Die Botschaft Anfang November 2024 ist eindeutig: „Theben senkt Preise für KNX-Komponenten.“ Die TGA+E-Redaktion sprach mit Max Essers, Vertriebsleiter der Theben AG, was hinter dem ungewöhnlichen Schritt steckt und warum das Unternehmen auf mehr Tempo bei der Marktdurchdringung von KNX setzt.
TGA+E: Herr Essers, Theben ist in die Offensive gegangen, den Einbau von KNX-Produkten in Bestand und Neubau zu forcieren. Was sind die Hintergründe?
Max Essers: Wir haben uns bewusst dafür entschieden, den Einbau von KNX-Produkten sowohl im Bestand als auch im Neubau zu forcieren – weil wir überzeugt sind, dass dies notwendig ist, um Gebäude zukunftssicher zu gestalten. In einer zunehmend vernetzten und energieeffizienten Welt sehen wir es als gesellschaftliche Aufgabe, den Wandel hin zu intelligenten Gebäuden aktiv zu unterstützen.
Schon vor fast einem Jahrzehnt, lange vor der Bauteilkrise, haben wir uns umfassend neu aufgestellt: Wir haben Business-Units und Experten-Teams aufgebaut, Plattformen in Hard- und Software geschaffen, unsere Schulungsangebote erweitert und in den Vertrieb investiert. Dieser Weitblick hat es uns ermöglicht, die Bauteilkrise gut zu bewältigen. Die hohe Nachfrage traf dann auf begrenzte Produktionskapazitäten. Deshalb haben wir unsere Fertigung im süddeutschen Haigerloch weiter ausgebaut.
TGA+E: Warum und wie muss der Gebäudebestand aufgewertet werden?
Essers: Viele bestehende Gebäude sind überaltert und weder attraktiv noch effizient. Gerade in einer Zeit, in der der Neubau stockt, wird es immer wichtiger, den Bestand sinnvoll zu nutzen und in dessen Wertschöpfung zu investieren. Ein Architekt, der auf Renovierungen spezialisiert ist, sagte mir kürzlich: „In Europa bauen wir Häuser für die Ewigkeit, lassen sie jedoch verfallen, statt sie zu erhalten, nur um später neu zu bauen.“ Diese Denkweise wollen wir ändern.
Durch gezielte Sanierungsmaßnahmen lässt sich der Bestand in attraktive, energieeffiziente Wohn- und Arbeitsräume verwandeln – etwa den Einsatz von RF-Systemen zur Automatisierung. KNX RF steht für „KNX Radio Frequency“ und ermöglicht als drahtlose Variante des KNX-Bussystems, dass KNX-Geräte über eine Funkverbindung ohne baulichen Aufwand für die Verlegung von Datenkabeln miteinander kommunizieren.
Automatisierung spielt bei der Aufwertung des Gebäudebestands eine zentrale Rolle, um Energie gezielt dort einzusetzen, wo und wann sie gebraucht wird. Ein energieeffizientes Eigenheim oder Büro spart nicht nur Kosten, sondern trägt auch aktiv zur Nachhaltigkeit bei, indem es den ökologischen Fußabdruck verringert. Genau das spiegelt unseren langjährigen Anspruch bei Theben wider: Energie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Energiesparen, angefangen vor 100 Jahren beim Treppenlichtzeitautomat, ist heute genauso modern und wichtig wie damals. Der Unterschied ist das Bewusstsein über den ökologischen Effekt des Energiesparens, der uns nochmals mehr anspornen sollte.
Auf Knopfdruck vom Kinder- zum Fernsehzimmer
TGA+E: Sie haben das Stichwort „Häuser für die Ewigkeit“ gegeben.
Essers: Die Notwendigkeit einer flexiblen Gebäudenutzung ist heute größer denn je, denn flexible Gebäude sind zukunftsfähiger aufgestellt und erlauben es, Abriss zu vermeiden und Umnutzungen leichter zu realisieren. So können Räume über die Jahre an veränderte Bedürfnisse angepasst werden, was gerade in Anbetracht demografischer Veränderungen essenziell ist. Ein Gebäude, das heute als Schule genutzt wird, kann so in Zukunft problemlos als Büro, Wohnraum oder andere Nutzungseinheit dienen.
