Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den 2. Fortschrittsbericht Energiesicherheit vorgelegt. Die Abhängigkeit bei Erdgas aus Russland beträgt noch 35 %.
Deutschland ist dabei, seine Energieabhängigkeit von Russland zu verringern und die Energieversorgung auf eine breitere Basis zu stellen. Seit dem ersten Fortschrittsbericht Energiesicherheit vom 25. März 2022 wurden weitere Etappen genommen, sodass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 1. Mai 2022 den zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit vorgelegt hat.
Verbraucher werden die Kosten spüren
Habeck: „Wir haben in den letzten Wochen gemeinsam mit allen relevanten Akteuren weitere intensive Anstrengungen unternommen, weniger fossile Energien aus Russland zu importieren und die Versorgung auf eine breitere Basis zu stellen. Die Abhängigkeit beim Öl sinkt auf 12 %; bei Steinkohle sind wir bei etwa 8 % und bei Erdgas bei etwa 35 %. All diese Schritte, die wir gehen, verlangen eine enorme gemeinsame Kraftanstrengung aller Akteure und sie bedeuten auch Kosten, die sowohl die Wirtschaft wie auch die Verbraucher spüren.
Aber sie sind notwendig, wenn wir nicht länger von Russland erpressbar sein wollen. Und wir müssen all diese Schritte immer im Zusammenhang denken mit mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien und mehr Fortschritten beim Energiesparen. Eine beschleunigte Energiewende ist das A und O für eine günstige, unabhängige und sichere Energieversorgung der Zukunft.“
Fortschritte bei der Reduzierung der Abhängigkeit von russischen Energieimporten gab es in den vergangenen Wochen seit dem ersten Bericht vor allem bei Öl und Kohle.
Erdgas
Bei der Umstellung der Erdgasversorgung gibt es ebenfalls Fortschritte; der Prozess bleibe aber anspruchsvoll, so das BMWK. Der Anteil russischer Gaslieferungen sei bis Mitte April auf etwa 35 % gesunken. Dafür wurde der Erdgasbezug aus Norwegen und den Niederlanden erhöht sowie die LNG-Importe signifikant gesteigert. Der Anteil der russischen Gaslieferungen lag in der Vergangenheit im Mittel bei 55 %. Zum Ende des 1. Quartals 2022 war er bereits auf 40 % gesunken.
Unabhängigkeit von russischem Gas können aber nur durch einen nationalen Kraftakt erreicht werden. Nötig seine dafür viele gleichzeitige Schritte vieler Akteure – Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und privaten Haushalten. Bereits 2022 und 2023 sollen zusätzlich mehrere schwimmende LNG-Terminals (Floating Storage and Regasification Units, FSRU) in Deutschland in Betrieb zu nehmen. Der Aufwand dafür ist allerdings enorm, allein um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, beispielsweise den Bau der Anschluss-Pipelines. Derzeit werden gesetzliche Voraussetzungen, mit denen der Bau von LNG-Terminals beschleunigt werden kann, in der Bundesregierung abgestimmt.
Der letzte Absatz im 2. Fortschrittsbericht Energiesicherheit zeigt allerdings, wie groß die Herausforderungen sind und dass ein Erdgas-Ausstieg für Raumwärme dringend erforderlich ist:
„Gemeinsam mit kurzfristigen Anstrengungen von Unternehmen und Privathaushalten zur Reduktion des Gaseinsatzes durch Energieeffizienz, Energieeinsparung und Elektrifizierung kann bis Ende des Jahres [2022] der Anteil russischer Gaslieferung am Gasverbrauch so auf etwa 30 % gesenkt werden. Die Unabhängigkeit von russischem Gas kann in einem gemeinsamen Kraftakt bis Sommer 2024 weitgehend erreicht werden. Dies setzt zwingend Diversifizierung, Einsparungen, den schnelleren Hochlauf von Wasserstoff sowie den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien voraus. So ist in der Summe die schrittweise Reduktion von russischem Gas auf nur noch 10 % des Gasverbrauchs bis zum Sommer 2024 möglich.“
Spannend in diesem Kontext dürfte sein, ab welcher Marke Russland vor dem Hintergrund der sinkenden Gasmengen entscheidet, die Lieferungen einzustellen. Durch die eingeleiteten Maßnahmen sinkt auch der Gasverbrauch, sodass für Russland die Exportmenge noch stärker zurückgeht, als es die genannten Quoten andeuten.
Siehe auch: Wärmewende: Gas-Heizungs-Ausstieg muss kommen
Steinkohle
Durch Vertragsumstellungen sind die Steinkohleimporte aus Russland seit Jahresbeginn von 50 % bereits auf rund 8 % gesunken. Nach den EU-Beschlüssen zu Steinkohle dürfen Bestandsverträge, die vor dem 09. April 2022 geschlossen wurden, noch bis zum 10. August 2022 ausgeführt werden. Der Abschluss neuer Kaufverträge ist seit dem 09. April 2022 verboten. Russische Steinkohle machte bisher rund 50 % des deutschen Steinkohleverbrauchs aus, der Anteil in den Steinkohlekraftwerken lag sogar noch höher.
Mineralöl
Bei Öl hat die Mineralölwirtschaft in den vergangenen Wochen im engen Austausch mit dem BMWK weitere Schritte eingeleitet, die Lieferbeziehungen mit Russland zu beenden. Verträge werden nicht verlängert und laufen aus, sodass teilweise größere Anteile russischen Öls bereits substituiert werden konnten. Die Mineralölunternehmen (außer Rosneft) sind nun in der Lage, mit einem gewissen Vorlauf, ihren jeweiligen Bedarf zu 100 % ohne russisches Rohöl abzudecken.
Durch alle ergriffenen Maßnahmen wurden die russischen Öl-Importe im Wesentlichen auf verbleibende Bedarfsmengen der Raffinerien in Leuna und Schwedt (insgesamt ca. 12 %) reduziert; eine Beendigung der Abhängigkeit von russischen Rohölimporten zum Spätsommer 2022 ist laut BMWK realistisch. 2021 bedienten Importe aus Russland etwa 35 % des deutschen Ölverbrauchs. ■
Download des 2. Fortschrittsberichts Energiesicherheit
Download des 1. Fortschrittsberichts Energiesicherheit
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