flüssigem Wasserstoff ist neben der Materialkompatibilität eine zusätzliche thermische Isolierung des Tanks erforderlich oder es muss ein höherer Boil-off in Kauf genommen werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind schwieriger abzuschätzen, da es an Erfahrungen mit Infrastrukturen im industriellen Großmaßstab fehlt. Durch die hohen Kosten des LNG-Tanks ist jedoch davon auszugehen, dass sich etwa 50 % der ursprünglich in das LNG-Terminal investierten Kosten übertragen lassen, wenn beim Bau des Tanks die Materialverträglichkeit berücksichtigt und ein höherer Boil-off in Kauf genommen wird.
Energieträgerwechsel erfordert erhebliche Anpassungen
Auch wenn die LNG-Infrastruktur manchmal im Hinblick auf die künftige Verwendung von Ammoniak oder Wasserstoff als „ready“ gilt, erfordert die Umstellung dennoch erhebliche technische Anpassungen und zieht zum Teil erhebliche Kosten nach sich. Denn es ist nicht möglich, die entsprechenden Terminalkomponenten gleichzeitig mit verschiedenen Energieträgern zu betreiben oder flexibel von einem zum anderen ohne Anpassungen zu wechseln.
Bei Flüssigwasserstoff führen das Fehlen praktischer Anwendungen im großindustriellen Maßstab – es gibt nur einen Prototyp eines Importterminals in kleinerem Maßstab in Kobe, Japan – und die geringe oder fehlende Nachfrage bzw. der fehlende Markt für Flüssigwasserstoff zu weiteren Unwägbarkeiten.
Matia Riemer, Ko-Autorin der Studie, unterstreicht die Ungewissheit bei der Frage, ob sich die LNG-Importterminals weiterhin in klimaneutralen Energiesystemen einsetzen lassen: „Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind. Um dieses Risiko gering zu halten, sollte bereits in der Planungsphase der LNG-Terminals ein Konzept für deren Umstellung auf andere Energieträger erstellt und bei der Material- und Standortwahl berücksichtigt werden.“
Realisierbarkeit hängt auch von Standort und Infrastruktur ab
Dr. Florian Schreiner, der das Projekt am Fraunhofer ISI koordiniert hat: „Die Frage nach der Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals auf Flüssigwasserstoff- oder Ammoniak-Terminals hängt von vielen Faktoren ab: Zum einen ist die zukünftige Nachfrage nach beiden Energieträgern ungewiss und wir benötigen verlässlichere Bedarfsprognosen, um die Planungssicherheit zu verbessern. Darüber hinaus hängt die Machbarkeit auch von individuellen Merkmalen der Terminals und ihren Standorten ab. So können zum Beispiel Industrieparks in der Nähe zum Austausch wertvoller ‚Energieabfallströme‘ beitragen oder bieten Verteilinfrastrukturen wie Pipelines, was ein wichtiges Kriterium sein kann.“
Das Zusammenbringen von Industrie, Infrastrukturentwicklern, Wissenschaft, Politik und anderen Stakeholdern ist daher unabdingbar, um sowohl eine langfristige Festlegung auf die fossile Infrastruktur zu vermeiden als auch die Planungssicherheit für Investoren zu verbessern, da die Infrastruktur über Jahrzehnte genutzt wird und eine wichtige Rolle im Rahmen des Umbaus des Energiesystems hin zu einer klimaneutralen Zukunft spielt. ■
Quelle: Fraunhofer ISI / jv
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