Der Deutsche Erdüberlastungstag 2024 fällt auf den 2. Mai, zwei Tage früher als im Vorjahr. Germanwatch fordert eine „Schuldenbremse“ bezüglich der Erdüberlastung.
Würden weltweit alle Menschen so leben und wirtschaften wie wir in Deutschland, wäre bereits am 2. Mai das Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen für das gesamte Jahr 2024 aufgebraucht. Der deutsche Erdüberlastungstag markiert den Tag, ab dem wir bis Jahresende quasi ungefragt Schulden bei anderen machen: bei Menschen im globalen Süden, die deutlich weniger verbrauchen als ihnen zustünde, sowie bei Kindern und nachfolgenden Generationen, die mit den Folgen der jahrzehntelangen Übernutzung umgehen müssen.
Aylin Lehnert, Bildungsreferentin bei Germanwatch: „Der deutsche Erdüberlastungstag ist eine Mahnung, jetzt in allen Bereichen die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass nachhaltiges Verhalten zum neuen Normal wird. Wir brauchen eine neue Schuldenbremse, eine Schuldenbremse in Bezug auf die Überlastung der Erde.“
Tendenziell nimmt die Erdüberlastung durch Deutschland seit 2010 zwar etwas ab – aber viel zu langsam. Wären vor 14 Jahren rechnerisch laut Global Footprint Network (GFN) 3,3 Erden nötig gewesen, wenn alle Menschen so leben und wirtschaften würden wie die Menschen hierzulande, sind es heute noch immer 3.
Der Erdüberlastungstag (EÜT) …
… wird jedes Jahr vom Global Footprint Network errechnet. Es wird einerseits für jedes Land ein nationaler Erdüberlastungstag ermittelt – wie jetzt für Deutschland. Andererseits wird auch der globale Erdüberlastungstag berechnet, der sich auf die weltweite Ressourcennutzung bezieht. Dabei werden zwei rechnerische Größen gegenübergestellt: zum einen die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen; zum anderen Wälder, Flächen, Wasser, Ackerland und Fischgründe, die die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise verbrauchen. Der globale EÜT 2023 war der 2. August.
Ernährung ist ein großer Faktor
Großen Einfluss auf den Verbrauch natürlicher Ressourcen hat der hohe Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten. In Deutschland werden rund 60 % der Agrarfläche für die Produktion von Futtermitteln verwendet. Konstantinos Tsilimekis, Experte für Welternährung und Landnutzung bei Germanwatch, erklärt: „Allein 56 % des hierzulande erzeugten Getreides gehen in die Futtertröge. Da die einheimischen Futtermittel dennoch nicht ausreichen, um den hiesigen Bedarf für die Tiere zu decken, werden zusätzlich massiv Flächen im Ausland in Anspruch genommen – 2022 etwa wurden 3,4 Mio. t Soja für die Verfütterung nach Deutschland importiert.
Der Anbau solcher Futtermittel ist seit Jahrzehnten ein zentraler Treiber für die Vernichtung von Wäldern und den Verlust von Biodiversität. Allein von 2016 bis 2018 stand die Zerstörung von 138 000 ha Tropenwald weltweit in Verbindung mit dem Verbrauch in Deutschland. Das ist fast die doppelte Fläche einer Millionenstadt wie Hamburg. Um die Zerstörung von Naturflächen spürbar zu reduzieren und auch hierzulande wertvolle Flächen wie zum Beispiel Moore renaturieren zu können, müssen wir die Zahl der Nutztiere verringern und angebaute Nahrungsmittel mehr direkt konsumieren.“
Unter anderem jüngste Untersuchungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) belegen, dass eine weltweite Umstellung auf eine nachhaltige und fleischarme Ernährung die Chancen für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C deutlich erhöhen würde.
Eine gesündere und ressourcenschonende Ernährung erreiche man aber nicht allein mit Appellen, mahnt Tsilimekis: „Es ist eine politische Aufgabe, nachhaltigere Angebote in der Gemeinschaftsverpflegung, etwa in Kantinen, sowie steuerliche Anreize für pflanzenbasierte Nahrungsmittel zu schaffen.“ Gleichzeitig müssen auch gangbare Geschäftsmodelle gemeinsam mit den Landwirten entwickelt werden. „Ein guter Ausgangspunkt dafür könnte das erst kürzlich initiierte Chancenprogramm Höfe der Bundesregierung sein.“
Alle können ihren Handabdruck hinterlassen
Auch der Deutsche Ethikrat mahnt in seiner aktuellen Stellungnahme zu Klimagerechtigkeit politische Maßnahmen an: „Es ist unangemessen, wenn staatliche Akteure von Individuen emissionsärmeren Konsum erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen dafür zu einem guten Teil nicht erfüllt sind oder sogar konterkariert werden, so dass emissionsärmeres Handeln in vielen Feldern immer noch „moralisches Heldentum“ verlangt. Eine moralische Kritik an Entscheidungen im Bereich der privaten Lebensführung und des Konsums ist kein Ersatz für notwendige politische Maßnahmen.“
Germanwatch bietet mit dem Handabdruck-Konzept Ansätze für transformatives Engagement über die Verkleinerung des individuellen CO2-Fußabdrucks hinaus. „Wir setzen uns für die Vergrößerung der bleibenden Spuren des Engagements in der Gesellschaft ein. Der Handabdruck befähigt dazu, durch gesellschaftliches Engagement Strukturen so zu verändern, dass Nachhaltigkeit für alle zum preiswerten und praktischen Standard wird“, betont Lehnert.
Stefan Rostock, Bereichsleiter Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bei Germanwatch, ergänzt: „Bildung für nachhaltige Entwicklung gehört in die Schulen. Die Beschäftigung mit dem Handabdruck befähigt Lernende, ganz konkret in ihrem Umfeld Strukturen hin zu mehr Nachhaltigkeit zu verändern. Das wäre ein großer Beitrag dazu, den deutschen Erdüberlastungstag zügig Richtung Jahresende zu verschieben.“ ■
Quelle: Germanwatch / jv
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