Heute (23. August 2022) endet die öffentliche Konsultation zur 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen ab 2024. Der DVGW will die Vorgabe vor allem mit Gas-Heizungen umsetzen.
Ab dem 1. Januar 2024 soll jede neu eingebaute Heizung mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden. BMWK und BMWSB hatten dazu am 18. Juli 2022 mit der Vorlage eines Konzepts zur Umsetzung der schon im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigten 65-Prozent-EE-Vorgabe eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Auf Basis der Ergebnisse wollen die Ministerien dann einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der neuen Vorgaben erstellen. Voraussichtlich wird dazu das Gebäudeenergiegesetz geändert.
Der DVGW hat sich zu dem BMWK/BMWSB-Konzept neben seiner offiziellen Stellungnahme mit einem Statement seines Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Gerald Linke positioniert:
„Die Dekarbonisierung des Wärmemarkts ist eine enorme Herausforderung für die Energiebranche. Zugleich bietet sie hervorragende Chancen, Wasserstoff und klimaneutrale Gase erfolgreich zu nutzen. Gut ist, dass die Bundesregierung mit der Vorgabe, bereits ab 2024 möglichst alle neu eingebauten Wärmeerzeuger auf Basis von mindestens 65 % erneuerbaren Energien zu betreiben, die Klimaziele im Gebäudesektor wirksam und verbindlich erreichen möchte. Nur ein technologieoffener Ansatz führt zu einer technisch machbaren, sozialverträglichen sowie zeit- und kostenoptimierten Wärmewende. Mit Blick auf die Heterogenität des Gebäudebestands bedarf es aber auch in Zukunft verschiedener klimaneutraler Energieträger, Infrastrukturen und Heiztechnologien.
Maßgeblich ist aus unserer Sicht das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität im Gebäudesektor. Daher sollten alle perspektivisch klimaneutral betreibbaren Heiztechnologien, die zur Erreichung dieses Ziels beitragen können, ‚auf einer Ebene‘ betrachtet und genutzt werden dürfen. Hierzu zählen auch KWK-Anlagen, Brennstoffzellen und Gas-Wärmepumpen sowie die anteilige Anrechnung verschiedener Technologieoptionen.
Ein Stufenmodell lehnen wir ab. Es ist in der Praxis nicht umzusetzen, würde die Endkunden bürokratisch sowie finanziell belasten und basiert letztlich auf willkürlichen Kriterien. So wird etwa außer Acht gelassen, dass Gastechnologien und die Versorgung über die bestehende Gasinfrastruktur auch langfristig erhebliche systemische Vorteile gegenüber den als Vorrangoptionen aufgeführten elektrischen Wärmepumpen und Stromdirektheizungen aufweisen: Für eine Elektrifizierung des Wärmesektors wäre ein kostspieliger Ausbau des Stromnetzes ebenso erforderlich wie die Bereitstellung von zusätzlicher gesicherter Kraftwerksleistung während der Heizperiode – mit der Folge eines massiven Anstiegs des Strompreises. Klar ist: Zur Erreichung der Klimaneutralität darf es keine ordnungsrechtliche Diskriminierung einzelner Energieträger und Technologien geben.
Die Anerkennung von klimaneutral betriebenen Gasheizungen unterstützen wir ausdrücklich. Die benötigten Mengen dieser Gase können durch die richtigen politischen Rahmenbedingungen rechtzeitig gehoben werden. Nach Berechnungen des DVGW würde für die Erfüllung des 65-%-Anteils für 600 000 verbaute Gas-Heizungen pro Jahr ein jährlicher zusätzlicher Grüngas-Bedarf von 8 bis 16 TWh bei einem durchschnittlichen Heizwärmebedarf bestehen [Anmerkung: Aktuell werden rund 11 TWh/a Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist]. Diese Menge wäre in Form von Biomethan ab 2024 etwa durch eine sukzessive Umrüstung des Biogasanlagenbestands zu heben und könnte dem Endkunden bilanziell zur Verfügung gestellt werden. Spätestens ab 2030 kann der Wärmesektor auch mit klimaneutralem Wasserstoff versorgt werden – vorausgesetzt die Politik stellt schon heute die Weichen für einen ambitionierten Hochlauf.“
DVGW-Stellungnahme zur 65-Prozent-EE-Konsultation
600 000 Gas-Heizungen und 500 000 Wärmepumpen pro Jahr?
Mit DVGW-Angabe „600 000 verbauten Gas-Heizungen pro Jahr“ würde die Installation von neuen Gas-Heizungen auf dem aktuellen Niveau blieben. Nur in den Jahren 2020 (623 000) und 2021 (653 000) wurden in den letzten 20 Jahren laut der BDH-Absatzstatistik mehr als 600 000 Gas-Heizungen neu installiert bzw. in den Verkehr gebracht. Im Mittel waren es in den letzten 20 Jahren rund 516 000 Gas-Heizungen pro Jahr. Den höchsten Gesamtabsatz gab es 2021 mit insgesamt 929 000 Wärmeerzeugern (Gas-Heizkessel, Öl-Heizkessel, Elektro-Wärmepumpen, zentralen Biomasse-Heizkessel).
Das Bekenntnis von Politik, Verbänden und die TGA/SHK-Branche zu mehr Tempo beim Wärmepumpen-Rollout und mehr als 500 000 neuen Wärmepumpen pro Jahr ab 2024 dürfte parallel zu der vom DVGW genannten Zahl neuer Heizungen mit den aktuell in der Branche zur Verfügung stehenden Kapazitäten schwerlich zu realisieren sein. Auch würde die vom DVGW geforderte politische Unterstützung und Weichenstellung für Biomethan und Wasserstoff für den Wärmemarkt (Raumheizung) die von den Wärmepumpen-Herstellern geforderte Investitionssicherheit grundsätzlich infrage stellen. ■
Quellen: DVGW, BMWK, BDH / jv
Zahlenspiel: Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz haben im Rahmen der Gasbeschaffungsumlage insgesamt zwölf Gasimporteure ihre Ersatzbeschaffungskosten angemeldet. Bezogen auf den gesamten Umlagezeitraum bis Anfang April 2024 (also rund zwei Heizperioden) haben diese Gasimporteure 34 Mrd. Euro an Kosten geltend gemacht – 90 % der erwarteten Ersatzbeschaffungskosten für diese Zeit. Mit diesem Betrag könnte man die Installation von 2,1 Mio. Wärmepumpen bei Investitionskosten von 32 000 Euro pro Anlage zu 50 % fördern. Mit dem aktuell über die Bundesförderung für effiziente Gebäude als Einzelmaßnahme möglichen Fördersatz für Luft/Wasser-Wärmepumpen von 35 % inklusive Heizungs-Tausch-Bonus könnten über 3 Mio. Wärmepumpen gefördert werden.
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