Das Bundeskabinett hat am 25. November 2022 einen Gesetzentwurf für die Gaspreisbremse beschlossen. Hier erfahren Sie, was dies konkret für die Gaskosten in einem Einfamilienhaus im Jahr 2023 bedeutet.
Aufgrund der vielfältigen Struktur der Gaskunden ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften“ ein komplexes Regelwerk. Vermutlich wird die „Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP“ im jetzt folgenden parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren auch noch an vielen Stellen nachgeschliffen werden. Die Zustimmung durch den Bundesrat soll am 16. Dezember 2022 erfolgen.
Im Segment Haushaltskunden sind die Grundzüge aber schon länger klar und ermöglichen eine Prognose, auf welche Gaskosten sich Gaskunden in Abhängigkeit von ihrem Verbrauchsverhalten und ihrem Gastarif im Jahr 2023 einstellen müssen. Zum Verständnis ist insbesondere wichtig: Die Gaspreisbremse ist eigentlich eine Gaskostenbremse. Ihre größte Wirkung für den Gaskunden entfaltet sie in Kombination mit einer Senkung des Gasverbrauchs.
Wichtige Fakten zum Gesetzentwurf der Gaspreisbremse
● Um von der Gaspreisbremse zu profitieren, müssen Haushaltskunden nichts tun. Die Gaslieferanten sind verpflichtet, die Entlastungen bei den Abschlagsrechnungen zu berücksichtigen. Erfolgt die Bezahlung allerdings nicht über einer Einzugsermächtigung, sondern über einen Überweisungsauftrag, müssen die Gaskunden diesen entsprechend anpassen, um sofort von den Entlastungen zu profitieren.
● Die Gaspreisbremse startet ab März 2023. Für die Monate Januar und Februar 2023 erfolgt im März 2023 eine rückwirkende Entlastung.
● Die Gaspreisbremse schließt sich damit an die Soforthilfe (Übernahme der Abschlagsrechnung für Dezember) an, die Gaskunden müssen aber den ab 2023 gewährten Entlastungsbetrag im Januar und Februar vorstrecken.
● Die Gaspreisbremse gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2023. Die Bundesregierung kann sie durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung durch den Bundesrat bis zum 30. April 2024 verlängern. Über die Verordnung kann sie dann auch den Entlastungsrahmen anpassen.
● Grundlage für die Höhe der Entlastung bei Haushaltskunden ist der Jahresverbrauch, den der Erdgaslieferant für den Gaskunden („Entnahmestelle“) im Monat September 2022 prognostiziert (Verbrauchsprognose) hat sowie ein Referenzpreis von 12 Ct/kWh einschließlich Netzentgelten, Messstellenentgelten und staatlich veranlassten Preisbestandteilen einschließlich der Umsatzsteuer.
● Der monatliche Entlastungsbetrag berechnet sich aus einem Zwölftel des Entlastungskontingents multipliziert mit dem jeweils maßgeblichen Differenzbetrag. Das Entlastungskontingent beträgt 80 % der Verbrauchsprognose. Der Differenzbetrag ergibt sich aus der Differenz des Arbeitspreises (Gastarif des Gaskunden) und dem Referenzpreises. Der Differenzbetrag beträgt null, sofern der Referenzpreis den Arbeitspreis übersteigt.
Großer Anreiz zum Einsparen von Erdgas
In einer Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zum Kabinettsbeschluss zur Gaspreisbremse heißt es: „Diese Deckelung des Preises gilt für 80 % des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs. Für den Verbrauch, der dieses Kontingent übersteigt, muss weiterhin der vertraglich vereinbarte Preis gezahlt werden.“
Davon stimmt nur der zweite Satz. Der erste Satz suggeriert, dass sich die Entlastung aus dem tatsächlichen Verbrauch im Jahr 2023 mit einer Begrenzung auf 80 % des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs ergibt. Das würde zutreffen, wenn im Jahr 2023 der Gasverbrauch bei 80 % oder mehr der Verbrauchsprognose liegt. Wer weniger verbraucht, profitiert stärker von der Entlastung. Im Extremfall kann ein Verbraucher seine Gaskosten im Jahr 2023 dadurch sogar auf Null bringen – wenn er eine sehr hohe Einsparung gegenüber der Verbrauchsprognose realisiert und gleichzeitig einen sehr hohen Gastarif hat.
Denn der Gesetzentwurf zur Gaspreisbremse setzt um, was die Gaskommission mit doppeltem Ziel (Entlastung der Gaskunden und Anreiz zur Einsparung von Erdgas) vorgeschlagen hat:
„Das Kontingent [nun: „Entlastungskontingent“] beträgt 80 % der Jahresverbrauchsprognose, die der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde. Der erhaltene Betrag muss nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung von der angenommenen Menge abweicht. Daher bleibt der volle Energiesparanreiz bestehen und jede eingesparte kWh reduziert den Rechnungsbetrag um den im Versorgungsvertrag vereinbarten Arbeitspreis.“
Gaskosten für einen Musterhaushalt im Einfamilienhaus
Der Mechanismus der Gaspreisbremse lässt sich am einfachsten an einem Musterhaushalt in einem selbstgenutzten Einfamilienhaus mit Gas-Heizung nachvollziehen. Es wird angenommen, dass dafür im Monat September 2022 eine Jahresverbrauchsprognose von 20 000 kWh/a Erdgas vorliegt.
