Die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2019 notwendig gewordene Änderung der HOAI wurde mit der Verkündung der Ersten Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure am 7. November 2020 im Bundesgesetzblatt bzw. mit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2021 vorerst abgeschlossen.
Die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen können künftig immer frei vereinbart werden. Dies gilt für Vertragsverhältnisse, die nach dem Inkrafttreten begründet worden sind.
Mit unverbindlichen Orientierungswerten Honorare ermitteln
Die weitgehend unveränderten Grundsätze und Maßstäbe der HOAI können von den Vertragsparteien weiterhin zur Honorarermittlung herangezogen werden. Zur Frage der Höhe der Honorare enthält die HOAI künftig Honorarspannen, die als unverbindliche Orientierungswerte zur Verfügung stehen. Sie entsprechen den bisherigen Tafelwerten zur verbindlichen Honorarermittlung.
Für den Fall, dass keine wirksame Honorarvereinbarung in Textform getroffen wurde, gilt der Basishonorarsatz als vereinbart, dessen Höhe dem bisherigen Mindestsatz entspricht. Hier könnte ein Fallstrick lauern: Ist der Basissatz für eine Vertragspartei vorteilhaft, könnte sie später versuchen, eine nicht wirksame Honorarvereinbarung zu beweisen.
Verbraucher vor verbindlicher Vertragserklärung nachweisbar aufklären
Wie schnell man in diese Situation geraten kann, verdeutlicht „§ 7 Honorarvereinbarung“, Absatz 2: „Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber, sofern dieser Verbraucher ist, vor Abgabe von dessen verbindlicher Vertragserklärung zur Honorarvereinbarung in Textform darauf hinzuweisen, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln dieser Verordnung enthaltenen Werte vereinbart werden kann. Erfolgt der Hinweis nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig, gilt für die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Grundleistungen anstelle eines höheren Honorars ein Honorar in Höhe des jeweiligen Basishonorarsatzes als vereinbart.“
Ein Ingenieur oder Architekt, der ein Honorar oberhalb des Basissatzes vereinbart, aber bei einem Verbraucher-Auftraggeber die rechtzeitige Aufklärung nicht schlüssig beweisen kann, könnte also auch noch sehr spät im Vertragsverhältnis oder nachträglich auf das Basishonorar für die Grundleistungen zurückfallen.
Der eben zitierte Satz 1 in Absatz 2 § 7 HOAI(neu) ist nicht eineindeutig formuliert. Muss die Verbraucheraufklärung in Textform erfolgen oder muss sie nur vor der der „Honorarvereinbarung in Textform“ erfolgen? Präziser ist die Begründung zur HOAI-Änderungsverordnung: „Dieser [der Auftragnehmer] hat seinen Auftraggeber in Textform darauf hinzuweisen, dass auch ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln enthaltenen Werte vereinbart werden kann.“
Die neue Ära mit frei vereinbaren Honoraren beginnt aus Planersicht zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, denn zurzeit sind Neuaufträge Mangelware, die Auftragsbücher leeren sich und bei vielen noch laufenden Aufträgen gibt es Verzögerungen. Unter dem eigentlichen Honorarbedarf abgeschlossene Verträge mit langer Laufzeit sind aber Gift für die Zukunft und können die Unternehmensbilanz auf lange Zeit trüben.
Im Vortext zum Regierungsentwurf der HOAI-Änderungsverordnung heißt es: „Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.“ Ohne Coronavirus-Pandemie war das bei maximaler Auslastung der Ingenieurbüros optimistisch. Momentan bleibt aus der Sicht der Planer zu hoffen, dass das Entfallen des verbindlichen Preisrechts vom Markt ignoriert und die bisher übliche und bewährte Honorarermittlung beibehalten wird. DR
Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 01-2021 des TGA Fachplaners unter dem Titel „Honorare sind jetzt stets frei vereinbar“.
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