Was im Objektbau bei raumlufttechnischen Anlagen zum Standard gehört, ist bei der zentralen Wohnraumlüftung noch die Ausnahme: die bedarfsgerechte Einzelraumregelung. Mit RAV-Control haben Systemair und eQ-3 eine entsprechende Lösung entwickelt, die sich zudem einfach realisieren lässt.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ In Wohnungen variiert der Lüftungsbedarf in den einzelnen Räumen bei der üblichen Nutzung im Tagesverlauf erheblich. Konventionelle Lüftungskonzepte mit zentralen Lüftungsgeräten können diesen Änderungen nicht oder nur bedingt bedarfsgerecht folgen.
■ Mit RAV-Control haben Systemair und eQ-3 nun eine Lösung vorgestellt, mit der über Sensoren eine strangweise Luftmengenregelung auf Basis des tatsächlichen Bedarfs in den Räumen realisiert werden kann.
■ Bei einer konzeptionellen Weiterentwicklung wird nicht mehr nach Zu- und Ablufträumen differenziert. Ein zentraler Bereich – in der Regel der Flur – dient als einziger Zuluftraum, während alle Wohnräume Ablufträume sind. Daraus ergeben sich mehrere Vorteile.
Eine Einzelraumregelung für die Heizung zählt ganz selbstverständlich zur Ausstattung energieeffizienter Gebäude; sie wird auch über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) eingefordert. Der Grund: die damit verbundene und wirtschaftliche Senkung des Energieverbrauchs.
Ein vergleichbarer Einspareffekt lässt sich ebenso durch eine raumweise Regelung der kontrollierten Wohnraumlüftung erzielen. Mehr noch: Die Einzelraumregelung ist Basis für eine deutlich bessere Raumluftqualität (Indoor Air Quality, IAQ). Dass hierauf bei der energetischen Sanierung und dem klimafreundlichen Neubau künftig ein besonderer Fokus liegen muss, betont auch die neu gefasste „Richtlinie (EU) 2024/1275 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“.
In Artikel 5 „Festlegung von Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz“ fordert die EU-Gebäuderichtlinie in Absatz 1: „[…] Bei der Festlegung der Anforderungen können die Mitgliedstaaten zwischen neuen und bestehenden Gebäuden und unterschiedlichen Gebäudekategorien unterscheiden. Diese Anforderungen tragen der optimalen Raumklimaqualität Rechnung, um mögliche negative Auswirkungen, wie unzureichende Belüftung, zu vermeiden […].“ Um diesem Artikel nachzukommen, müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis zum 29. Mai 2026 in Kraft setzen. Leitlinie für die Umsetzung ist, dass „mindestens das kostenoptimale Niveau“ erreicht wird.
Hintergrund: Eine optimale Raumluftqualität geht weit über den Status „wünschenswertes Komfortmerkmal“ hinaus: Saubere Luft ist genauso wie sauberes Trinkwasser ein wesentlicher Gesundheitsaspekt, unterstreicht nicht zuletzt eine Leitlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Innenraumluftqualität. Umso entscheidender ist es, die Raumluftqualität über nachfolgende Parameter differenziert zu bestimmen und bedarfsgerecht zu steuern:
● Belastung der Raumluft mit Kohlenstoffdioxid (CO2); optimaler Wert nicht über 800 ppm
● Belastung der Raumluft mit flüchtigen organischen Verbindungen (Volatile Organic Compounds; VOC); optimaler Wert kleiner als 1 mg/m3
● relative Luftfeuchte; optimaler Wert zwischen 40 und 60 %
Durch einen bedarfsgerechten Luftwechsel werden auch schwebender Hausstaub, Sporen und sogar Bakterien kontinuierlich abtransportiert. Ein weiterer entscheidender Gesundheitsfaktor ist die Filterung der Außenluft. Sie verringert in Innenräumen insbesondere die Feinstaubbelastung drastisch, die in Innenstädten vornehmlich durch den Verkehr und im ländlichen Raum durch die Holzverfeuerung in Kaminöfen geprägt ist. Allergiker profitieren außerdem davon, dass Luftfilter den Eintrag von Pollen in den Wohnraum blockieren.
