Das Cineplex-Kino in Vilsbiburg ist nach einer Modernisierung der Lüftungs- und Klimatechnik zu rund 50 % energieautark und verzichtet vor Ort auf den Einsatz fossiler Brennstoffe.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Statt mit zuvor parallel betriebenen Systemen für Heizung, Kühlung und Lüftung agiert die Gebäudetechnik im Cineplex Vilsbiburg nach einer Modernisierung nun gekoppelt, elektrifiziert, netzdienlich, kostenoptimierend und vorausschauend.
■ Die Basis sind Photovoltaik-Anlagen, elektrische und thermische Energiespeicher und eine zur Wärme- und Kälteerzeugung nutzbare Wärmepumpen-Kaskade.
■ Bei den schon 30 Jahre verwendeten neun RLT-Geräten mit Wärmerückgewinnung wurden die Ventilatorantriebe für eine höhere Energieeffizienz und eine bedarfsgerechte Volumenstromregelung erneuert.
Nach 30 Jahren Betriebszeit war 2023 die Klimatechnik im Cineplex Vilsbiburg im Hinblick auf die Wärmewende nicht mehr zeitgemäß, durch den Bedarf an Gas und Strom waren weiterhin steigende Betriebskosten zu erwarten. Neun Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung von Wolf versorgen sieben Kinosäle, das großzügige Foyer mit Indoor-Spielplatz sowie einen Event- und Arbeitsbereich mit frischer Luft. Sie haben zusammen eine Luftleistung von 21 900 m3/h.
Der Wärmebedarf des Gebäudes wurde vor der Modernisierung über einen Gas-Heizkessel mit einer Leistung von 200 kW gedeckt. Die Kühlung erfolgte über raumweise installierte Klima-Split-Geräte. Am Nachmittag und am Abend ergaben sich bei Kühlbedarf und Volllastbetrieb der zweistufigen Lüftungstechnik hohe elektrische Lastspitzen.
Dezentrale Sektorenkopplung
Die Aufgabe von Anlagenbau Schindler aus Vilsbiburg bestand darin, die drei getrennt voneinander arbeitenden Systeme Heizung, Kälteerzeugung und Lüftung durch „Sektorenkopplung“ in ein ganzheitliches System zusammenzuführen. Das Konzept für das Gebäude Baujahr 1993 sollte auf fossile Energieträger verzichten und im Rahmen einer Elektrifizierung möglichst viel regenerative Umweltenergie nutzen.
In diesem Zuge sollte die bestehende Lüftungstechnik modernisiert, aber nicht ausgetauscht werden. Insgesamt sollten rund 75 % des 3962 m2 großen Gebäudes klimatisiert werden. Bei Außentemperaturen von 15 bis 20 °C wird das Kino über freie Kühlung temperiert. Die Einliegerwohnung und die Büroräume des Gebäudes werden nicht maschinell belüftet. Die Büros werden bei sommerlichen Spitzenlasten weiterhin über die bestehenden Klima-Split-Geräte gekühlt.
Heizlast deutlich nach unten korrigiert
Die Wärmeübergabe im Gebäude erfolgt über Heizkörper und die Lüftungsgeräte. Die Heizlast für das gesamte Gebäude gemäß DIN EN 12831 beträgt 170 kW. In eine objektspezifische angepasste Berechnung der tatsächlich erforderlichen Heizleistung wurden jedoch sämtliche internen Wärmequellen des Kino- und Restaurant-Traktes einbezogen: die Abwärme der Besucher und sämtlicher technischen Geräte. Dies verringert die Heizlast um mehr als die Hälfte auf 75 kW.
Für die energetische Ertüchtigung war vom Kinobetreiber ein Umbau während des laufenden Betriebs und eine Realisierung innerhalb von 6 Monaten vorgegeben worden. Lärmintensive Arbeiten wurden deshalb ausschließlich außerhalb der Öffnungszeiten durchgeführt. Um den Brandschutzvorschriften zu genügen, wurde der ergänzte Lithium-Ionen-Speicher in einem neu gebauten separaten Technikraum aufgestellt. Sowohl das Budget als auch den Zeitplan hat Anlagenbau Schindler eingehalten, sodass die runderneuerte Klimatechnik im Sommer 2024 in Betrieb gehen konnte.
Energie aus Sonne und Umgebungsluft
Eigenstrom wird von der nach Süden, Osten und Westen ausgerichteten Photovoltaik-Anlage gewonnen, die bereits bestehende Anlage wurde 2024 auf dem Flachdach und an der Ostfassade auf 160,6 kWp Leistung erweitert.
Eine Kaskade aus fünf parallel geschalteten Luft/Wasser-Wärmepumpen Wolf CHA-16/20 wird monoenergetisch bivalent betrieben und stellt bevorzugt mit Eigenstrom Warm- oder Kaltwasser für die Lüftungsanlagen sowie für die Heizkreisläufe zur Verfügung. Wärmeseitig können 1600 l und kälteseitig 1000 l gepuffert werden und den Betrieb der Wärmepumpen optimieren. Die Wärmepumpen haben inklusive Peripherie eine Heizleistung von 75 kW (bei − 13 °C Quellentemperatur) und eine Kühlleistung von 50 kW.
