Erstmals haben digital vernetzte Elektroautos als Teil eines virtuellen Kraftwerks das deutsche Stromnetz stabilisiert – während sie ganz normal im Alltag genutzt wurden. Der Übertragungsnetzbetreiber TenneT konnte dabei auf die Speicherkapazität von Elektroautos der sonnenCommunity zurückgreifen und dadurch kurzfristig im Stromnetz auftretende Frequenzschwankungen abfedern.
Der Innovationstreiber für Speicher- und Vernetzungstechnik sonnen erweitert sein bisher auf Stromspeichern basierendes virtuelles Kraftwerk sonnenVPP um Elektroautos. Mit diesem neuen „Kraftwerksblock“ stehen dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT die bisher ungenutzten Speicherkapazitäten von Elektroautos aus bereits vernetzten Haushalten zur Verfügung. Nach einer erfolgreichen Testphase wurde die Bereitstellung der Speicherkapazitäten nun erstmals in den Alltag von Haushalten überführt.
Intelligente Ladevorgänge gleichen Laständerungen aus
Verwendet werden dabei Elektroautos mehrerer Hersteller in verschiedenen Haushalten der sonnenCommunity. Neben ihrer normalen Nutzung im Alltag werden die Autos zum aktiven Teil des Stromnetzes: Erste Fahrzeuge sind im TenneT-Netzgebiet bereits in das sonnenVPP integriert und können Primärregelleistung (FCR; Frequency Containment Reserve) erbringen.
Das bedeutet, dass die Speicherkapazität der E-Auto-Batterien innerhalb von 30 Sekunden flexibel regelbar für den Ausgleich von Laständerungen und damit Frequenzschwankungen im Stromnetz zur Verfügung stehen muss. Das wird allein über einen intelligenten Ladevorgang erreicht, eine zusätzliche Abnutzung der Fahrzeugbatterien durch Entladen findet nicht statt.
Im nächsten Schritt will sonnen weitere 5000 sonnenCommunity-Haushalte mit einem Elektroauto und einem sonnenCharger für das virtuelle Kraftwerk nutzen. Gemeinsam mit den jeweiligen sonnenBatterien der Haushalte entspricht das einem Potenzial von rund 80 MW. TenneT hat einen Primärregelleistungsbedarf von 170 MW.
Weitere Anwendungen für das Stromnetz möglich
Mit der Einbindung von Elektroautos in das sonnenVPP stehen neben der Primärregelleistung viele weitere Anwendungen für das Stromnetz offen, welche das Zusammenspiel von Energiesystem und Transportmittel ganz neu definieren.
Oliver Koch, CEO von sonnen: „Wir stehen an der Schwelle zu der Entwicklung eines Ökosystems der erneuerbaren Energien, die sich mit dem Beginn des Internetzeitalters vergleichen lässt. Bislang isoliert agierende Assets werden miteinander vernetzt und entfalten so ihr volles Potenzial. In der nächsten Stufe der Energiewende geht es darum, dass die Energie aus Solar- oder Windstrom immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist.
Mit der Aufnahme von Elektrofahrzeugen in unser virtuelles Kraftwerk machen wir einen großen Schritt, indem wir das Laden von Elektroautos nutzen, um gleichzeitig Angebot und Nachfrage im Stromnetz auszugleichen und es so stabilisieren. Damit können wir das enorme Speicherpotenzial von Elektroautos bereits heute nutzen und dazu beitragen, dass wir fossile Kraftwerke früher abschalten können.“
Tim Meyerjürgens, COO von TenneT, blickt auf das Stromnetz der Zukunft: „Für die nachhaltige und sichere Stromversorgung von morgen ist es wichtig, dass die Energiewende weitergedacht wird. Die Integration von Elektroautos in das Stromnetz ist ein wichtiger Meilenstein, um auf die Herausforderungen der künftigen Stromverfügbarkeit reagieren zu können.
Je mehr volatile, stark schwankende Wind- und Sonnenenergie in das Stromnetz einspeist werden, umso elementarer ist die Schaffung neuer Speichermöglichkeiten zur Flexibilisierung und Stabilisierung des Gesamtsystems. Was heute erste Elektroautos und Primärregelleistung sind, sind bald Millionen Elektroautos und zahlreiche weitere Systemdienstleistungen für uns Netzbetreiber.“
Ladevorgang: Netzdienlichkeit statt Belastungsszenario
Der Hochlauf der Elektromobilität stellt bisher die Stabilität der Stromnetze vor eine Herausforderung, wenn zum Beispiel viele Autos in einem Gebiet gleichzeitig laden. Die Integration der Elektroautos aus der sonnenCommunity in das virtuelle Kraftwerk und wandelt ein Problem zu einer Lösung. Dabei wird der bisherige Ladevorgang neu gestaltet:
Im ersten Schritt verteilt sonnen die Ladevorgänge aller angeschlossenen Elektroautos gleichmäßig über einen längeren Zeitraum und vermeidet so Lastspitzen zu einer bestimmten Tageszeit. Grundlage hierfür sind die Vorgaben der Kunden, wann sie ihr Auto wieder benötigen. Im zweiten Schritt werden dann Frequenzabweichungen des Stromnetzes ausgeglichen, die Vorgaben dafür kommen von TenneT. Das so gesteuerte Ladeverhalten stabilisiert das Stromnetz gleich auf zwei Ebenen, und das ohne Einschränkungen für die Nutzung der Fahrzeuge.
Als Teil des virtuellen Kraftwerks können Elektroautos zum Beispiel auch überschüssigen Windstrom in der Nacht aufnehmen, sodass sie tagsüber nicht mit Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken beladen werden müssen. In Summe entsteht ein neuer Kraftwerksblock, der die Speicherkapazität für Strom erweitert und mit fossilen Brennstoffen befeuerte Kraftwerke ein Stück weiter überflüssig macht.
Auch die Kunden können profitieren
Von der sonnenCommunity und der Bereitstellung von Primärregelleistung profitieren in Zukunft auch die Besitzer der Elektroautos. Denn die Währung im Energiesystem der Zukunft heißt nicht länger (allein) Kilowattstunde, sondern immer stärker Flexibilität.
sonnen bietet bereits heute eine Gewinnbeteiligung an seinem virtuellen Kraftwerk. Mit der Einbindung der Elektroautos sollen nun weitere Vergütungsmodelle entwickelt werden, sodass die Kunden in der sonnenCommunity zusätzliche Anreize dafür erhalten, wenn sie ihr Elektroauto netzverträglich steuern lassen. ■
Quelle: sonnen / jv
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