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Gaskrise

Gaskommission fordert auch Steigerung der Gebäudeeffizienz

hanohiki – stock.adobe.com

Neben der Gaspreisbremse empfiehlt die Gaskommission auch, im Gebäudebereich in mehr Energieeffizienz und einen Wechsel der Energieträger zu investieren.

„Die Bundesregierung wird die sehr guten Vorschläge jetzt entlang des Berichtes abarbeiten. Noch in dieser Woche [KW44, Anm. d. Red.] werden wir Eckpunkte vorstellen, wie die Vorschläge der Gaskommission umgesetzt werden können.“

Beruhen diese Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz zum Abschlussbericht der Gaskommission auf dem tatsächlichen Verinnerlichen der Empfehlungen der Experten-Kommission, darf die Branche einige Impulse zur Steigerung der Gebäudeeffizienz in bestimmten Bereichen erwarten. Denn genau solche Empfehlungen enthält der am 31. Oktober 2022 übergebene Abschlussbericht „Sicher durch den Winter“.

Risikobewertung einer abgesenkten Warmwassertemperatur

Zudem enthält der Abschlussbericht einen bemerkenswerten Vorstoß im Kontext Energieeinsparung im Warmwasserbereich: „Auch eine vorsichtige Absenkung der Temperatur des zentral vorgehaltenen warmen Trinkwassers von bislang 60 °C kann einen signifikanten Einsparbeitrag leisten. Hierzu sollte vom Gesundheitsministerium eine Risikoabwägung vorgenommen werden, um wieviel Kelvin die Trinkwassertemperatur temporär (November 2022 bis März 2023) zur Gaseinsparung abgesenkt werden darf. Dabei sollte auch geprüft werden, ob täglich eine zeitweise Absenkung möglich ist.“

Die TGA-Branche hat sich dazu bereits recht eindeutig positioniert:
„Legionellen interessieren sich nicht für Energieengpässe“
Energieeinsparung bei der Trinkwassererwärmung
Warmwassertemperatur zur Energieeinsparung reduzieren?
Trinkwarmwasser und Energiesparen: Sicherheit geht vor

Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass eine entsprechende Risikoabwägung vorgenommen wird, wäre es ebenso bemerkenswert, wenn ein Wert für eine Temperaturabsenkung vor dem Ende der Heizperiode 2022/23 genannt werden kann. Aktuell befindet sich gerade eine größere Novelle der Trinkwasserverordnung in der Finalisierung und eine Temperaturabsenkung würde mit einem bisher bewährten Grundprinzip brechen. Immerhin würde es bedeuten, dass das Einhalten der allgemein anerkannten Regeln der Technik als Grundvoraussetzung für die in der TrinkwV geforderte Beschaffenheit des Trinkwassers (es ist keine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger zu besorgen) ausgehebelt wird.

Größere Chancen auf eine Annahme durch die Politik dürften deshalb die nachstehenden und auch längerfristig wirkenden Vorschläge haben.

Erhöhung der Gebäudeeffizienz

Im Unterkapitel „Transformative Maßnahmen, die auch kurzfristig Gas einsparen“ des Abschnitts „4. Angebotssteigernde und nachfragesenkende Maßnahmen“ mahnt die Gaskommission, dass die notwendigen Energie- und Gaseinsparungen im Winter 2022/23 und in den kritischen nächsten Jahren nicht nur durch Verhaltensänderungen, eine Optimierung im Betrieb und ergänzende kleinteilige Maßnahmen erreicht werden können und sollten.

Vielmehr seien auch Investitionen in Energieeffizienz und ein Wechsel der Energieträger dabei von zentraler Bedeutung. Damit diese Investitionen bereits in den kritischen Jahren 2023 und 2024 große Beiträge zum Gaseinsparen erbringen können, müssten Kapazitäten entlang der Wertschöpfungskette ausgebaut werden. Dazu seien Investitionen in die Produktion von neuen Heizungstechnologien, Effizienztechnologien und Steuerungstechnologien genauso notwendig wie Menschen und Unternehmen, die sich dafür qualifizieren, diese Investitionen umzusetzen.

