Der Expertenrat für Klimafragen hat in seinem Prüfbericht zu den Emissionsdaten für das Jahr 2021 die erneute Zielverfehlung im Gebäudesektor bestätigt.
In seinem gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) jährlich zu erstellenden Bericht prüft und bewertet der Expertenrat für Klimafragen die vom Umweltbundesamt nach sieben Sektoren gegliederte Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen.
Der Expertenrat hat bis auf einen geringfügigen Korrekturbedarf bei den Emissionen des Verkehrssektors keinen Anhaltspunkt gefunden, dass das Umweltbundesamt bei der Berechnung der Vorjahresemissionen zu anderen Ergebnissen hätte kommen müssen. Für das Jahr 2022 hat das Umweltbundesamt in der Datengrundlage eine Umstellung auf eine stärker modellbasierte Methode vorgenommen, was vom Vorsitzenden des Expertenrats Hans-Martin Henning positiv bewertet wird: „Das Vorgehen deckt sich nun weitgehend mit demjenigen der offiziellen Emissionsberichterstattung an die Vereinten Nationen. Dies begrüßen wir. Unverändert birgt der frühe Zeitpunkt der Berechnung der Vorjahresemissionen aber hohe Unsicherheiten, insbesondere auch in Verbindung mit den im Jahr 2022 stark veränderten Rahmenbedingungen in Folge des Krieges in der Ukraine.“
Im Jahr 2022 sind die Emissionen gegenüber 2021 von 760 auf 746 Mio. t CO2-Äqivalent (CO2e) um 1,9 % gesunken. Wie schon im Jahr zuvor lagen die berichteten Emissionswerte für den Verkehrs- und den Gebäudesektor auch im Jahr 2022 oberhalb der jahresscharf im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebenen Zielwerte. Im Gebäudesektor wurde das Ziel bereits im dritten Jahr in Folge verfehlt. Laut § 8 Abs. 1 KSG müssen die zuständigen Ministerien nun innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen.
Emissionsminderungen sind teilweise nur krisenbedingt
Die Zielverfehlung im Gebäudesektor wäre ohne verschiedene für die Emissionsentwicklung günstige Effekte – wie die milde Witterung und Einsparungen durch geändertes Heizverhalten – noch deutlich größer ausgefallen. Im Verkehrssektor ist zudem die notwendige Trendwende weiterhin nicht zu beobachten, die Emissionsentwicklung blieb auf gleichbleibend hohem Niveau.
Ohne das in Folge des Krieges in der Ukraine geringer als erwartet ausgefallene Wachstum der Wirtschaftsleistung hätten nach einer Überschlagsrechnung die Treibhausgasemissionen um rund 9 Mio. tCO2e höher gelegen. „Das Emissionsgeschehen im Jahr 2022 war stark von der Energiepreiskrise geprägt. Insbesondere ist die deutliche Zielunterschreitung im Industriesektor im Wesentlichen auf energiepreisbedingte Produktionsrückgänge in der energieintensiven Industrie zurückzuführen und könnte deshalb von temporärer Natur sein“, ordnet Ratsmitglied Barbara Schlomann die Entwicklung ein und führt fort: „Zudem wäre letztes Jahr mit dem Wissen von heute und den aktualisierten Daten aus dem Inventarbericht ein Sofortprogramm auch für den Sektor Industrie notwendig gewesen.“
Die Energiewirtschaft hat zwar das Sektorziel im Jahr 2022 knapp unterschritten, gegenüber dem Vorjahr sind die THG-Emissionen allerdings um ca. 11 Mio. tCO2e gestiegen. „Es zeigt sich, dass es bei allen Sektoren knapp wird mit der Zielerreichung. Das bedeutet übrigens auch, dass nur wenig Spielraum besteht, zwischen den Sektoren so auszugleichen, dass das Gesamtziel in Zukunft erreicht wird“, mahnt Schlomann.
Eckpunkte für mögliche KSG-Novelle bergen Risiken
Neben der Prüfung der Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen hat der Expertenrat auch eine Einordnung der Eckpunkte des Koalitionsausschusses vom 28. März 2023 zur Novelle des Klimaschutzgesetzes vorgenommen: Während einige der geplanten Änderungen das Erreichen der Klimaschutzziele aus dem Klimaschutzgesetz erkennbar und nachhaltig unterstützen können und teilweise auch Vorschläge des Expertenrats aufnehmen, bergen andere die Gefahr einer Abschwächung der Gesetzeswirkung.
„Entscheidend ist, dass die derzeit im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegte Emissionsmenge kumuliert über das Jahrzehnt nicht überschritten werden darf. Dieser Budgetansatz ist ein zentraler Grundgedanke des Gesetzes“, betont die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. „Eine mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung sowie die verschiedenen Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus im Klimaschutzgesetz erhöhen das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen. Dies ist insbesondere kritisch vor dem Hintergrund unserer schon im Zweijahresgutachten festgestellten enormen Herausforderungen für die Erreichung der Ziele für die kommenden Jahre bis 2030.“
Eine abschließende Beurteilung der Überlegungen des Koalitionsausschusses sei allerdings aufgrund noch vieler offener Fragen zur Ausgestaltung nur auf Basis der konkreten Ausformulierungen des Gesetzestextes möglich. Der Expertenrat gibt hierzu im Bericht empfehlende Hinweise.
Der Expertenrat für Klimafragen…
… wurde auf Grundlage des Bundes-Klimaschutzgesetzes eingerichtet. Er überprüft die Treibhausgasemissionsdaten im Hinblick auf die Einhaltung der Jahresemissionsmengen der Sektoren, die im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegt sind. Darüber hinaus prüft er die Treibhausgasminderungswirkung von Klimaschutzmaßnahmen in Sofortprogrammen und Klimaschutzprogrammen der Bundesregierung und veröffentlicht alle zwei Jahre ein umfassendes Gutachten zu bisherigen Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen sowie zur Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen. ■
Quellen: Expertenrat für Klimafragen, KSG / jv
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