Sole/Wasser-Wärmepumpen können neben dem Erdreich auch Solar- und Umweltwärme aus Photovoltaisch-thermischen(PVT)-Kollektoren nutzen. Ein Wärmepumpen-Vergleichstool bietet nun die Möglichkeit, verschiedene Varianten dieser Heizsysteme mit Sonne, Erdreich und Luft als Wärmequelle zu bewerten. Dazu werden Energieeffizienz, CO2-Bilanz und Energiegestehungskosten verglichen.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Mit einem öffentlich zugänglichen Wärmepumpen-Vergleichstool können Einfamilienhäuser mit sieben typischen Wärmepumpensystemen unter anderem energetisch und wirtschaftlich verglichen werden.
■ Der Vergleich umfasst bei vier Systemvarianten auch eine photovolatische Stromerzeugung mit kombinierter Eigenstromnutzung und EEG-vergüteter Netzeinspeisung. Energetisch und wirtschaftlich wird deshalb für alle Systemvarianten auch der Haushaltsstrom bilanziert.
■ Ein Mustervergleich zeigt exemplarisch, dass bei einem Fokus auf Kosten für eine fundierte Entscheidung eine Bilanz über den gesamten Lebenszyklus der Systeme erforderlich ist.
„Wir wollten ein selbsterklärendes Online-Tool entwickeln, das bei der Planung und Auslegung von komplexen PVT-Wärmepumpensystemen unterstützt“, erklärt Bharat Chhugani, Wissenschaftler beim Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) und Entwickler des Wärmepumpen-Vergleichstools für Einfamilienhäuser.
Chhuganis Arbeiten sind Teil der Initiative IntegraTE zur Verbreitung von PVT-Kollektoren und Wärmepumpen im Gebäudebestand, die das Bundeswirtschaftsministerium finanziell unterstützt. Mit dem ISFH, dem Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart und dem Fraunhofer ISE sind dafür seit Dezember 2019 gleich drei wissenschaftliche Partner gemeinsam am Start. Das Tool steht allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung.
Im ersten Schritt können aus sieben Systemvarianten gewählt werden, darunter
● PVT-Kollektoren und Sole/Wasser-Wärmepumpe
● Erdwärmesonde und Sole/Wasser-Wärmepumpe
● Luft/Wasser-Wärmepumpe
● Photovoltaik und Luft/Wasser-Wärmepumpe
Die Wärmepumpen-Heizsysteme sind grafisch dargestellt und ihre Funktion, Einsatzmöglichkeiten sowie Vor- und Nachteile werden in Textform erläutert. Im zweiten Schritt wählt der Nutzer eine von zwei Haustypen aus, entweder einen Einfamilienhaus-Neubau und oder ein -Bestandsgebäude.
Das Vergleichstool basiert auf zigtausenden TRNSYS-Simulationen
Der besondere Service besteht darin, dass bei allen Systemvarianten für die Auslegungs-Parameter und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereits Werte im Tool vorgegeben sind, sodass der Nutzer direkt Kennwerte erhält. Vorgegeben sind unter anderem Werte für die Auslegung der Solaranlagen oder der Erdwärmesonde, sowie Energie-, Wartungs- und Komponentenpreise.
Hier seien nur die voreingestellten Bruttopreise für die Hauptkomponenten der Systeme genannt, die auf eingeholten Angeboten aus dem Jahr 2022 beruhen: 13 100 Euro für die 12-kW-Sole/Wasser-Wärmepumpe, 16 550 Euro für die 11,2-kW-Luft/Wasser-Wärmepumpe, 350 Euro/m2 für das PVT-Kollektorfeld, 100 Euro/m für die Sondenbohrung und 50 Euro/m2 für die Photovoltaik-Fläche. Das PVT-Kollektorfeld profitiert wie die Photovoltaik-Anlage von einem Umsatzsteuersatz von 0 %. Über Schieberegler können alle Eingabewerte flexibel angepasst werden. An allen Parametern findet man einen Quickinfo-Knopf, der konkrete Handlungsanweisungen oder weitere Erklärungen für den Anwender liefert.
Damit für eine große Anzahl von frei einzugebenden Parametern Ergebnisse ermittelt werden können, hat Chhugani zigtausende von Simulationen mit der Software TRNSYS durchgeführt, deren Ergebnisse im Tool für die verschiedenen Systemvarianten unter dem Reiter „Energie“ dargestellt sind. TRNSYS ist ein flexibles, komponentenbasiertes Simulationsprogramm für komplexe thermische und elektrische Energiesysteme, das vorwiegend Wissenschaftler einsetzen.
Wichtige Energiekenndaten bei dem vom ISFH entwickelten Tool sind die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe, der jährliche Netzstrombezug oder der Eigenverbrauchsanteil des Solarstroms. Verändert man einen Eingangsparameter mithilfe des Schiebereglers, wird die Bilanz zeitgleich neu berechnet und die Kennzahlen auf der Seite „Energie“ passen sich sofort an.
