Das Wirtschaftsministerium hat eine erste Neuschätzung mit deutlich höherem Stromverbrauch bis 2030 vorgestellt. Ihr liegen unter anderem 6 Mio. Heizungs-Wärmepumpen zugrunde. Das würde den Markt deutlich verändern.“
Die Kritik wurde immer lauter. Vize-Kanzler Olaf Scholz hatte den Bundeswirtschaftsminister schon mehrfach der „Stromlüge“ bezichtigt: „CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier glaubt, dass der Stromverbrauch bis 2030 konstant bleibt – obwohl es deutlich mehr E-Autos geben wird, mehr elektrisch betriebene Wärmepumpen und natürlich auch die Industrie einen deutlich höheren Bedarf haben wird, weil sie viel mehr mit Strom statt mit fossiler Energie arbeiten wird. Insgesamt gehe es um rund 100 TWh Strom zusätzlich. Wer also behauptet, dass der Stromverbrauch bis 2030 gleichbleibt, belügt sich selbst und das Land.“
Zwischenzeitlich hatte Altmaier eingeräumt, dass sein Ressort bisher unterschätzt habe, wie stark der Strombedarf in Deutschland im Zuge der Energiewende und angesichts höherer Klimaziele steigen werde und eine neue Analyse angekündigt.
Ausführliche Neuberechnung soll im Herbst 2021 vorliegen
Mit der ausführlichen Neuberechnung des Stromverbrauchs 2030 hat das BMWi die Prognos AG beauftragt. Obwohl die Analyse erst im Herbst 2021 vorliegen wird, hat Altmaier schon am 13. Juli 2021 Zahlen vorgestellt. Die erste Abschätzungen des Stromverbrauchs 2030 kommt für das Jahr 2030 auf einen Stromverbrauch zwischen 645 und 665 TWh; der Mittelwert der Prognose liegt bei 655 TWh. Unterstellt werden dabei u. a. 14 Mio. Elektro-Pkw, 6 Mio. Wärmepumpen und 30 TWh Strom für grünen Wasserstoff. Die letzte im März 2020 für das BMWi erstellte Prognose schätzte den Stromverbrauch 2030 auf 580 TWh.
Dass eine erfolgreiche Energiewende bis 2030 einen kräftigen Zubau an Wärmepumpen zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors erfordert, ist außerhalb der Gas-Wirtschaft unumstritten. Die politische Vorbereitung des Stromsektors auf einen Bestand von 6 Mio. Wärmepumpen in 2030 gab es allerdings bisher nicht.
Im April 2021 hatte der Bundesverband Wärmepumpe mit der „Roadmap für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors“ notwendige Ausbauziele für Wärmepumpen aufgezeigt: 3 Mio. installierte Geräte bis 2025 und 6 Mio. bis 2030. Ende 2020 gab es einen Bestand von gut 1 Mio. Heizungs-Wärmepumpen. Der Zubau in 2020 machte durch die attraktive Zuschussförderung einen Sprung auf 120 000 Heizungs-Wärmepumpen.
6 Mio. Wärmepumpen bis 2030: Das krempelt den Markt um
Für einen Bestand von 6 Mio. Heizungs-Wärmepumpen Ende 2030 müssten in den nächsten 10 Jahren inklusive 2021 durchschnittlich 500 000 Heizungs-Wärmepumpen pro Jahr zugebaut werden. Der Sprung auf diese Ebene ist unrealistisch. Nimmt man einen gleichmäßigen Hochlauf an, wäre eine Absatzsteigerung von 19,7 %/a erforderlich, im Jahr 2030 müssten dann 994 000 Heizungs-Wärmepumpen installiert werden. Zum Vergleich: 2020 wurden in Deutschland insgesamt 842 000 Wärmeerzeuger verkauft.
Um Ende 2025 einen Bestand von 3 Mio. Heizungs-Wärmepumpen zu erreichen, ist eine Absatzsteigerung von 24,6 %/a mit einem Zubau von 593 000 Wärmepumpen in 2025 erforderlich. Um dann einen Bestand von 6 Mio. Ende 2030 zu erreichen, würde ab 2026 eine Absatzsteigerung von 14,9 %/a ausreichen, der Zubau in 2030 würde damit bei 780 000 Heizungs-Wärmepumpen liegen.
Die Zahlen verdeutlich, dass dies den Wärmeerzeugermarkt nicht erst um 2025 bis 2030, sondern schnell und dauerhaft verändern wird / würde – eigentlich: sofort verändern muss.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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