Durch die voranschreitende Digitalisierung ergeben sich auch im Baugewerbe immer neue Betätigungsfelder. Hierbei ist der Fachkräftemangel allerdings ein gravierendes Problem. Wo bisher das traditionell-analoge Baugewerbe dominierte, ist zunehmend ein großer Bedarf an digitalen Fachkräften zu erkennen.
Und diese Digitalisierung beginnt beim Planungsprozess (BIM – Building Information Modeling), führt über die steuerungstechnische Integration einer zunehmenden Anzahl an Sensoren und Aktoren bis hin zu neuen Strategien für den Betrieb (dualer Zwilling, prädiktive Regelung).
Info: Der Fachkräftemangel in Architektur- und Ingenieurbüros …
… ist der höchste aller vom KfW-ifo-Fachkräftebarometer erfassten Wirtschaftszweige. Für das KfW-ifo-Fachkräftebarometer werden vierteljährlich rund 9000 Unternehmen aus den Wirtschaftsbereichen Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Handel sowie Dienstleistungen (ohne Kreditgewerbe, Versicherungen und Staat) befragt, darunter rund 7500 Mittelständler. Für das erste Quartal 2021 gaben 43,6 % der Architektur- und Ingenieurbüros (zusammen mit Dienstleistungsunternehmen für physikalische und chemische Untersuchungen) an, dass der Engpass an Fachpersonal ihre Geschäftstätigkeit behindert. Ein Jahr zuvor, vor dem Beginn der Coronavirus-Pandemie, waren es sogar 51,7 %.
Darum wurde Studiengang „Smart Building Engineering“ entwickelt
Deshalb wurde an der FH Aachen auf Betreiben und mit Unterstützung zahlreicher regionaler Unternehmen aus der Baubranche der Studiengang „Smart Building Engineering“ entwickelt, der diese Lücke zwischen den klassischen technischen Gewerken am Bau und der digitalen Welt schließen soll.
„Wir haben das Problem, dass es einen hohen Bedarf an speziell ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieuren gibt, aber kein entsprechendes Angebot an den Hochschulen“, verdeutlicht auch der Rektor der FH Aachen, Prof. Dr. Marcus Baumann, diese Herausforderung. Umso mehr freue es ihn, dass der Studiengang „Smart Building Engineering“ genau dem gerecht wird.
Fachbereiche haben fächerübergreifenden Lehrplan erstellt
Technisch bestens ausgestattete, vernetzte Gebäude zu bauen, ist das Ziel des im Wintersemester 2018 gestarteten, interdisziplinären Studiengangs „Smart Building Engineering“. Hierfür haben die drei Fachbereiche Architektur, Bauingenieurwesen sowie Elektrotechnik und Informationstechnik der FH Aachen einen fächerübergreifenden Lehrplan erstellt. Ob Planung, Betreuung beim Bau oder Optimierung von Gebäuden – all dies könnten zukünftige Ziele der Studierenden sein, erläutert Prof. Dr. Bernd Döring vom Fachbereich Bauingenieurwesen und Leiter des Studiengangs.
„Für mich war in erster Linie die Vielfältigkeit des Studiengangs ausschlaggebend“, erklärt der Smart-Building-Engineering-Student Markus Többen seine Beweggründe für die Wahl seines Studiengangs. Er ist einer der ersten von inzwischen etwa 120 Studierenden in diesem Studiengang. Was er damit meint wird deutlich, wenn man einen Blick auf das Fächerangebot wirft:
In den ersten vier Semestern des Kernstudiums werden die Grundfertigkeiten für den Ingenieurberuf durch Mathematik, Elektrotechnik und CAD-Module vermittelt. Daneben werden u. a. Module, wie Baukonstruktion, Tragwerkslehre, Bauphysik und Baumanagement, gelehrt, aber auch Architekturgeschichte gehört zum Fächerkanon. Denn um im großen Feld des Bauens im Bestand rücksichtsvoll und mit Sachverstand handeln zu können, ist es auch für die technischen Gewerke hilfreich, diesbezüglich mit grundlegendem Wissen ausgestattet zu sein.
Die Studierenden lernen aber auch die technischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen der Gebäudetechnik, beispielsweise die Grundlagen der Energietechnik, der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik, der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie Gebäudeautomation kennen.
Im Vertiefungsstudium wird das zuvor angeeignete Wissen aus dem Kernstudium verfeinert. Zusätzlich gibt es fachgebietsübergreifende integrale Projekte mit praktischen Aufgabenstellungen aus der Wirtschaft Bild 4.
Das „smarte“ des Studiengangs ergibt sich aus der konsequenten Arbeit mit BIM-Werkzeugen ab dem ersten Semester sowie der Betonung zeitgemäßer und gewerkeübergreifender Automatisierung über IP und andere Protokolle in speziellen Modulen (z. B. Smart Home, Smart Connect) einschließlich der Kommunikation mit den Versorgungsnetzen. Die Regelstudienzeit beträgt inklusive Bachelorprojekt und -arbeit sieben Semester (mit der geplanten Variante Praxis- oder Auslandssemester acht Semester) und umfasst 210 Leistungspunkte.
So unterstützt die Wirtschaft Studierende des Studiengangs „Smart Building Engineering“
Neben dem normalen Lehralltag bekommen die Studierenden während ihres Studiums zusätzlich Verstärkung aus der regionalen und überregionalen Wirtschaft.
So unterstützt beispielsweise die Stiftung Smart Building – ein regionaler Zusammenschluss mehrere Unternehmen aus der Baubranche – den neuartigen Studiengang. So wirkte die Stiftung beratend bei der Erstellung des Curriculums mit, indem sie Fragestellungen und Themen der Baupraxis beisteuerten. Darüber hinaus finanzieren die Stiftung sowie weitere Förderer zwei Stiftungsprofessuren für den Studiengang.
Hervorgegangen ist die Stiftung aus den Bemühungen des Vereins Aachen Building Experts e. V. (ABE), an dem bauausführenden Unternehmen, Architekten, Ingenieure sowie die beiden Aachener Hochschulen FH und RWTH Aachen beteiligt sind.
Blick in die Zukunft: Viele berufliche Möglichkeiten
Mit den vielfältigen, im Studiengang Smart Building Engineering erworbenen, Kenntnissen und Kompetenzen stehen den zukünftigen Ingenieur*innen gerade an Schnittstellenpositionen der Bauindustrie und Planungsbüros beruflich viele Wege offen. Einsatzbereiche können in der TGA-Planung einschließlich der Anwendung von BIM-Werkzeugen liegen, aber auch in der gewerkeübergreifenden Automatisierung und Digitalisierung (Systemintegrator) oder in der Entwicklung von Energiekonzepten für Gebäude und Quartiere, beispielsweise unter Anwendung von Simulationsprogrammen.
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Fachbereich Bauingenieurwesen
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www.fh-aachen.de/sbe
www.fh-aachen.de/studium/smart-building-engineering-beng
Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 03-2021 des TGA Fachplaners unter dem Titel „Digital planen, systematisch integrieren, nachhaltig betreiben“.
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