Gleiches gilt für die ökonomische Bilanz über den Reiter „Wirtschaftlichkeit“. Dort sind als Kenndaten die Gesamtinvestitionskosten des Systems mit und ohne Förderung, die jährlichen Betriebskosten sowie die Energiegestehungskosten dargestellt. Verändert man zum Beispiel den Schieberegler des Wärmepumpenpreises oder der aktuellen Fördersumme, verändern sich zeitgleich die wirtschaftlichen Kenndaten Bild 2.
Günstigste Energiegestehungskosten beim System PVT+Wärmepumpe
In Bild 3 sind für die vier oben genannten Systemvarianten die energetischen und wirtschaftlichen Kenndaten für die im Tool voreingestellten Werte zusammengestellt. Was kann man daraus ablesen?
● Das System „PVT-Kollektoren und Sole/Wasser-Wärmepumpe“ erreicht mit 4,16 die beste Jahresarbeitszahl-Netz. Bei ihr wird der Photovoltaikstrom-Anteil berücksichtigt, der direkt in der Wärmepumpe genutzt wird und den Netzstrombezug verringert.
● Die Kombination „Erdwärmesonde und Sole/Wasser-Wärmepumpe“ weist mit 4569 kWh/a den niedrigsten Strombedarf für die Wärmepumpe auf.
● Die Investitionskosten bei Sole/Wasser-Wärmepumpenanlagen sind aufgrund der Quellenerschließung deutlich höher als bei einer Luft/Wasser-Wärmepumpenanlagen, die mit 28 800 Euro am günstigsten abschneidet. Die Fördersätze der Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG EM, Stand: Dezember 2023) reduzieren diese Differenz nicht maßgeblich. Angesetzt wurde für Bild 3 nur die Grundförderung von 30 % und der Effizienz-Bonus von 5 Prozentpunkten bei erdgekoppelten Sole/Wasser-Wärmepumpen. Der Effizienz-Bonus für natürliche Kältemittel wurde nicht berücksichtigt Für alle Systeme greift die Höchstgrenze der förderfähigen Ausgaben für Anlagen zur Wärmeerzeugung für die erste Wohneinheit von 30 000 Euro. Bei PVT-Kollektoren als Wärmequelle werden zur Ermittlung der förderfähigen Kosten, sofern EEG-Vergütung in Anspruch genommen wird, pauschal 1500 Euro/kWp abgezogen.
● Die Betriebskosten sind bei der Variante „PVT-Kollektoren und Sole/Wasser-Wärmepumpe“ mit 3174 Euro/a am günstigsten. Als durchschnittlicher Standardpreis für Wärmepumpen- und Haushaltsstrom ist im Tool 30 Ct/kWh brutto voreingestellt. Die Betriebskosten beinhalten nicht die kapitalgebundenen Kosten und nicht die Erträge aus der Einspeisevergütung, decken jedoch die Kosten für die Versorgung des Haushalts mit 4040 kWh/a ab.
● Die Energiegestehungskosten, sie schließen die Investitionskosten und die Betriebskosten für Wärme und Haushaltsstrom über 20 Jahre ein, sind bei den Varianten „PVT-Kollektoren und Sole/Wasser-Wärmepumpe“ und „Photovoltaik und Luft/Wasser-Wärmepumpe“ mit 20,3 Ct/kWh am niedrigsten. Zum Vergleich: Bei einer Gas-Heizung sind es 21,22 Ct/kWh (bzw. 22,78 Ct/kWh wenn Gasanschluss und Schornstein hergestellt werden müssen).
Langfristige Betrachtung ist wichtig
„Es ist wichtig, Kunden darauf hinzuweisen, dass sie mit dem System PVT-Kollektoren und Sole/Wasser-Wärmepumpe langfristig deutlich bei den Betriebskosten sparen können. Künftig dürften PVT-Kollektoren aufgrund automatisierter Fertigung bei höheren Absatzzahlen zudem günstiger werden“, betont Forschungspartner Harald Drück vom IGTE. Der im Tool voreingestellte Preis von 350 Euro/m2 orientiert sich an einer Herstellerumfrage aus dem Jahr 2022, bei der acht Anbieter Nettoendkundenpreise von unabgedeckten PVT-Kollektoren mit einem Mittelwert von 339 Euro/m2 gemeldet hatten. Die Spannweite der gemeldeten Preise war hoch und lag zwischen 175 und 595 Euro/m2. Die PVT-Anlage umfasst als Standardwert eine Kollektorfläche von 30 m2.
