Die Bauwirtschaft erwartet, dass 2022 die Umsätze real um bis zu 2 % gegenüber dem Vorjahreswert sinken. Rückläufig ist der Neubau, wohl auch noch im Jahr 2023.
„Die Mitgliedsunternehmen der Bundesvereinigung Bauwirtschaft erwarten im Jahresverlauf 2022 insgesamt eine Umsatzentwicklung real, die unterhalb des Vorjahres bei − 1 % bis − 2 % liegt. Stützend wirkt die Nachfrage im Sanierungsbereich, der Neubau verliert an Fahrt. Insgesamt bleiben Bautätigkeit und Umsatz damit noch auf hohem Niveau.“ So schätzt der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Marcus Nachbauer, Anfang September 2022 die Lage der deutschen Bau- und Ausbauwirtschaft mit ihren rund 370 000 Mitgliedsbetrieben ein.
Der Rückgang der Auftragseingänge sowie der Abbau der Auftragsbestände wiesen zudem auf eine rückläufige Neubautätigkeit in 2023 hin. Die gegenwärtigen Förderbedingungen sowie die hohe Inflationsrate ließen vermuten, dass der Sanierungsbereich die Umsatzverluste im Neubau nicht ausgleichen könne.
„Bauaufgaben gibt es zuhauf“
Nachbauer: „Aus heutiger Sicht rechnen wir mit Blick auf die Frühindikatoren in 2023 nicht mit einem real höheren Umsatzniveau als in 2022.“ Einen kleinen Hoffnungsschimmer sieht er dennoch: „Sollten sich die Prozesse zur Beschaffung von Material sowie die Preisentwicklung ein Stück weit stabilisieren und die Inflationsrate deutlich nachgeben, ist Aufwärtspotenzial gegeben. Denn die Investitionsbedarfe im Wohnungsbau und der Infrastruktur bleiben hoch, die angestrebte Klima- und Energiewende hat großes Potenzial für den Sanierungsbereich. Bauaufgaben gibt es zuhauf.“
„Just in time findet nicht mehr statt“
Nachbauer weist vor allem darauf hin, dass die Baustoffbeschaffung wie auch die Preisentwicklung nach wie vor die Bau- und Ausbauunternehmen vor große Probleme stelle. „Just in time – wie wir es in der Zeit vor Corona kannten – findet nicht mehr statt.“
Hinzu komme das historisch hohe Preisniveau der Baumaterialien: „Der Index der Erzeugerpreise für Betonstahl liegt um 23 % über dem bereits hohen Vorjahresniveau. Auch Dämmstoffe haben um über 30 % und mineralische Baustoffe um 10 % bis 20 % zugelegt. Das wirkt sich zwangsläufig auf die Verkaufspreise für Bauleistungen aus. So ist der Preisindex für Bauleistungen für Wohnungsneubauten um 16 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen.“
Diese Preisentwicklung schlägt sich in der rückläufigen Baunachfrage nieder. Von privaten Häuslebauern über die Wirtschaft bis zu den Kommunen. Nachbauer: „Die Investitionsbudgets der Auftraggeber für Maßnahmen im Wohnungsbau, im Gewerbebau und der Infrastruktur reichen schlicht nicht mehr aus.“ Damit gerieten auch die Ziele der Bundesregierung, wie der Bau von 400 000 Wohnungen im Jahr und der Abbau des Investitionsstaus bei der Infrastruktur in Gefahr.
„Energiepreise müssen abgesenkt werden“
Nachbauer fordert deshalb dringend ein Moratorium zum Einfrieren / Absenken der hohen Energie- und Gaspreise. „Nur so kann die galoppierende Preisentwicklung bei Baustoffen und nachfolgend bei den Preisen für Bauleistungen aufgehalten werden. Dies ist mittlerweile auch eine existenzielle Frage, um die wettbewerbsfähige Produktion von Baustoffen in Deutschland abzusichern. Nur mit diesen Kapazitäten werden wir der Anfälligkeit von internationalen Lieferketten dauerhaft begegnen können.“
Die öffentliche Hand als Auftraggeber fordert Nachbauer auf, Bauaufträge zu vergeben, um die Baukonjunktur zu stabilisieren. „Das derzeit schon erkennbare zögerliche Verhalten der öffentlichen Auftraggeber ist kontraproduktiv; es führt auch dazu, dass sich der öffentliche Investitionsrückstau von über 150 Mrd. Euro weiter vergrößert.“ ■
Quelle: Bundesvereinigung Bauwirtschaft / jv
Im Kontext:
Wohnungsneubau: Abkehr vom Gas setzt sich fort
Erdgas-Umlage: Trittbrettfahrer-Korrektur bringt wohl nicht viel
Bauindustrie: Auftraggeber treten auf die Bremse
ZDB: „Politik und Zinsen bremsen Wohnungsbau“
2022-07: Weiterhin viele Stornierungen im Wohnungsbau