Mittel- und längerfristige Perspektive aufspannen

Deswegen sei es notwendig, dass ein Sofortprogramm nicht nur aus ad-hoc-Förderungen besteht. Die Erfahrung bei energetischen Gebäudesanierungen habe gezeigt, dass dadurch die notwendigen Kapazitäten in der Wertschöpfungskette nicht aufgebaut werden.

Die Gaskommission empfiehlt statt ad-hoc-Förderungen ein Maßnahmenpaket, das auch Investitionen in der Wertschöpfungskette ermöglicht und dazu eine mittel- und längerfristige Perspektive aufspannt. Um entsprechende Produktionskapazitäten – etwa für Wärmepumpen – schnell auszubauen, sollten geeignete Möglichkeiten auch auf europäischer Ebene geprüft werden. Zudem sei eine Strategie zur Lösung des Fachkräftemangels in den für die Energiewende wichtigen Berufsfeldern zu entwickeln und umsetzen.

Energetische Gebäudesanierung priorisieren

Die Gaskommission empfiehlt, die energetische Sanierung von Gebäuden mit einem hohen Anteil an Bewohnern mit Wohnberechtigungsschein zu beschleunigen. So könnten in vielen sehr ineffizienten Gebäuden große Einsparpotenziale erschlossen werden und zugleich soziale Härten nach einem Auslaufen der Gaspreisbremse und höher verbleibenden Gaspreisniveaus vermieden werden:

● Für die Sanierung von Gebäuden der genannten Gruppe sollte ein zielgruppenspezifisches Bundesprogramm mit erhöhten Fördersätzen eingeführt werden, gekoppelt an eine langfristige Mietpreis- und Belegungsbindung. Sofern eine schnelle Einführung eines Bundesprogramms nicht möglich ist, sollte eine Aufstockung der Länderprogramme für den sozialen Wohnungsbau durch Bund und Länder für die Jahre 2023 bis 2025 erfolgen.

● Für Wohneinheiten mit Kaltmieten bis zu Wohngeld-relevanten Mietstufen sollten die Vermieter für den Einbau von Smart-Building-Technik, automatisiertes Heizungs-Monitoring, Smart-Home-Anwendungen, Technik zur Gebäudeautomatisation, die optimale Betriebsführung ermöglicht, z. B. den automatisierten Hydraulischen Abgleich pro Wohneinheit, eine pauschale Förderung in Form eines Zuschusses von 400 Euro bekommen können, sofern vom Vermieter je Wohneinheit mindestens weitere 200 Euro investiert werden. Die Einhaltung eines effektiven Datenschutzes mit Blick auf die Aufzeichnung der Daten zum Heizungs- und Lüftungsverhalten der Mietenden bezüglich des Zugangs der Vermieter zu diesen Daten bilde hier eine zentrale Voraussetzung für die Akzeptanz.

Förderquote muss zielgruppenspezifisch erhöht werden

Mieter und Vermieter stehen jedoch bei der Umsetzung der energetischen Modernisierungsmaßnahmen vor einem Dilemma: Vermieter finden aktuell am Markt noch zu geringe Ausführungskapazitäten mit steigenden Angebotspreisen vor. Kostensteigerungen für Baumaterialien und die Zinsentwicklung führen zu Kostensteigerung umfassender Sanierungsmaßnahmen für Mieter. Das führt einerseits zur Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen und andererseits zur Absage entsprechender Modernisierungsmaßnahmen.

Die Gaskommission sieht zwei Wege, die kurzfristig aus diesem Dilemma führen: Vorhaben für untere Einkommensgruppen bedürfen einer deutlich höheren staatlichen Unterstützung als es über die gerade abgesenkte allgemeine Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) möglich ist. Dies ergänzt durch die sich aktuell abzeichnende gesteigerte Subjektförderung (Klima- und Heizkostenpauschale sowie höhere Wohngeldleistungen im Rahmen des Wohngeld Plus-Gesetzes).

