65 % erneuerbare Energien bei der Neuinstallation einer Heizung: Der Deutsche Verband Flüssiggas (DVFG) sieht erneuerbaren Dimethylether als Alternative zur Wärmepumpe.
Jobst-Dietrich Diercks, Vorsitzender des Deutschen Verbands Flüssiggas (DVFG), sieht in den Plänen der Bundesregierung zur Wärmewende die urbanen Zentren mit der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas oder Fernwärme gegenüber dem ländlichen Raum privilegiert.
Abseits der Wärmenetze bleibe den Verbrauchern künftig praktisch als einzige Option der Wärmeversorgung die Wärmepumpe: „Mit dem ‚Sanierungs-Klassiker‘ Gas-Brennwert in Kombination mit Solarthermie ist die Anforderung, ab 2025 die Nutzung von mindestens 65 % erneuerbarer Energien bei neuen Heizungen zu erfüllen, nicht mehr zu erreichen.“
Erneuerbarer Dimethylether rDME
Wo im ländlichen Raum der Einsatz einer Wärmepumpe nicht möglich oder schlichtweg zu teuer sei, könnte künftig eine neue Option zur Verfügung stehen. Diercks erwartet, dass mit der Genehmigung der EU-Kommission vom 22. Dezember 2021 für ein Joint Venture europäischer Flüssiggas-Anbieter zur Produktion von erneuerbarem Dimethylether (rDME) in Kürze eine Alternative marktreif werde, die schon bis 2027 in der EU ein Volumen von 300 000 t/a aufweisen werde.
Kleines Volumen und Kraftstoff-Konkurrenz
In dieser Summe sind zwar andere rDME-Initiativen und die steigende Produktion von biogenem Flüssiggas noch nicht berücksichtigt, zeitnah ist der Beitrag für eine europäische Wärmewende jedoch überschaubar. Nimmt man mit dem Argument „nur mit großem Aufwand auf eine Wärmepumpe umzurüsten“ einen heizwertbezogenen Energiebezug von 23 667 kWh/a nach der Heizungserneuerung eines Einfamilienhauses an (das entspricht 2356 l/a Heizöl), lassen sich bei 100 % vollsynthetischem rDME mit dem angezeigten 300 000 t Jahresvolumen europaweit nur 100 000 Gebäude versorgen.
Dass rDME in diesem Umfang als Brennstoff für den Wärmemarkt zur Verfügung steht, ist allerdings nicht sicher. Mit einer Cetanzahl von 55 bis 60 lässt sich Dimethylether im Dieselmotor mit leichten Modifikationen als sauberer Ersatz für Dieselkraftstoff verwenden und kann auch in anderen Bereichen Flüssiggas ablösen. Aufgrund existierender regulativer Rahmenbedingungen dürfte hier also eine Nachfrage auch ohne politische Unterstützung entstehen.
Auch im Gebäudebereich wird eine Nachfrage entstehen, da aktuelle Flüssiggaskunden bei einer Heizungssanierung ebenfalls mindestens 65 % erneuerbare Energien einhalten und sich somit nach einer Alternative umschauen müssen.
„rDME bei GEG-Novelle berücksichtigen“
Für den Wärmemarkt hält die Flüssiggasbranche politische Unterstützung aber für dringend erforderlich. So appelliert Diercks im Januar 2022 an die Bundesregierung, die Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien für den ländlichen Raum nicht strenger als für die erdgas- oder fernwärmeversorgten Räume zu formulieren.
Es brauche noch Zeit, bis rDME breitflächig zur Verfügung stünde. Wenn die kommunale Wärmeplanung bis 2030 auf eine Quote von 50 % klimaneutral erzeugter Wärme zusteuern solle, seien auch die Anforderungen an die Hauseigentümer im ländlichen Raum bis 2030 auf den Einsatz von 50 % erneuerbarer Energie zu begrenzen. Zudem müsse klimaneutrales rDME bei der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) als erneuerbare Erfüllungsoption in die Wärmewende integriert werden.
Bemerkenswert ist die Forderung, „klimaneutrales rDME“ als Erfüllungsoption ins GEG zu schreiben, denn das bedeutet einen weitreichenden Zertifizierungsprozess, eventuell mit nationalem Charakter.
65-%-Klausel dürfte nur der erste Schritt sein
Eine Begründung, wie mit einer 50 %-Quote für den Einzelfall die gleich Quote für einen ganzen Sektor innerhalb von weniger als zehn Jahren erreicht werden kann, hat der DVFG bisher nicht geliefert. Dies dürfte auch kaum möglich sein.
Zudem sieht die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbarte 65-%-Klausel für erneuerbare Energien zwar 2025 als Startdatum vor, es ist jedoch absehbar, dass danach zeitnah höhere Zielvorgaben folgen werden: Wenn Gebäude bis 2045 klimaneutral sein sollen, muss das Handeln bei Sanierungsmaßnahmen mit 15 bis 20 Jahren Vorlauf darauf abgestimmt sein.
Zu berücksichtigen ist somit auch, dass bei Gebäuden mit dem oben angenommenen Energieverbrauch schon kurzfristig der regulatorische und spätestens mittelfristig der finanzielle Handlungsdruck für eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs steigt.
Auch die EU macht Druck, wenngleich Deutschland schon fünf Jahre vor der Staatengemeinschaft klimaneutral wirtschaften will. So will beispielsweise der Entwurf für die Novelle der EU-Gebäuderichtlinie eine Verfallsklausel für finanzielle Anreize zur Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden einführen: für die Installation von Heizkesseln, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sollte es ab 2027 keine finanziellen Anreize mehr geben dürfen, und die Mitgliedstaaten sollen die rechtliche Möglichkeit bekommen, die Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden zu verbieten (siehe: Null-Emissions-Gebäude sollen der Standard werden).
Ist der Flüssiggasersatz rDME also eine Alternative zur Wärmepumpe? Mit einer Zulassung als Brennstoff ist rDME eine sichere Lösung. Auch wenn das vollsynthetische rDME erst in Kürze marktreif sein wird, ist über den klassischen Flüssiggasmarkt das Know-how für Installation und Wartung bereits in großem Umfang vorhanden. Technisch wird rDME also durchaus eine Alternative zur Wärmepumpe sein.
Ob sich rDME als Alternative durchsetzen wird oder sogar besondere politische Unterstützung erhält, ist offen. Schon beim GEG war die Flüssiggasbranche schwer enttäuscht, dass auf die Privilegierung von Flüssiggas gegenüber Heizöl und Kohle, wie sie nach aktueller Rechtslage Erdgas ab 2026 genießt, verzichtet wurde. Allerdings ist absehbar, dass mit der 65-%-Klausel GEG § 72 Betriebsverbot für Heizkessel, Ölheizungen grundlegend überarbeitet wird. Ein Vorteil von der rDME-Produktion ist, dass dafür kein Wasserstoff benötigt wird.
Das Neukunden-Potenzial für die Flüssiggas-Anbieter scheint allerdings durch mehrere Faktoren in den nächsten Jahren begrenzt zu sein. Auch weil bei einer Heizungslösung mindestens 15 Jahre Betriebszeit kalkuliert werden. Ein neuer Energieträger, für den noch keine Preiserfahrung existiert, wird es dabei erfahrungsgemäß schwer haben. ■
Im Kontext:
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