Kein Gebäude behält über seine gesamte Lebenszeit die gleiche Funktion. Moderne Haussteuerungen erleichtern diese Flexibilität: Ein Raum lässt sich auf Knopfdruck von einem Kinderzimmer in ein Fernsehzimmer umwandeln, wobei sich Beleuchtung, Jalousien, Heizungsverhalten und sogar die Belegung von Tastern anpassen. Diese Flexibilität erleben wir bei Theben täglich in unserem ehemaligen Fertigungsgebäude, das wir heute als Entwicklungsstätte nutzen. Arbeitsplätze, Laufwege, sogar die Steuerung der Lüftung und Heizung passen sich veränderten Nutzungen durch Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten automatisch an.
„Mit Funk-KNX sind zwei früher bestehende Hürden beseitigt worden: Der große Aufwand ein bestehendes kabelgebundenes KNX-System zu erweitern bzw. es an geänderte Bedingungen anzupassen sowie der bauliche Aufwand, ein kabelgebundenes KNX-
System in bestehenden Gebäuden nachzurüsten.“
TGA+E: Wie bereitet man Gebäude darauf konkret vor?
Essers: Eine längere und flexiblere Nutzung von Gebäuden bedeutet, Räume so zu gestalten, dass sie sich leicht umnutzen lassen. Dies erfordert nicht nur passende Grundrisse, sondern auch eine durchdachte Gebäudetechnik, die solche Anpassungen unterstützt. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Investition in Automation von Anfang an entscheidend ist, um eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten zu eröffnen – selbst für Szenarien, die heute noch gar nicht absehbar sind.
Unsere Kunden haben uns immer wieder bestätigt, wie wichtig diese Flexibilität ist, sei es für ein Wohnhaus, das im Alter zu einem AAL(Ambient Assisted Living)-fähigen Raum wird, oder für eine Bürofläche, die mit wenigen Anpassungen zu einer Produktionshalle umfunktioniert werden kann. Mit intelligenter Automatisierung lassen sich zukünftige Anpassungen schnell und effizient umsetzen. Wer schon bei der ersten Implementierung die Technik flexibel plant, schafft langfristig nicht nur Komfort, sondern auch immense Einsparpotenziale.
TGA+E: Welche Rolle spielen die TGA- und Elektro-Fachplaner, um diese Ziele zu erreichen?
Essers: Sie fungieren als unverzichtbare Multiplikatoren, die in allen entscheidenden Planungsprozessen involviert sind und das notwendige Fachwissen mitbringen, um Gebäudeautomation umfassend und zukunftsorientiert zu integrieren. TGA- und Elektro-Fachplaner sorgen dafür, dass alle Gewerke optimal aufeinander abgestimmt sind und die technischen Möglichkeiten von Beginn an ausgeschöpft werden – eine wichtige Voraussetzung, um die Gebäude später flexibel und energieeffizient nutzen zu können. Ohne diese Expertise laufen wir Gefahr, durch Unwissenheit Chancen zu verpassen oder die Gebäudetechnik nicht zukunftssicher zu gestalten.
Gebäudeautomation ist komplex und umfasst viele Gewerke, und genau hier liegt das Potenzial: Wenn alle Aspekte unter einer durchdachten Planung vereint sind, lässt sich das volle Potenzial eines Gebäudes ausschöpfen – sei es in Bezug auf Komfort, Flexibilität oder Energieeinsparung. In einer Zeit steigender Energiekosten und wachsenden Umweltbewusstseins ist die beste Energie diejenige, die wir gar nicht erst verbrauchen. Darum ist eine gründliche Fachplanung der Schlüssel zu einer erfolgreichen, ressourcenschonenden Nutzung.
Funk-KNX hat zwei Hürden beseitigt
TGA+E: KNX hatte lange nicht unbedingt den Ruf, ein besonders flexibles System zu sein …
Essers: … das hat sich jedoch grundlegend geändert. Mit Funk-KNX sind zwei früher tatsächlich bestehende Hürden beseitigt worden: Der große Aufwand ein bestehendes kabelgebundenes KNX-System zu erweitern bzw. es an geänderte Bedingungen anzupassen sowie der bauliche Aufwand, ein kabelgebundenes KNX-System in bestehenden Gebäuden nachzurüsten. Funk-KNX ermöglicht nun eine schnelle und unkomplizierte Anpassung von Gebäuden, insbesondere bei Erweiterungen und Umnutzungen, und ist bei kleineren Sanierungen das optimale Werkzeug. KNX RF ergänzt bestehende Systeme, ohne dass große Umbauten notwendig sind. Dadurch wird die Hemmschwelle zur Umsetzung deutlich gesenkt. Ein Beispiel aus unserem Haus zeigt, wie flexibel die KNX-RF-Technologie eingesetzt werden kann:
Wir haben bei Theben eine umfassende KNX-Anlage installiert und diese über die Jahre stets angepasst und erweitert. Kürzlich wurden mehrere Büroräume in ein Großraumbüro für die Entwicklungsabteilung umgewandelt. Obwohl die vorhandenen Stromleitungen ausreichten, hätten wir für einige Anpassungen zusätzliche Kabel verlegen müssen. Dank der KNX-RF-Funklösung war dies nicht erforderlich. Mit KNX RF Secure konnten wir die notwendigen Geräte einfach und funktional installieren, ohne auf Sicherheit oder Aktualität verzichten zu müssen. So ist es möglich, flexibel und effizient auf veränderte Anforderungen zu reagieren – ohne Einschränkungen in der Funktionalität.
