Im ersten Halbjahr 2022 haben erneuerbare Energien knapp die Hälfte des Bruttoinlandstromverbrauchs gedeckt. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Mit dem vorläufig berechneten Anteil erneuerbarer Energien von 49 % am Stromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 lag ihr Anteil 6 Prozentpunkte höher als im ersten Halbjahr des Vorjahres. Insbesondere Windenergieanlagen an Land und Photovoltaik-Anlagen legten deutlich zu: Sie erzeugten jeweils rund ein Fünftel mehr Strom als im Vorjahreszeitraum.
Zu verdanken sind die Zuwächse vor allem einem windreichen Jahresbeginn im Januar und Februar und zahlreichen Sonnenstunden in Mai und Juni. Auch bei Windenergie auf See und Biomasse gab es leichte Zuwächse. Die Stromproduktion aus Wasserkraft war gegenüber dem Vorjahreszeitraum rückläufig.
Die Erzeugungszahlen im Einzelnen
Im ersten Halbjahr 2022 lag die Bruttostromerzeugung bei 298 TWh (Mrd. kWh) – ein Anstieg von knapp 2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (1. Halbjahr 2021: 293 TWh). Dem stand ein Stromverbrauch von rund 281 TWh gegenüber (1. Halbjahr 2021: 283 TWh).
Insgesamt wurden rund 139 TWh Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen erzeugt (1. Halbjahr 2021: 122 TWh). Davon stammten
● rund 59 TWh aus Wind an Land,
● knapp 33 TWh aus Photovoltaik,
● knapp 24 TWh aus Biomasse,
● gut 12 TWh aus Wind auf See und
● gut 9 TWh aus Wasserkraft.
Aus konventionellen Energieträgern wurden knapp 159 TWh erzeugt. Im Vorjahreszeitraum waren es gut 170 TWh.
Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2022 beträgt rund 49 %. Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab.
Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge, also auch die exportierten Strommengen. Der Anteil erneuerbarer Energien im ersten Halbjahr 2022 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt rund 47 %.
Exkurs
Die Summe aus Nettostromerzeugung und Stromimporten ergibt das Stromaufkommen. Abzüglich der Stromexporte und des Pumpstromverbrauchs für Pumpspeicherkraftwerke erhält man den Bruttostromverbrauch. Werden hiervon noch die im Stromnetz anfallenden Übertragungsverluste (Leitungsverluste, Verluste im Umspannwerk etc.) abgezogen erhält man den Nettostromverbrauch (auch Endenergieverbrauch). Die Nettostromerzeugung errechnet sich aus der Bruttostromerzeugung („Generatorklemme“) abzüglich Kraftwerkseigenverbrauch.
„Dringender Handlungsbedarf bei Windenergie an Land“
„Die sinkenden Gasflüsse aus Russland haben die Energieversorgung in Deutschland in eine Ausnahmesituation gebracht. Der sicherste Weg, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, ist ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie sind der Schlüssel zu einer grünen Strom- und Wärmeversorgung, einer mit Wasserstoff produzierenden Industrie und einer klimaneutralen Mobilität“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
„Insbesondere beim Ausbau der Windenergie an Land besteht dringender Handlungsbedarf. Der größte Hemmschuh sind hier noch immer fehlende Flächen. Die Bundesregierung sollte das 2-%-Ziel deshalb möglichst bis spätestens 2025 umsetzen und dafür Sorge tragen, dass die Flächen auch tatsächlich bebaubar sind. Zudem müssen wir die Standorte, die wir schon haben, durch Erleichterungen beim Repowering besser nutzen und unklare Regelungen im Arten- und Naturschutz präzisieren.“
„Photovoltaik-Abhängigkeit von China ist großes Risiko“
„Angesichts der offensichtlichen Herausforderungen beim Ausbau der Windenergie darf die Photovoltaik nicht aus dem Blick geraten: Mit dem angestrebten Ausbaupfad auf 215 GW installierter Leistung in Deutschland im Jahr 2030 ist ein nie dagewesenes jährliches Installationsvolumen von 22 GW/a ab dem Jahr 2026 zu realisieren. Der hiermit verbundene Umsatz in einer Größenordnung von 150 Mrd. Euro dürfte aber aus heutiger Sicht zu einem großen Teil nach China fließen“, gibt Prof. Dr. Frithjof Staiß, geschäftsführender Vorstand des ZSW zu bedenken.
„Diese Abhängigkeit von chinesischen Herstellern – bei Wafern stammen 96 % der Weltmarktproduktion aus China – stellt zudem ein erhebliches Risiko für die Realisierung der ambitionierten, für den Klimaschutz und die Energiesicherheit in Deutschland aber zwingend zu erreichenden Ausbauziele dar. Um das Realisierungsrisiko zumindest mittelfristig zu reduzieren und gleichzeitig deutlich größere Teile der Wertschöpfung nach Deutschland und Europa zu holen, sollte Deutschland aktiv dazu beitragen, ein sogenanntes Important Project of Common European Interest (IPCEI) für die Photovoltaik auf den Weg zu bringen, das von innovativen Herstellungsverfahren bis hin zu zukunfts- und wettbewerbsfähigem Recycling die Wertschöpfungskette der Photovoltaik in Europa neu etablieren soll. Aus den gleichen Gründen gibt es bereits IPCEIs für Batterien und Wasserstoff, die ebenfalls von herausragender strategischer Bedeutung für den Klimaschutz und die Energiesicherheit in Deutschland und Europa sind.“ ■
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