Optimale IAQ in jedem Raum
Mit welchen Stoffen die Innenraumluft belastet ist, hängt stark von der Raumnutzung ab. Deshalb ist der tatsächliche Lüftungsbedarf von Raum zu Raum unterschiedlich und verändert sich kontinuierlich. Für eine solche differenzierte Einzelraumregelung haben Systemair als Lüftungsspezialist und eQ-3 als Entwickler vernetzter Smart-Home-Anwendungen mit RAV-Control ein serienreifes System entwickelt, das zudem die Installation vereinfacht: Über die integrierte Sensorik erfolgt die Volumenstromeinstellung für die einzelnen Räume automatisch.
Herzstück des Systems ist der neuartige RAV-Verteiler, an den die Lüftungsleitungen der belüfteten Räume angeschlossen werden. Die Anschlüsse dienen gleichzeitig als Volumenstromregler und sind mit Sensorik ausgerüstet, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit und optional auch die Konzentration von CO2 und VOC misst. Steigt die Luftbelastung in einem Raum, wird dies von den Sensoren zentral erfasst und über den RAV-Controller sowohl das Lüftungsgerät als auch die Ventilklappen des entsprechenden Raums angesteuert: Das Lüftungsgerät fördert mehr Frischluft, und die Ventilklappen im Verteiler öffnen, bis die Werte für eine optimale Raumluftqualität wieder erreicht sind.
Dieses Prinzip ist vergleichbar mit dem Hydraulischen Abgleich wassergeführter Flächenheizungen über dynamische Widerstände mittels elektromotorischer Stellantriebe und gleichzeitiger Drehzahlregelung der Umwälzpumpe. Ähnlich stellt sich auch der Energiespareffekt des Volumenstromabgleichs dar: Durch die dynamische Verteilung der tatsächlich benötigten Frischluftmenge muss wesentlich weniger Zuluft gefördert werden, als dies mit einer zentral geführten Bedarfsregelung im Lüftungsgerät der Fall ist. Und die vorgegebene Luftqualität wird nicht nur im Durchschnitt (Sensorik in der zentralen Abluft), sondern im Rahmen der Auslegungsgrenzen gleichmäßig im gesamten belüfteten Bereich gewährleistet (dezentrale Sensorik).
Zwei RAV-Control-Lüftungskonzepte
Die bedarfsgeführte Einzelraumregelung ist mit „RAV-Control Basic“ als übliches Konzept einer kontrollierten Wohnraumlüftung realisierbar – also die gewohnte Differenzierung von Zu- und Ablufträumen. Ablufträume sind dabei in der Regel Wohnbereiche mit hohen Stoffeinträgen, wie die Küche aufgrund von Kochdunst oder das Bad durchs Duschen. Die dort entnommenen Luftmengen erzeugen einen nicht spürbaren Unterdruck; aus den Zulufträumen – typischerweise Wohn- und Schlafzimmer – strömt entsprechend die geförderte Frischluft nach. Bei dieser konventionellen Ausführung dient ein zentraler Bereich wie der Flur als Überströmraum, der mit den Zulufträumen verbunden ist. Um die Raumluftqualität in den Zulufträumen zu überwachen, bietet Homematic IP Sensoren für die Wandmontage, die per Funk mit dem Lüftungscontroller kommunizieren. Die Sensorik für die Überwachung der Luftqualität in den Ablufträumen ist im RAV-Verteiler verbaut.
Als Alternative dazu hat Systemair ein völlig neues Lüftungskonzept mit Einzelraumregelung entwickelt: „RAV-Control Premium“. Sie unterscheidet nicht mehr nach Zu- und Ablufträumen. Ein zentraler Bereich – in der Regel der Flur – dient als einziger Zuluftraum, während alle Wohnräume Ablufträume sind. Die eQ-3-Sensorik im RAV-Verteiler kann so die tatsächlich vorherrschende Luftqualität in jedem einzelnen Raum bewerten. Über den Controller werden dann die Lüftungsklappen im RAV-Verteiler als Volumenstrombegrenzer angesteuert. Somit strömt in jeden Raum nur so viel Zuluft nach, wie für den Erhalt der vorgegebenen IAQ beziehungsweise des definierten Luftwechsels notwendig ist. Wenn alle Wohnräume als Ablufträume angeschlossen sind, hat dies auch akustische Vorteile.
