Die EU-Kommission macht Druck auf Deutschland, Versäumnisse bei der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie nachzuholen. In zwei Monaten könnte es ernst werden.
Die EU-Kommission hat beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland zu richten, weil Deutschland die Richtlinie (EU) 2018/844 zur Änderung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EU-Gebäuderichtlinie) nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt hat.
Mit der Richtlinie zur Änderung der Gebäuderichtlinie wurden neue Aspekte zur Stärkung des vorhandenen Rahmens, wie beispielsweise Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz neuer Gebäude, zur Elektromobilität und zu Ladepunkten, sowie neue Vorschriften für Inspektionen von Heizungs- und Klimaanlagen festgelegt. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht lief bereits am 10. März 2020 ab.
Nachdem Deutschland es versäumt hatte, die vollständige Umsetzung der Richtlinie mitzuteilen, erhielt es im Mai 2020 ein Aufforderungsschreiben. Nach Prüfung der gemeldeten Umsetzungsmaßnahmen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass Deutschland die Richtlinie immer noch nicht vollständig umgesetzt hat.
Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um seinen Verpflichtungen nachzukommen und dies der Kommission mitzuteilen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen. ■
Quelle: EU-Kommission / jv
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So läuft ein Vertragsverletzungsverfahren ab
Gemäß Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann die Kommission als Hüterin der Verträge rechtliche Schritte gegen einen Mitgliedstaat einleiten, der seinen Verpflichtungen gemäß dem EU-Recht nicht nachkommt.
Das Vertragsverletzungsverfahren beginnt mit der Übermittlung eines Auskunftsersuchens („Fristsetzungsschreiben“) an den betreffenden Mitgliedstaat, der sich hierzu innerhalb einer bestimmten Frist – normalerweise binnen zwei Monaten – äußern muss.
Hält die Kommission die Auskünfte nicht für ausreichend und gelangt sie zu dem Schluss, dass der betreffende Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen gemäß dem EU‑Recht nicht nachkommt, kann sie ihn (mittels einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“) förmlich auffordern, das EU-Recht einzuhalten und ihr die entsprechenden Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist, in der Regel zwei Monate, mitzuteilen.
Hält ein Mitgliedstaat das EU-Recht nicht ein, kann die Kommission beschließen, den betreffenden Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. In etwa 95 % der Vertragsverletzungsverfahren kommen jedoch die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen gemäß dem EU-Recht nach, bevor der Gerichtshof befasst wird. Stellt der Gerichtshof in seinem Urteil fest, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, so muss dieser Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um dem Urteil nachzukommen.
Hat ein Mitgliedstaat die Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien nicht innerhalb der vom EU-Ministerrat und vom Europäischen Parlament gesetzten Frist getroffen, kann die Kommission den Gerichtshof ersuchen, bereits mit seinem ersten Urteil in dieser Rechtssache eine Geldstrafe gegen den betreffenden Mitgliedstaat zu verhängen. Diese mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Möglichkeit ist in Artikel 260 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgeschrieben.
Kommt ein Mitgliedstaat trotz des vom Gerichtshof erlassenen Urteils seinen Verpflichtungen immer noch nicht nach, kann die Kommission ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 260 des Vertrags einleiten, bei dem der Mitgliedstaat lediglich ein einziges Mal schriftlich gemahnt wird, bevor der Gerichtshof erneut befasst wird.
Ruft die Kommission den Gerichtshof erneut an, kann sie dem Gerichtshof vorschlagen, Geldstrafen entsprechend der Dauer und Schwere der Vertragsverletzung und der Größe des Mitgliedstaats zu verhängen. Es können zwei Arten von Geldstrafen verhängt werden: Ein Pauschalbetrag, der auf dem seit dem ersten Urteil verstrichenen Zeitraum basiert oder ein pro Tag zu verhängendes Zwangsgeld ab dem zweiten Gerichtsurteil bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zuwiderhandlung endet. Geldstrafen werden von der Kommission vorgeschlagen; der Gerichtshof kann die jeweiligen Beträge in seinem Urteil ändern.