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Energiepreise

Kann Erdgas zum Heizen wieder dauerhaft „günstig“ werden?

leledaniele – stock.adobe.com

Wer den künftigen Ein­kaufs­preis für Erd­gas sicher kennt, kön­nte damit viel Geld „ver­dienen“. Der mini­male End­kun­den­preis ist hin­ge­gen weit­ge­hend abge­steckt – ein Gedankenspiel.

Können Sie sich erinnern? Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie war im April 2020 der Rohölpreis an der New Yorker Börse erstmals in seiner Geschichte tief ins Negative gerutscht. Wegbrechenden Nachfrage hatte zu einem Überangebot geführt, das man nicht ohne teure Konsequenzen einfach wegdrosseln kann – die Lagermöglichkeiten wurden knapp. Die Auswirkungen an der Tankstelle: Überschaubar und flüchtig.

2022 gab es bei Erdgas eine völlig andere Entwicklung, erstmals konnte man tatsächlich von einer Explosion der Einkaufspreise sprechen, die sich auch heftig auf die Endkundenpreise ausgewirkt haben. Zwischenzeitlich haben sich die Tarifangebote für Haushaltskunden wieder weitgehend normalisiert, und die noch mit hohen Preisen abgeschlossenen Verträge laufen langsam aus. Durch unterschiedlich langfristige Abnahmeverpflichtungen der Energieversorger und einen milden Winter 2023/24 gibt es allerdings eine große Schere bei der angebotenen Tarifen, insbesondere in der Grundversorgung.

Damit stellt sich Mitte 2024 die Frage, welches Preisniveau der Gaspreis künftig bei bestmöglichen Bedingungen erreichen könnte.

Der Gaspreis beeinflusst das Tempo der Heizungswende

In der Diskussion um die Wirtschaftlichkeit von Heizungssystemen spielen naturgemäß auch die (gefühlten) Energiepreise eine große Rolle. Erdgas hat aus der guten Erfahrung der Vergangenheit und auch nach dem Prinzip Hoffnung den Nimbus eines besonders günstigen und zuverlässigen Energieträgers und ermöglicht günstige Heizungstechnik.

Bei Strom, den man für eine elektrisch betriebene Wärmepumpe benötigt, werden der Preis und die Preisentwicklung zumeist anders wahrgenommen. Das begegnet einem nicht nur beim Dialog mit Endkunden, sondern auch bei Branchengesprächen, mitunter auch dort, wo man eine ganz andere Bewertung vermutet hätte. Jedenfalls ist auch für den Wärmepumpenhochlauf der Gaspreis ein wichtiger Kennwert. In der TGA-Branche gilt ein unter 2,5 liegendes Strom-/Gaspreisverhältnis als gute Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe. Oberhalb von 2,5 schwindet der sich aus dem Betrieb ergebende Wettbewerbsvorteil.

Je nach Perspektive spürt man oft eine gewisse Hoffnung oder die Befürchtung, beim Gas, gemeint ist dann eigentlich immer Erdgas, würde / könnte es wieder eine längere Phase mit verlässlich niedrigem Preis geben. Ausgeschlossen ist das nicht. Bei beiden Perspektiven könnte eine Abschätzung des minimal möglichen Preisniveaus hilfreich sein.

Zusammensetzung des Erdgaspreises für Haushaltskunden

Der minimal mögliche Endkundenpreis für Erdgas lässt sich auf Basis allgemein zugänglicher Daten zu den Preisbestanteilen

● Beschaffung, Vertrieb und Marge
● Netzentgelte inkl. Messung und Messstellenbetrieb
● Konzessionsabgabe
● Energiesteuer
● CO2-Bepreisung,
● Gasspeicherumlage und der
● Umsatzsteuer
abstecken.

Anfang 2024 hat der BDEW in seiner regelmäßig durchgeführten Gaspreisanalyse für den Abnahmefall Einfamilienhaus (EFH) für Sondervertragskundentarife und eine Netzentnahme von 20 000 kWh/a, nicht mengengewichtet, inklusive anteilig enthaltenem Grundpreis folgende Werte ermittelt, jeweils netto:

● 1,97 Ct/kWh für Netzentgelte inkl. Messung und Messstellenbetrieb
● 0,03 Ct/kWh als Konzessionsabgabe
● 0,55 Ct/kWh als Energiesteuer
● 0,82 Ct/kWh für die CO2-Bepreisung (45 Euro/tCO2) und
● 0,19 Ct/kWh für die Gasspeicherumlage (steigt ab Juli 2024 auf 0,25 Ct/kWh)

BDEW

Annäherung an den künftig minimal(st)en Gaspreis

Die Energiesteuer und die mittlere Konzessionsabgabe sind seit Jahren unverändert. Bei den Netzentgelten gab es 2023 einen Preissprung um rund 0,3 Ct/kWh, maßgeblich geprägt durch die Wälzung auf eine geringere Abnahmemenge.