Energieberater schätzen das Tool für die Kundenberatung. Hans Biehler, unabhängiger Energiesystemberater aus Rheinland-Pfalz: „Bei meinen System-Beratungen und der Planung und Projektierung von PVT-Anlagen spielen der Zusatznutzen durch die Wärme und die langfristigen, geringen Betriebskosten für Heizung und Warmwasser eine zentrale Rolle. Das Wärmepumpen-Vergleichstool hilft, die Kosten der verschiedenen Auslegungs-Varianten zur Kundenentscheidung objektbezogen zu berechnen und neutral gegenüberzustellen.“
Deckungsanteil durch Solarstrom
Für vielen Kunden, die sich für eine Wärmepumpe mit PVT- oder PV-Anlage entscheiden, ist es wichtig, wie viel des selbst erzeugten Photovoltaikstroms sie selbst verbrauchen können. Der Deckungsanteil bzw. Autarkiegrad gibt an, welchen Anteil die eigene Solaranlage auf dem Dach am jährlichen Strombedarf für Haushalt und Heizung direkt deckt. Auch auf diese Frage gibt das Tool eine genaue Antwort. Chhugani: „Bei unseren TRNSYS-Simulationen schauen wir uns minutenscharf an, ob die PV-Anlage liefert, wenn im Haushalt verbraucht wird. Dabei benutzen wir eine solaroptimierte Betriebsweise der Wärmepumpe, jedoch keine Speicherbatterie.“
Die Ergebnisse für das Einfamilienhaus-Bestandsgebäude sind in Bild 4 dargestellt. Über ein Jahr gesehen, können Haushalte bei einer Photovoltaikfläche von 30 m2 in den Varianten „PVT-Kollektoren und Sole/Wasser-Wärmepumpe“ und „Photovoltaik und Luft/Wasser-Wärmepumpe“ 21 % bzw. 20 % ihres Gesamtstrombedarfs decken. Den überwiegenden Teil des Strombedarfs decken die Hauseigentümer also weiter über Netzbezug. „Mehr geht leider nicht, weil die Hauptbetriebszeit der Wärmepumpe in der Jahreszeit mit geringer Solareinstrahlung liegt“, sagt Chhugani. Der Einsatz eines Stromspeichers kann den Autarkiegrad insbesondere über den Haushaltsstrom deutlich erhöhen, dies ist aber im Tool derzeit nicht implementiert.
Quickinfos und andere wichtige Hinweise zur Nutzung des Tools
Das ISFH-Team hat sich bei der Gestaltung des Tools streng an die vorhandenen Normen und Richtlinien gehalten. „Für die Dimensionierung der Wärmepumpe haben wir die Richtlinie VDI 4645 genutzt, die Wirtschaftlichkeitsberechnung nach Annuitätenmethode basiert auf der VDI 2067 und die Auslegung der PVT-Flächen haben wir an der Berechnungsmethode der Kollektornorm ISO 9806 orientiert“, erklärt Peter Pärisch, Gruppenleiter Thermische Energiesysteme beim ISFH, der die Toolentwicklung begleitet hat. Die Annuitätenrechnung läuft über 20 Jahre, wobei im Tool ein Kalkulationszins von 0 % voreingestellt ist. Auch Energiepreissteigerung und Inflation sind auf 0 % angesetzt. Alle Werte können über Schieberegler vom Nutzer variiert werden.
Die Toolentwickler weisen darauf hin, dass die VDI-Richtlinie bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung geothermische Wärmepumpensysteme schlechter stellt. Sie gibt verhältnismäßig hohe Kosten für Instandsetzung, Wartung und Inspektion für Erdwärmesonden von 3 %/a vor. Bei Sole/Wasser- und Luft/Wasser-Wärmepumpen liegen diese Kosten laut der Richtlinie bei 2,5 %/a. Die Vorgaben hat Chhugani in der Annuitätenmethode berücksichtigt. Für die PVT- und PV-Anlagen, für die es keine Angaben in der Richtlinie gibt, haben die Toolentwickler jeweils 1 %/ der Investitionskosten pro Jahr angesetzt.
Wichtig: Alle voreingestellten Werte beziehen sich auf das Einfamilienhaus-Bestandsgebäude. Stellt der Nutzer auf ein Einfamilienhaus-Neubau um, teilt ihm die Quickinfo mit: „Bei Änderung des Gebäudetyps werden die Auslegung und die Kosten der Komponenten nicht automatisch umgestellt. Bitte unter Komponentenpreise prüfen und manuell anpassen“. Wird zwischen Systemvarianten, gewechselt, werden die manuell veränderten Schieberegler wieder auf ihre Grundeinstellungen zurückgestellt und alle Eingabewerte basieren auf den Voreinstellungen.
Jeder Datensatz kann über die Exportfunktion als csv-Datei heruntergeladen werden. Die Eingabewerte wie auch die berechneten Kenngrößen sind tabellarisch übersichtlich, in Gruppen aufgeteilt dargestellt.
Öffentlicher Zugang zum Wärmepumpen-Vergleichstool: heatpumpsystems.isfh.de
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