Darüber hinaus sollten neue Modelle ermöglicht werden, die das Vermieter-Mieter-Dilemma überwinden – einschließlich regulatorischer Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass durch die Nutzung regenerativer Energien Kosten weniger volatil werden. Insgesamt sollten die staatlichen Unterstützungen so ausgelegt werden, dass Vermieter eine annährend warmmietenneutrale Sanierung umsetzen können. Auf dieser Grundlage könne mit einer entsprechend verstärkten staatlichen Förderung eine Kappungsgrenze der Modernisierungsumlage für energetische Sanierungen von 1,50 Euro/m2 für Bezieher eines Wohnberechtigungsscheines umgesetzt werden.

Kapazitäten für ineffiziente und gasbeheizte Gebäude einsetzen

Die Gaskommission erwartet, dass in den nächsten zwei bis drei Wintern die Gaspreise kritisch sein können und erwartet auch in den darauffolgenden Wintern noch hohe Gaspreise. Deswegen sollten Maßnahmen, die Anreize zur Sanierung schaffen, gezielt Eigentümer besonders ineffizienter und mit Erdgas beheizter (inklusive Fernwärme bei großem Anteil Gaserzeugung) Gebäude und Mehrfamilienhäuser adressieren, damit die begrenzten Kapazitäten gezielt eingesetzt werden.

Um reinen Mitnahmeeffekten entgegenzuwirken, sollten Fördermöglichkeiten für energetische Sanierung für Gebäude im Bestand insbesondere für einkommensschwache Haushalte in der Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) ausgeweitet werden. Auch die Digitalisierung von Gebäuden sollte fokussiert werden, um Einsparungen durch eine effiziente Steuerung von Heizungsanlagen breitflächig zu ermöglichen.

Um Anreize zur Sanierung besonders ineffizienter und gasbasierter Gebäude zu schaffen, schlägt die Gaskommission 7 Maßnahmen vor:

● Der Bonus für serielle Sanierung sollte erhöht werden, um den Markthochlauf zu stärken.

● Deutliche Erhöhung des Worst-Performing-Building-Bonus von derzeit 5 % zur Priorisierung besonderes ineffizienter und gas- und fernwärmebeheizter Gebäude.

● Deutliche Anhebung der Fördersätze für umfassende Maßnahmen an der Gebäudehülle (derzeit 15 %).

● Deutliche Anhebung der Fördersätze für Wohnraumlüftung (zentral und dezentral) mit Wärmerückgewinnung (derzeit 15 %).

● Parallel zum europäischen Prozess sollten energetische Mindeststandards für den Gebäudebestand (Minimum Energy Performance Standards, MEPS) erarbeitet und umgesetzt werden.

● Schnelle Umsetzung des in der EU-Gebäuderichtlinie vorgeschlagenen „Zero-emission buildings“-Standards im Neubau.

● Zügige Streichung von Ausnahmen bei Nachrüstpflichten im GEG und Durchsetzung der bedingten Anforderungen, speziell der Wärmedämmung anlässlich der Erneuerung des Außenputzes einer bestehenden Wand.

Da auch viele öffentlich genutzte Gebäude (u. a. Schulen, Krankenhäuser) dringend der energetischen Sanierung bedürfen, sollen der Bund und die Länder für die Sanierung dieser Gebäude prioritär Mittel bereitstellen.

Kommunale Wärmeplanung beschleunigen

Die Gaskommission misst insbesondere in dicht besiedelten Gebieten dem Ausbau der Nah- und Fernwärme eine große Bedeutung für die Wärmewende zu. So können beispielsweise effizientere und kostengünstigere Wärmespeicher, Wärmepumpen und Geothermie zum Einsatz kommen. Die Gaskommission benennt dazu vier Maßnahmen:

● Immobilieneigentümer benötigen für ihre Investitionsentscheidungen in Heizungstechnologien Klarheit über die zukünftige lokal zur Verfügung stehende Wärmeversorgung. Deswegen sollte die beschleunigte flächendeckende kommunale Wärmeplanung schnellstmöglich gesetzlich vorgeschrieben und die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen bei der Fernwärmeversorgung gefördert werden. Die Förderung sollte auch den Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur umfassen.

