Der European Green Deal legt die Latte sehr hoch: Bis 2050 soll Europa klimaneutral werden. Diese Zielvorgaben sind allerdings nur zu erreichen, wenn die CO2-Emissionen bis 2030 nicht nur um 40 %, sondern um 65 % gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Dazu müsste bis 2040 die Energiegewinnung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Die dazu notwendigen Investitionen sind zwar hoch, werden sich aber rechnen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben die an der Studie beteiligten Ökonomen des DIW Berlin und der Technischen Universität Berlin berechnet, unter welchen Umständen die Ziele des European Green Deal erreicht werden könnten und mit welchen Kosten dies verbunden ist. „Bisher geht die EU-Kommission von einem CO2-Reduktionsziel von 40 % bis 2030 aus. Doch damit wird Europa nicht bis 2050 klimaneutral, wie unsere Berechnungen zeigen. Die Ziele müssen sehr viel ambitionierter sein“, fordert Studienautorin Claudia Kemfert.
100 % Erneuerbare bis 2040: Energieversorgung bleibt sicher
Einem Basisszenario von 40 % haben die Autoren deshalb ein Klimaschutzszenario gegenübergestellt, das von einer CO2-Reduktion um 65 % bis 2030 gegenüber 1990 ausgeht, so wie es einige Fraktionen im EU-Parlament fordern. Tatsächlich zeigt sich bei den Berechnungen, dass unter diesen Umständen die im Green Deal angepeilte Klimaneutralität erreicht werden könnte.
„Dies ist aber nur möglich, wenn wir unser Energiesystem auf 100 % erneuerbare Energien umstellen – und zwar schon bis 2040“, sagt Studienautor Karlo Hainsch. Auch bei einem vollständigen Umstieg auf Erneuerbare bliebe die Energieversorgung sicher, wie stundenscharfe Berechnungen der Studie zeigen – selbst für Länder, die bisher noch sehr auf fossile oder atomare Energie setzen wie Polen und Frankreich.
Investitionsbedarf von 3000 Mrd. Euro
Gespart würden mit einem solchen Szenario rund 60 Mrd. t an CO2-Emissionen. „Doch eine Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien lässt sich nicht zum Nulltarif haben. Dazu müssen umfangreiche Investitionen getätigt werden“, sagt Studienautor Leonard Göke. Der Investitionsbedarf für erneuerbare Energien beläuft sich den Berechnungen zufolge auf etwa 3000 Mrd. Euro.
Ein enormer Betrag, dem allerdings Einsparungen von allein knapp 2000 Mrd. Euro gegenüberstehen, die nicht mehr für den Import fossiler Energieträger ausgegeben werden müssten. Da wegen der Coronavirus-Krise sowohl die EU als auch die meisten Nationalregierungen in Europa umfangreiche Hilfspakete geschnürt haben, könnten diese eine gute Grundlage bilden, um die erforderlichen Investitionen zu unterstützen.
„Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“
„Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Konjunkturaufschwung und Klimaschutz“, sagt Studienautor Christian von Hirschhausen. „Dazu muss sie dafür sorgen, dass die umfangreichen Konjunkturpakete im Rahmen des European Green Deal für Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz genutzt werden.“
Zusätzlich steht noch der „Just Transition Fund“ zur Verfügung, den die EU aufgelegt hat, um die von den Maßnahmen sehr unterschiedlich betroffenen Regionen in Europa finanziell beim Strukturwandel zu unterstützen. „Es muss besonders darauf geachtet werden, dass die Gelder in zukunftsfähige klimaneutrale Projekt laufen und nicht für die faktische Stabilisierung fossiler Entwicklungspfade genutzt werden“, warnt Studienautor Pao-Yu Oei. Die aktuelle Wirtschaftskrise, die weltweit und sektorübergreifend neue Parameter setzt, könnte nun dazu genutzt werden, die erforderlichen Maßnahmen Richtung Klimaneutralität entschlossen in Angriff zu nehmen. ■
Download: Studie im DIW Wochenbericht 28/2020.