TGA+E: Theben hat zuletzt nicht nur in die Produktentwicklung, sondern auch in Fertigungskapazitäten investiert. Steigt die Nachfrage so stark?
Essers: Theben engagiert sich aktiv dafür, KNX-Technologie einer breiteren Zielgruppe zugänglich zu machen. Dazu verzichten wir bewusst auf einen Teil unserer Marge und haben die Preise vieler KNX-Komponenten gesenkt, um KNX für mehr Menschen erschwinglich zu gestalten. Damit möchten wir eine größere Marktdurchdringung erreichen und gleichzeitig dazu beitragen, die Qualität sowohl im Gebäudebestand als auch im Neubau nachhaltig zu steigern.
Als Wirtschaftsunternehmen verfolgen wir natürlich Wachstumsziele. Bei uns gilt aber auch: Wir denken in Dekaden und setzen auf Beständigkeit. Unser Ziel ist nicht, den letzten Euro zu maximieren, sondern Kunden langfristig zu gewinnen und zufrieden zu halten. Wir wollen für alle Stakeholder – ob Handwerk, Elektrogroßhandel, Investoren oder Endkunden – ein verlässlicher Partner sein, der auf die spezifischen Bedürfnisse eingeht.
Mit Produkten wie dem Smart Meter Gateway Conexa haben wir bewiesen, dass wir bereit sind, in die Zukunft zu investieren und Innovationen voranzutreiben. Von Schaltuhren bis hin zu umfassenden Lösungen für die Haus- und Gebäudeautomation, stehen wir als verlässlicher Partner an der Seite unserer Kunden und machen das, was wir tun, nicht nur, weil wir es können – sondern weil es uns Spaß macht und uns wichtig ist.
Neues zukunftsfähiges Standbein: Smart Meter Gateway
TGA+E: Viele Unternehmen nehmen derzeit teilweise sogar harte Einschnitte vor, Theben hingegen investiert?
Essers: Inmitten einer allgemeinen Baukrise setzt Theben bewusst auf antizyklisches Handeln und investiert in ein neues Logistikzentrum – eine klare Investition in die Zukunft und ein entscheidender Schritt, um das Unternehmen für die nächste Dekade gut aufzustellen. Mit über 100 Jahren Erfahrung hat Theben bereits viele Krisen durchlebt und daraus gelernt, dass gerade in schwierigen Zeiten langfristiges Denken und Handeln zum Erfolg führt. Mit dem Smart Meter Gateway haben wir vor Kurzem ein neues zukunftsfähiges Standbein geschaffen und die Fertigung auf eine neue Herausforderung eingeschworen. Daraus resultiert auch, mit der Produktion stückzahlenmäßig zu wachsen.
Durch die Anschaffung neuer Maschinen und die Inbetriebnahme einer zusätzlichen SMD-Linie zur Bestückung von Leiterplatten in unserem Fertigungsgebäude in Haigerloch steigern wir unsere Produktionskapazität erheblich. Das neue Logistikzentrum ermöglicht es uns, die interne und externe Lagerfläche zu erweitern. Das ist notwendig, um dem höheren Bedarf an Komponenten gerecht zu werden und die Verfügbarkeit unserer Produkte im Markt zu sichern. Indem wir Platz für mehr Geräte schaffen und den Materialfluss optimieren, bereiten wir uns aktiv darauf vor, unseren Kunden auch in Zukunft eine hohe Lieferbereitschaft und Zuverlässigkeit bieten zu können.
TGA+E: Herr Essers, vielen Dank für das Gespräch.
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