Während der Erzeugung nicht benötigter Photovoltaik-Strom lädt den 160-kWh-Lithium-Ionen-Speicher, der dynamische Ladezyklen erlaubt. Während der Betriebszeit des Kinos versorgt der gespeicherte Strom insbesondere die Motoren der Ventilatoren.
Durch die Produktion und Speicherung von Strom sowie Warm- und Kaltwasser außerhalb der Betriebszeiten sind die früheren elektrischen Lastspitzen deutlich abgeflacht. Etwa die Hälfte des pro Jahr im Kino verbrauchten Stroms stellt die Photovoltaik-Anlage bereit, im Sommer kann das Kino sogar zu rund 85 % autark vom Stromnetz betrieben werden. Durch den Verzicht auf die Gas-Heizung werden rund 19 000 m3 Erdgas pro Jahr mit entsprechenden Treibhausgasemissionen eingespart.
Hocheffizienter Teillastbetrieb
Liegt im Gebäude nur ein sehr geringer Wärmebedarf an, schalten sich nicht benötigte Wärmepumpen aus. Sie modulieren bedarfsgerecht und arbeiten auf diese Weise lange im hocheffizienten Teillastbetrieb. Das wirkt sich wiederum positiv auf ihren Strombedarf aus. Ihr durchschnittlicher COP im Kühlbetrieb lag nach den ersten Betriebsmonaten bei 5,0 und im Heizbetrieb bei 4,5. Durchschnittliche Jahreswerte werden aufgrund der Inbetriebnahme im Sommer 2024 erst im Spätsommer 2025 vorliegen.
Die intelligente Einschalt- und Laufzeitoptimierung der Wärmepumpen verringert darüber hinaus den Verschleiß und die Wartungsintervalle, was wiederum ihre Betriebssicherheit und Verfügbarkeit erhöht. Die Heizstäbe in der Wärmepumpen-Kaskade dienen lediglich als Redundanz zur Wärmeerzeugung. Sie kommen erst zum Einsatz, wenn an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Außentemperatur unter − 13 °C liegt. Die Pufferspeicher haben mehrere Funktionen:
● Überbrückung von Sperrzeiten / Leistungsbezugsbegrenzungen durch den Netzbetreiber
● kosteneffiziente Nutzung von Solar-, Nacht- oder Überschussstrom
● zeitliche Entkopplung der Wärmeerzeugung vom Wärmeverbrauch
● einfache Integration mehrerer Wärmeerzeuger
● hydraulische Entkopplung
● Verlängerung der Lebenszeit des gesamten Systems
Modernisierte Lüftungstechnik
Die Lüftungsanlagen auszutauschen, hätte das zur Verfügung stehende Budget deutlich überschritten. Stattdessen wurden die Ventilatormotoren der Bestandsgeräte ertüchtigt, sodass sie statt zuvor zweistufig heute stufenlos über die Messewerte von CO2-Sensoren in den zu klimatisierenden Räumen regelbar sind. Die Luftleistung der Ventilatoren liegt zwischen 1800 und 5000 m3/h.
In jedem Raum, der durch ein Zentrallüftungsgerät mit frischer Luft versorgt wird, wurden zusätzlich sowohl hinter den Leinwänden als auch im Boden Kompakt-Lüftungsgeräte CFL 15 von Wolf eingebaut, welche die Zuluft optimal im Raum verteilen. Neben der Luftverteilung sorgen sie für die bedarfsgerechte Temperierung der Zuluft. Die Kompakt-Lüftungsgeräte werden mit Wärme bzw. Kälte aus den Pufferspeichern versorgt. Die Kaltwasserregister sind auf 8/13 °C ausgelegt, die Warmwasserregister auf 60/50 °C.
Übergreifende Regelung
Alle Daten (Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpe und Lüftung) werden zentral auf einem Loxone-Server gesammelt. Zur Integration sämtlicher Lüftungs- und Klimakomponenten sowie der Photovoltaik-Anlage in einer gemeinsamen bedarfsgerechten Steuerung gab es auf dem Markt keine fertige Lösung. Stattdessen wurde für diesen Zweck eine hauseigene Software programmiert, die alle Komponenten der Anlagen vernetzt. Letztere sind online verfügbar und werden remote überwacht.
Die Steuerung entscheidet, ob und wann erwärmte oder gekühlte Luft in die einzelnen Räume geführt wird. Als Datengrundlage für ein angenehmes Raumklima dienen hinterlegte Heiz- und Kühlkurven sowie die aktuellen Daten der CO2-Sensoren.
Die Regelung hat mit Blick auf die elektrische Energie außerdem die Aufgabe, die Balance von Erzeugung und Netzbezug, netzdienlichem Eigenverbrauch und Stromhandel an der Börse, Speicherung und Einspeisung/Verbrauch herzustellen – also klassisches Energiemanagement zu betreiben.
Korbinian Schindler, Geschäftsführer der Anlagenbau Schindler GmbH & Co. KG: „Die Klima- und Lüftungslösung auf der Basis von Sektorenkopplung und Nutzung regenerativer Energien kann einfach auf andere Kinos im Bestand übertragen werden, die ausreichend Platz für eine PV-Anlage haben.“ Auf Basis der tatsächlichen Heizlast und der kaskadierbaren CHA-Wärmepumpe kann die Vilsbiburger Kino-Klima-Lösung sehr einfach objektspezifisch skaliert werden.
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