Mit RAV-Control Premium lässt sich zum einen die höchste Energieeffizienz einer kontrollierten Wohnraumlüftung erreichen (siehe Info-Kasten). Aber auch hygienisch bringt das neuartige Lüftungskonzept Vorteile: Sinkt beispielsweise im Wohnzimmer die Raumluftqualität, wird bei der konventionellen Differenzierung von Zu- und Ablufträumen die belastete Luft mitunter durch mehrere Räume bis zum Abluftraum geführt. Da bei „RAV-Control Premium“ jedoch jeder Raum für sich ein Abluftraum ist, wird die dort „verbrauchte“ Luft direkt abgeführt, und frische Luft kann aus dem zentralen Zuluftraum bedarfsgerecht nachströmen.
Weitere Vorteile dieses neuen Lüftungskonzepts sind die vereinfachte Auslegung und Inbetriebnahme. Die Sensorik im RAV-Verteiler kontrolliert ständig die Qualität der abgeführten Raumluft. In Abhängigkeit davon regeln die Lüftungsklappen automatisch den benötigten Volumenstrom für einen bedarfsgerechten Luftwechsel. Deshalb ist keine Einregulierung des Volumenstroms an den Lüftungsventilen erforderlich. Damit erübrigt sich auch eine differenzierte Dimensionierung der Lüftungskanäle. Stattdessen können alle Zimmer unabhängig vom Raumvolumen auf den maximalen flächenspezifischen Luftaustausch ausgelegt werden. Aufgrund der dynamischen Volumenstromregelung steht somit bei gleicher Dimensionierung der Lüftungsanlage (bei tatsächlichem Bedarf) ein höherer Volumenstrom pro Raum zur Verfügung.
Einzelraumregelung erhöht Energieeffizienz der Wohnraumlüftung
Bei der Berechnung des Energieverbrauchs zur Erstellung des Ökodesign-Labels für ein Lüftungssystem ist die Regelungstechnik ein wichtiger Faktor. Das bilanzierte Ergebnis der elektrischen Leistungsaufnahme und den Energieeinsparungen, beispielsweise durch Wärmerückgewinnung, wird mit folgenden Control-Faktoren multipliziert:
● Faktor 1,0 für Lüftungssysteme mit festen Drehzahlstufen ohne Regelungstechnik,
● Faktor 0,85 für Lüftungssysteme mit zentraler Regelung, beispielsweise ein Luftfeuchtigkeitssensor im Gerät und
● Faktor 0,6 für Lüftungssysteme mit bedarfsgeführter Einzelraumregelung wie „RAV-Control“.
Warum eine bedarfsgeführte Einzelraumregelung auch in der Praxis energieeffizienter ist, verdeutlicht ein Beispiel: Beim derzeitigen Standard einer zentralen Lüftungsregelung wird die Zuluftmenge gemäß dem Bedarf des Raums mit der schlechtesten Luftqualität gefördert. Muss beispielsweise eine erhöhte Luftfeuchtigkeit beim Kochen aus der Küche abgeführt werden, erhöht sich der Volumenstrom in allen Zulufträumen (und den anderen Ablufträumen), unabhängig vom dort tatsächlich notwendigen Luftwechsel. Diese Bedarfsabweichung (Überversorgung) kostet zum einen unnötige Energie durch die Leistungsaufnahme der Ventilatoren im Lüftungsgerät. Zum anderen steigen die Wärmeverluste, denn dem Wärmerückgewinnungsgrad sind physikalische Grenzen gesetzt; er erreicht keine 100 %; auch durch den unnötig erhöhten Volumenstrom(anteil) erhöhen sich die absoluten Verluste.
Die bedarfsgeführte Einzelraumregelung RAV-Control Premium fördert in dem beschriebenen Fall nur so viel Frischluft in den zentralen Zuluftraum, wie aufgrund des tatsächlichen Bedarfs in der Küche als Abluftraum nachströmen muss. Registriert die Sensorik im RAV-Verteiler, dass die vorgegebene Raumluftqualität erreicht ist, werden die zentrale Zuluftmenge und die Abluftmenge der Küche wieder verringert.
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Wärmepumpe