Der Kostenbestandteil „Beschaffung, Vertrieb und Marge“ war krisenbedingt in den Jahren 2022 und 2023 deutlich höher als zuvor. In der „Normalpreisphase“ 2014 bis 2021 lag das arithmetische Mittel der Jahreswerte aus der BDEW-Gaspreisanalyse bei 2,99 Ct/kWh mit einem Minimum von 2,65 Ct/kWh im Jahr 2017, jeweils netto.

Für eine kurz- oder mittelfristig längere Phase mit noch niedrigeren Werten für „Beschaffung, Vertrieb und Marge“ ist kein Spielraum erkennbar. Deshalb wird das Mittel aus beiden Werten von 2,82 Ct/kWh in die Minimalpreisüberlegung übernommen.

Ohne die Gasspeicherumlage – sie würde in einer Phase mit anhaltend geringem Einkaufspreis gegen null tendieren – ergibt sich dann bei einem bei 45 Euro/t verharrenden CO2-Preis mit (1,97 + 0,03 + 0,55 + 0,82 + 2,82) Ct/kWh rechnerisch ein minimal(st)er Preis von 6,14 Ct/kWh (netto) und mit weiterhin 19 % Umsatzsteuer von 7,31 Ct/kWh.

Kann der CO2-Preis stabil bleiben?

Im minimal(st)en Preis steckt Optimismus: Eine geringe Nachfrage (was bei einem lange niedrigen Preis nicht anzunehmen ist), eine konstante Abnahmemenge für ein konstantes Netzentgelt und ein bei 45 Euro/t verharrender CO2-Preis oder eine Beimischung sehr günstiger Grüner Gase, für die beim Inverkehrbringen keine CO2-Zertifikate abgegeben werden müssen.

Ein weiterhin hoher Gasverbrauch zum Heizen, ohne dass der CO2-Preis bei einer sich jährlich verringernden Menge an CO2-Zertifikaten steigt, würde parallele Entwicklungen erfordern, beispielsweise einen europaweit steilen Hochlauf der Elektromobilität. Warum? Der CO2-Preis ergibt sich ab 2027 nicht mehr über eine nationale Festlegung der Politik, sondern europaweit über das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS II für CO2-Emissionen fossiler Kraft- und Brennstoffe. Bei einer sinkenden Menge der zur Verfügung stehenden Menge an Zertifikaten muss die Verwendung fossiler Kraft- und Brennstoffe für einen nicht steigenden CO2-Preis sinken.

Einen Einfluss hätte auch, wenn in der Wärmewende fossile Brennstoff schnell verdrängt werden – dann müsste aber eine Alternative so hohe Vorteile haben, dass ein niedriger Gaspreis nicht punkten kann. Zudem würden durch die Ausdünnung der Gasabnahme die Netzentgelte steigen.

Aus deutscher Perspektive sollte man nicht zu sehr auf anhaltende Erfolge in den anderen europäischen Ländern setzen: In den Jahren 2016 bis 2018 hatte Deutschland einen Anteil der vom ETS II erfassten Emissionen von rund 24 %. Der ETS-II-CO2-Preis wird somit zu einem großen Teil von der Dekarbonisierung im Gebäude- und Verkehrsbereich in Deutschland bestimmt. Es folgen Frankreich mit knapp 16 % und Italien mit etwa 12,5 %. In Deutschland war 2023 die Verteilung zwischen Gebäuden und Verkehr (in der Abgrenzung des Bundes-Klimaschutzgesetzes) etwa 1 : 1,5.

Kosten der CO2-Bepreisung für den typischen Energieverbrauch in Abhängigkeit des Preises für ein Emissionszertifikat (Euro/t). Die auf 7 % abgesenkte Umsatzsteuer für Erdgas für Heizzwecke bis zum 31. März 2024 wurde nicht berücksichtigt.

JV

Kosten der CO2-Bepreisung für den typischen Energieverbrauch in Abhängigkeit des Preises für ein Emissionszertifikat (Euro/t). Die auf 7 % abgesenkte Umsatzsteuer für Erdgas für Heizzwecke bis zum 31. März 2024 wurde nicht berücksichtigt.