● Es sollte unverzüglich eine Strategie zur Nutzung von Abwärme entwickelt und umgesetzt werden, um die bestehenden Potenziale konsequent in bestehende oder neue Fern- und Nahwärmekonzepte einzubinden. Dazu müssten vor allem die Rahmenbedingungen für eine (objektübergreifende) Abwärmenutzung verbessert sowie ein Zugang zu Wärmenetzen ermöglicht werden.

● Ebenso sollte eine Strategie zum beschleunigten Ausbau von Großsolarthermieanlagen und Großwärmepumpen einschließlich eines Konzepts zur Flächenausweisung verbunden mit der Absenkung der Vorlauftemperaturen in Fernwärmenetzen entwickelt und umgesetzt werden. Dabei sollte auch eine Steuerung der Sekundärregelung geprüft werden, um die Gesamteffizienz der netzgebundenen Wärmeversorgung zu verbessern.

● Im Bereich des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ist zu prüfen, ob die vorgesehenen Ausschreibungen auf neue gasbefeuerte KWK-Anlagen beschränkt werden können, die H2-ready sind. Zudem sollte geprüft werden, ob erteilte Zuschläge ohne Zahlung einer Pönale zurückgegeben werden können, wenn stattdessen alternative Lösungsmöglichkeiten für die Wärmeerzeugung ohne oder mit reduzierter Gasnutzung umsetzbar sind. Schließlich sollte eine Förderung von oder eine Verpflichtung zum Einbau von Wärmespeichern und Power-to-Heat-Anlagen in Fernwärmenetzen geprüft werden.

Download des Abschlussberichts der Gaskommission „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme: Sicher durch den Winter“. Herausgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Deneff: Politik muss nun dringend nachlegen

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) hat die Forderung der Gaskommission für mehr Anreize zum Energiesparen begrüßt. Der Abschlussbericht erkenne nicht nur die Notwendigkeit von Energieeinsparung, um der Energiekrise zu begegnen. Noch wichtiger seien die vorgeschlagenen zusätzlichen politischen Anstrengungen zu strukturellen Maßnahmen, um die notwendigen Effizienzsteigerungen zu erreichen und so dauerhaft Energiekosten zu senken. Dabei seien die weitreichenden Vorschläge der Gaskommission für Einsparungen im Gebäudebereich und bei Haushalten, mit Fokus auf die Sanierung besonders ineffizienter Gebäude, besonders hervorzuheben.

Die Kommission mache deutlich, dass dreistellige Milliardenbeträge zur Subventionierung von Energiekonsum allein keinen Ausweg aus der Krise darstellen, sondern, dass die kurzfristigen Entlastungspakete schnell durch dauerhaft verbesserte Förderung und Regulierung flankiert werden müssen. „Um uns aus dem Teufelskreis immer weiterer, kurzfristig notwendiger Subventionen von Energiekonsum befreien zu können, sind die Details der Gaspreisbremse weniger ausschlaggebend als strukturelle Maßnahmen, die Energieeffizienzinvestitionen anreizen“, sagt Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deneff. „Es ist nun an der Politik, hier dringend nachzulegen.“

„Sehr bedauerlich“ findet der Verband jedoch, dass für den Industriesektor kein adäquates Pendant zum Maßnahmenbündel des Gebäudesektors im Abschlussbericht enthalten ist. Es fehlten die notwendigen Vorschläge, um Unternehmen zu strategischen Effizienzinvestitionen anzureizen. Die vorgebrachten Empfehlungen führten eher zu rein kurzfristig wirksamen Einsparungen, etwa durch Produktionssenkungen. Unter diesen Umständen werde es der Industrie aber sogar deutlich erschwert, sich aus der Krise heraus zu investieren. Das gefährde die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland, der die Chance nicht verstreichen lassen sollte, nun erst recht diejenigen Investitionen anzugehen, die die Unternehmen auch fit für die unvermeidbare Klimatransformation machen. ■
Quellen: Abschlussbericht der Gaskommission, Bundespresseamt, Deneff / jv

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