1800 Haushalte in Redcar, Großbritannien, sollten bald das Heizen mit Wasserstoff testen. Das wurde abgesagt. Unter anderem, weil es nicht genug Wasserstoff gibt.
Schauen Sie doch nach Großbritannien, die machen uns vor, dass es geht! Diskussionen in Fachkreisen über die Chancen der Wasserstoff-Heizung endeten häufig mit dem Verweis auf Projekte im Ausland, insbesondere in Großbritannien. Es gibt zwar auch in Deutschland zahlreiche Pilotprojekte in ganz unterschiedlichen Stadien, doch im Vereinigten Königreich habe man einen Masterplan für das Heizen mit Wasserstoff …
… der Masterplan soll allerdings erst 2026 stehen. Die jüngste Absage sollte aber Teil der Entscheidungsgrundlage sein. Denn in UK gibt es rund 20 Mio. Gas-Heizungen (für rund 83 % der Gebäude), die mittelfristig entweder weichen müssen oder einen Brennstoff mit minimalen Klimaauswirkungen benötigen.
Inzwischen wird das Projektbuch immer dünner. Mitte Dezember 2023 hat das Vereinigte Königreich ein Programm zur Erprobung von Wasserstoff-Heizungen in Redcar im Nordosten Englands abgesagt. Hier sollten 1800 Häuser (Redcar hat rund 36 000 Einwohner), also nur ein überschaubarer Teil der Küstenstadt, mit Wasserstoff-Heizungen ausgerüstet werden. Begründet wurde die Absage damit, dass es keine ausreichende Versorgung mit kohlenstoffarmem Wasserstoff gibt. Bei der ersten Auktion für die Subventionierung von Wasserstoff in Großbritannien konnte sich nur eines von zwei eingereichten Projekten zur Erzeugung von Wasserstoff durchsetzen.
Betrachtet man nur die Kostenseite, könnte man auch zu dem Schluss gelangen, dass die Gaswirtschaft nicht in der Lage oder nicht willens ist, mit eigenem Kapital den Beweis ohne Förderung anzutreten.
Die Anwohner waren (noch) nicht begeistert
Allerdings war das Pilotprojekt auch ziemlich umstritten und die Anwohner waren wegen Bedenken bei der Sicherheit und bei den Kosten wenig begeistert. Eigentlich war deshalb schon eine öffentliche Sitzung terminiert, doch kurz davor zog das Department of Energy Security and Net Zero (DESNZ), das den Versuch in Auftrag gegeben hatte und ihn mitfinanzieren wollte, den Stecker. Weil die Hauptquelle für die Wasserstoffversorgung nicht zur Verfügung stehen wird.
DESNZ erklärte aber, dass die Regierung weiterhin der Ansicht ist, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff – neben elektrisch angetriebenen Wärmepumpen und Wärmenetzen – eine Rolle bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung spielen kann. Auf der Basis anderer Projekte plane die Regierung weiterhin, 2026 zu entscheiden, ob und wie Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung beitragen wird. Schon im Juli 2023 waren zwei andere Projekte in Whitby und Ellesmere Port aufgrund fehlender öffentlicher Unterstützung und nach heftigen Protesten trotz Garantien für die Teilnehmenden abgesagt worden. Die Entscheidungen sollen nun auf den Erkenntnissen des umfassenderen Forschungs-, Entwicklungs- und Testprogramms und des Projekts Fife (H100) mit einer Wasserstoffversorgung für 300 Haushalte sowie ähnlicher Versuche in ganz Europa beruhen.
Wende mit unterschiedlichen Versionen der Zukunft
Im Prinzip gibt es in Großbritannien ähnliche Diskussionen und Herausforderungen wie in Deutschland. Die weit verbreitete Gas-Heizung wird als kostengünstige Lösung gesehen und propagiert, Heizungs-Wärmepumpen müssen sich den Markt erst erobern. Für die Wärmepumpe werden ähnliche Mythen gepflegt, es wird unzureichend kommuniziert, mehr in den Amtsstuben als vor Ort mit den Menschen geplant und am Ende wundert man sich über den Gegenwind.
Und die Gaswirtschaft erzählt weiter ihre Version der Zukunft: Mit Wasserstoff kann man sich die Modernisierung der Gebäude in weiten Teilen sparen und sie künftig mit Wasserstoff günstig beheizen. Dass die Rechnung in praktisch keiner Studie aufgeht, die nicht von der Gaswirtschaft finanziert ist, wird einfach ignoriert. Erst kürzlich hatte Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW, nach der Veröffentlichung einer Auftragsstudie zu Endkundenpreisen gefordert „die teils ideologisch geführten sogenannten ‚Champagner-Diskussionen‘ endlich ad acta zu legen“.
Man darf gespannt sein, wie hierzulande die Reaktionen auf die ersten Ausweisungen von Wasserstoffnetz(ausbau)gebieten ausfallen. In UK half es bei den gescheiterten Projekten auch nicht, dass man für die teilnehmenden Gebäuden Maßnahmen zur energetischen Verbesserung und den Teilnehmern Barzahlungen für Feedback spendieren wollte. Ursächlich dürfte aber Vertrauensverlust schon am Anfang der Projekte gewesen sein, weil die Teilnahme als Zwang aufgefasst worden war. Dass es auch anders geht, war fast parallel zu den ersten in UK gescheiterten Projekten in dem niederländischen Dorf Stad aan 't Haringvliet zu beobachten. Hier hat Anfang Juli 2023 eine große Mehrheit der Bevölkerung dafür gestimmt, ihre Heizungssysteme von Erdgas auf grünen Wasserstoff umzustellen. Nur 6,4 % der rund 1500 Wahlberechtigten stimmten dagegen, 15,2 % gaben gar keine Stimme ab. ■
Quelle: DESNZ / jv
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