Im ersten Halbjahr 2021 haben erneuerbare Energien rund 43 % des Bruttoinlandstromverbrauchs gedeckt. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
In den ersten sechs Monaten des Jahres gab es bei der Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen leichten Zuwachs von rund 2 %. Die Erzeugung aus Windenergie (an Land und auf See) ging hingegen um rund 20 % zurück.
Im Vorjahreszeitraum lag der Anteil der erneuerbaren Energien (EE) am Bruttostromverbrauch mit rund 50 % etwas höher. Verantwortlich hierfür war vor allem das Wetter. Während im ersten Halbjahr 2020 Rekorde bei der Stromerzeugung aus Solarenergie und Windenergie an Land erreicht wurden, war 2021 insbesondere das erste Quartal ungewöhnlich windstill und arm an Sonnenstunden. Im zweiten Quartal waren die Witterungsverhältnisse günstiger: Für die Monate April bis Juni lag der Anteil der erneuerbaren Energien bei 45 %.
Höherer Stromverbrauch senkt die Erneuerbaren-Quote
Die Werte für das Jahr 2020 waren zudem vom deutlich niedrigeren Stromverbrauch im ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 beeinflusst. Da die Erneuerbaren-Quote als Anteil am Stromverbrauch ausgewiesen wird, führt ein geringerer Verbrauch allein schon zu einem Anstieg des prozentualen Wertes. In diesem Jahr lag der Stromverbrauch wieder auf einem üblichen Niveau.
Die Erzeugungszahlen im Einzelnen
Im ersten Halbjahr 2021 lag die Bruttostromerzeugung bei 292 TWh (Mrd. kWh) – ein Anstieg von fast 5 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (1. Halbjahr 2020: 279 TWh).
Dem stand ein Stromverbrauch von rund 285 TWh (1. Halbjahr 2020: 271 TWh. Insgesamt wurden rund 122 TWh Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen erzeugt (1. Halbjahr 2020: 137 TWh).
Davon stammten gut 48 TWh aus Wind an Land, 28 TWh aus Photovoltaik, gut 22 TWh aus Biomasse, fast 12 TWh aus Wind auf See und 9 TWh aus Wasserkraft. Aus konventionellen Energieträgern wurden 170 TWh erzeugt. Im Vorjahreszeitraum waren es 142 TWh.
Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2021 beträgt rund 43 %. Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab.
Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge, also auch die exportierten Strommengen. Der Anteil erneuerbarer Energien im ersten Halbjahr 2021 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt rund 42 %.
Exkurs: Die Summe aus Nettostromerzeugung und Stromimporten ergibt das Stromaufkommen. Abzüglich der Stromexporte und des Pumpstromverbrauchs für Pumpspeicherkraftwerke erhält man den Bruttostromverbrauch. Werden hiervon noch die im Stromnetz anfallenden Übertragungsverluste (Leitungsverluste, Verluste im Umspannwerk etc.) abgezogen erhält man den Nettostromverbrauch (auch Endenergieverbrauch). Die Nettostromerzeugung errechnet sich aus der Bruttostromerzeugung („Generatorklemme“) abzüglich Kraftwerkseigenverbrauch.
Klimaziele erfordern schnelleren EE-Zubau
„Um die ambitionierten Klimaziele im Klimaschutzgesetz und European Green Deal zu erreichen, müssen wir das Ausbautempo deutlich anziehen. Für das höhere CO2-Einsparziel ist ein Anteil von mindestens 70 % erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 erforderlich“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
„Neben einer Beschleunigung des Windenergie-Ausbaus an Land durch mehr Genehmigungen und Flächenausweisung brauchen wir auch einen echten Photovoltaik-Boom mit einem Zubau von mindestens 10 GW/a. Gelingen kann das mit einem konsistenten Instrumentenmix aus finanziellen Anreizen für Unternehmen und Bürger, mehr Flexibilität bei der Wahl der Nutzung des erzeugten PV-Stroms und eine deutliche Entbürokratisierung rund um den Bau und die Nutzung von PV-Anlagen.“
Zudem müssen Bund und Länder mehr Flächen für Photovoltaik-Anlagen bereitstellen, zum Beispiel durch eine PV-Pflicht für öffentliche Neubauten oder innovative Konzepte wie Agri-PV oder schwimmende Solar-Anlagen, mahnt Andreae.
„2030 ist schon morgen und 2045 praktisch übermorgen“
Professor Frithjof Staiß, geschäftsführender Vorstand des ZSW: „Der Beschluss des neuen Klimaschutzgesetzes ist von großer Bedeutung, aber auch von großer Tragweite. Die Weichen müssen jetzt zeitnah gestellt werden. Dies ist umso dringlicher, weil aus Sicht von Planungsprozessen und Investitionsentscheidungen 2030 schon morgen und 2045 praktisch übermorgen ist.
Für die erneuerbaren Energien erscheinen die Beschlüsse viel zu vage. Denn unbeantwortet bleibt die Frage, durch welche Maßnahmen sichergestellt werden soll, wie der Photovoltaik-Zubau gegenüber 2020 verdoppelt und der Zubau bei der Windenergie an Land sogar verdreifacht werden soll – und zwar nicht am Ende der Dekade, sondern bereits ab dem kommenden Jahr über die ganze Dekade hinweg.
Schon allein aufgrund der Flächenverfügbarkeit und der langen Vorlaufzeiten bei größeren Projekten muss hier schnell gehandelt werden. Zudem ist klar, dass eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien nicht konfliktfrei bleiben wird. Auch hier muss die Bundesregierung sehr viel mehr anbieten, als mit dem Klimaschutz Sofortprogramm 2022 beschlossen wurde.“ ■
Der Artikel gehört zur TGA-Themenseite TGA-Marktdaten
Siehe auch: 2020: CO2-Emissionsfaktor von 366 g/kWh im Strommix