Vorkehrungen zur Abfederung des CO2-Preises in der Startphase ab 2027 schon ab 45 Euro/t waren entscheidend für den Durchbruch im Trilog für den ETS II. Da die Vorkehrungen das Emissionsminderungsziel nicht beeinflussen (die erlaubte Obergrenze an Emissionen (Cap) ist fixiert), ist ein dauerhaft stabil niedriger CO2-Preis kaum vorstellbar. Das würde nicht dem Prinzip des Emissionshandels und den damit erhofften Vorteilen entsprechen.

Mehrere Studien gehen in den Jahren nach dem Start des ETS II von mittleren CO2-Preisen von deutlich über 100 Euro/t aus. Dennoch wird der CO2-Preis bis dahin die große Unbekannte bleiben. Nachfolgend werden deshalb Berechnungen mit drei CO2-Preisen angeboten: 45 (Stand 2024 in Deutschland), 100 und 125 Euro/t.

Exkurs

● Im ETS I wurde die erlaubte Obergrenze an Emissionen mehrfach verschärft, als die CO2-Preise auf einem praktisch wirkungslosen Niveau lagen.

● In einem Planspiel, bei dem die notwenige Emissionsminderung ab 2027 zunächst hauptsächlich vom Verkehrsbereich erbracht wird und die Politik den CAP nicht antastet, würde der CO2-Preis im Wärmemarkt zunächst kein ausreichendes Preissignal setzen. Die Entwicklung würde dazu führen, dass der Verkehrsbereich schon vor dem Erreichen der Klimaziele weitgehend dekarbonisiert ist. Dann muss der Wärmemarkt die Emissionsminderung fast allein tragen, der CO2-Preis könnte dann schnell und deutlich steigen, sofern nicht sehr günstige Grüne Gase in größeren Mengen zur Verfügung stehen.

● Zu beachten ist, dass Deutschlands Dekarbonisierung schon Ende 2044 abgeschlossen sein soll, die EU will dies bis 2050 realisieren.

Der minimale Gaspreis inklusive steigendem CO2-Preis

Alle noch halbwegs realistischen Szenarien führen dazu, dass entweder der CO2-Preis steigt oder zugemischte Grüne Gase den Gaspreis entsprechend erhöhen. Ein optimistisches Szenario wäre ein mittlerer CO2-Preis von 100 Euro/t über einen längeren Zeitraum. Der oben ermittelte minimal(st)e Gaspreis von 7,31 Ct/kWh würde sich damit auf 8,5 Ct/kWh erhöhen.

Nimmt man für „Beschaffung, Vertrieb und Marge“ einen aus heutiger Sicht eher realistischen Wert von minimal 3,3 Ct/kWh, einen mittleren CO2-Preis von 125 Euro/tCO2 (2,27 Ct/kWh), eine Gasspeicherumlage von 0,00 Ct/kWh und ein im Mittel um 0,25 Ct/kWh höheres Netzentgelt an, ergibt sich dann als „minimaler Gaspreis inklusive steigendem Netzentgelt und steigendem CO2-Preis“:
1,19 × (1,97 + 0,25 + 0,03 + 0,55 + 3,3 + 2,27) Ct/kWh = 9,96 Ct/kWh.

Zum Vergleich: Das Wasserstoffnetzentgelt im DVGW-Szenario 2045 im umgerüsteten Erdgasnetz liegt nach einer im April 2024 vorgelegten Studie für Haushaltskunden mit zwei unterschiedlichen Aufteilungen im Jahr 2045 bei 3,3 bzw. 3,5 Ct/kWh gut 1,00 Ct/kWh höher.

Bewertung

Abbildung 128 aus dem Monitoringbericht 2023: Netzgebietsscharfe Verteilung der Netzentgelte Gas für den Abnahmefall „Haushaltskunde“ – Stand 1. Januar 2023 gemäß Angaben der Verteilnetzbetreiber Gas. Der tatsächliche Gaspreis für einen Netzanschluss hängt auch von der Postleitzahl ab.

Monitoringbericht 2023 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, CC BY 4.0 Deed

Abbildung 128 aus dem Monitoringbericht 2023: Netzgebietsscharfe Verteilung der Netzentgelte Gas für den Abnahmefall „Haushaltskunde“ – Stand 1. Januar 2023 gemäß Angaben der Verteilnetzbetreiber Gas. Der tatsächliche Gaspreis für einen Netzanschluss hängt auch von der Postleitzahl ab.

Der „minimal(st)e Gaspreis“ von 7,31 Ct/kWh könnte nur unterboten werden, wenn irgendwo jemand verzichtet: Der Gasförderer oder -transporteur auf einen Teil des erzielbaren Erlöses, der Gaslieferant auf einen Teil seiner Marge, der Staat auf Steuern, die Kommunen auf die Konzessionsabgabe oder der Verteilnetzbetreiber auf Entgelte zur Refinanzierung der getätigten Investitionen und der laufenden Aufwendungen. Zuletzt gab es einen Verzicht des Staates auf einen Teil der Mehrwertsteuer, allerdings in einer Krisensituation auf einem ganz anderen Preisniveau. Der ermittelte Preis impliziert aber einen Verzicht u.a. der Gaskunden: Nämlich auf Erdgas, damit der CO2-Preis nicht steigt. Ein Verzicht auf Gas würde die Netzentgelte durch eine kleinere umlagefähige Menge erhöhen. Die Beimischung grüner Gas könnte das kompensieren, wird aber vor Mitte der 2030er-Jahre kaum möglich sein.

Korrigiert man den Widerspruch beim CO2-Preis und dem Netzentgelt, wird mit den hier exemplarisch gewählten CO2-Preisen von 100 bzw. 125 Euro/t der künftig minimal mögliche Gaspreis auf 8,5 bzw. rund 10,0 Ct/kWh angehoben. Durchaus denkbar ist, dass zu einem möglichen Wechselzeitpunkt auch ein deutlich günstigeres Angebot für eine begrenzte Gasmenge zur Verfügung steht. Bei einer Investition mit einer langen Nutzungsdauer sollte man das nutzen, aber nicht darauf spekulieren, es kann im Einzelfall aber nicht in der Breite aufgehen.

Die hier angenäherten minimal möglichen Gaspreise basieren auf einem nicht gewichten Mittelwert für ganz Deutschland. Vor Ort ergibt sich eine Differenz aufgrund der in jedem Verteilnetzgebiet tatsächlich erhobenen Netzentgelte. In der BDEW-Gaspreisanalyse werden zudem in geringem Umfang Umlagen beim Netzentgelt berücksichtigt. Der Monitoringbericht bezieht die mengengewichteten Netzentgelt-Kennzahlen bei Haushaltskunden auf eine Abnahmemenge von 23 269 kWh/a. Es lag zum 1. April 2023 inklusive der Entgelte für Messung und Messstellenbetrieb bei 1,89 Ct/kWh (netto). Der gewichtete Mittelwert in den Bundesländern variiert zwischen 1,51 Ct/kWh in Niedersachsen und 2,11 Ct/kWh in Bremen. Auf Ebene der Verteilnetze variiert das Netto-Netzentgelt von 0,77 bis 4,18 Ct/kWh. Die errechneten Minimalpreise können damit im Einzelfall um etwa 1,43 Ct/kWh günstiger oder bis zu 2,63 Ct/kWh höher liegen. Die Extremfälle betreffen aber nur eine relativ kleine Zahl der Anschlussnehmer. Beide Extremfälle liegen in Verteilnetzgebiete in Bayern vor.

Ob solche Preise im konkreten Anwendungsfall teuer oder günstig sind, hängt von vielen Blickwinkeln und den zur Verfügung stehenden Alternativen und den jeweiligen Gesamtkosten ab. Durch den Bezug auf eine Gasabnahme von 20 000 kWh/a würde sich der kundenspezifische Gaspreis bei einer geringeren Gasentnahme etwas erhöhen, bei einer höheren Gasentnahme würde er etwas geringer ausfallen.

Und Grüne Gase bzw. Wasserstoff? In einer vom DVGW veröffentlichten Studie wird ein Endkundenpreis von 12…17 Ct/kWh (real, mit „großer Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung zahlreicher Parameter“) für das Jahr 2035 genannt (für Biomethan: 10 bis 13 Ct/kWh). Im Vergleich zu anderen Studien ist dies ein niedriges Preisniveau. Zu einer Absenkung der oben genannten „minimal(st)en / minimalen Gaspreise“ kann es dennoch nicht beitragen. Der in der DVGW-Studie benannte Korridor für das Jahr 2045 liegt bei einem Wasserstoff-Endkundenpreis von 11 bis 15 Ct/kWh. ■
Quellen: BMWK, BDEW-Gaspreisanalyse, Monitoringbericht 2023, eigene Berechnungen / jv

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