Bei einem Erdgaspreis von 7,06 Ct/kWh und 50 Euro/a Grundpreis betrugen im Jahr 2021 die Gaskosten für den Musterverbrauch 1462 Euro.
Mit dem vom BMWK für Beispielrechnungen zur Gaspreisbremse angesetzten vertraglichen Arbeitspreis von 22,00 Ct/kWh im Jahr 2023 würden sich ohne Gaspreisbremse Gaskosten von 4450 Euro/a ergeben, siehe rot-gestrichelte Linie im Diagramm.
Über die Gaspreisbremse erhält der Musterhaushalt eine Entlastung. Das Entlastungskontingent beträgt 0,8 ∙ 20 000 kWh = 16 000 kWh. Der Differenzbetrag ergibt sich zu: 22,00 Ct/kWh − 12,00 Ct/kWh = 10 Ct/kWh. Daraus ergibt sich ein Entlastungsbetrag von 10 Ct/kWh ∙ 16 000 kWh = 1600 Euro. Die Gaskosten sinken damit auf 2850 Euro im Jahr 2023. Der effektiv vom Gaskunden zu entrichtende Arbeitspreis beträgt 14,00 Ct/kWh.
Kann der Musterhaushalt seinen Gasverbrauch im Jahr 2023 um 20 % auf 16 000 kWh senken, sinken seine Gaskosten auf 1970 Euro. Obwohl sich der vertragliche Arbeitspreis gegenüber 2021 um 212 % verteuert hat, sind die Gaskosten durch die Einsparung und die Gaspreisbremse nur 35 % höher. Der effektiv vom Gaskunden zu entrichtende Arbeitspreis beträgt 12,00 Ct/kWh.
Ein wesentliches Merkmal bei einem Einsparerfolg von 20 % ist, dass die Gaskosten eines Haushalts damit oberhalb eines Arbeitspreises von 12 Ct/kWh immer 1970 Euro betragen, weil sich mit dem Arbeitspreis auch der Entlastungsbetrag ändert, siehe blaue Linie im Diagramm.
Kann der Musterhaushalt seinen Gasverbrauch im Jahr 2023 sogar um mehr als 20 % senken, kann er Gaskosten erreichen, die unter denen im Jahr 2021 liegen. Hat der Musterhaushalt beispielsweise im Jahr 2022 seine Gas-Heizung modernisiert und / oder eine Solarthermieanlage installiert und heizt trotzdem weiterhin sparsam, ist auch eine Verbrauchsminderung um 30 % realistisch. Sind die Maßnahmen noch nicht in die Verbrauchsprognose September 2022 berücksichtigt, bemisst sich die Entlastung noch aus dem vorherigen Verbrauch. Die Gaskosten betragen dann bei einem vertraglichen Arbeitspreis von 22,00 Ct/kWh „nur“ noch 1530 Euro. Der effektiv vom Gaskunden zu entrichtende Arbeitspreis beträgt 10,57 Ct/kWh. Liegt der vertragliche Arbeitspreis höher, sinken die Gaskosten weiter. Bei 26 Ct/kWh betragen sie 1450 Euro und sind günstiger als im Jahr 2021. Der effektiv vom Gaskunden zu entrichtende Arbeitspreis beträgt 10,00 Ct/kWh.
Die geringeren Kosten bei einem höheren vertraglichen Arbeitspreis sehen wie ein Fehlanreiz aus. Allerdings dürfte Kalkül der Gaskommission gewesen sein, dass erst mit hohen Preissignalen auch sehr hohe Gaseinsparungen zu erreichen sind, was wiederum im Sinne der Gasversorgungssicherheit ist. Gaskunden die dies erkennen, dürften sich allerdings kaum auf die Suche nach einem günstigeren Gastarif machen.
Mit sehr hohen Verbrauchsminderungen lassen sich die Gaskosten bei sehr hohen vertraglichen Arbeitspreisen sogar auf die Höhe des Grundpreises senken. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Verbrauchsprognose aufgrund eines zeitweise ungewöhnlichen Heizverhaltens viel zu hoch ist oder ein Teil der Raumwärme in 2023 beispielsweise über einen früher nicht benutzten Kaminofen bereitgestellt wird. Dann sind allerdings die dafür erforderlichen Brennstoffkosten zu berücksichtigen.
Einsparungen von über 50 % können auch bei einem unterjährigen Energieträgerwechsel auftreten. Läuft der Gasvertrag bis zum Ende des Jahres weiter, würden auch weiterhin die Entlastungsbeträge in den Monatsabschlägen berücksichtigt. Gibt es im Haushalt noch eine weitere Entnahmestelle, beispielsweise einen Gasherd, müsste sich der Gaskunde auch nicht vorwerfen lassen, die Kündigung bewusst verzögert zu haben. Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, eine Gaspreisbremse zu entwickeln, die für alle Fälle gerecht ist.
Haushalte die 2023 von der Wirkung sinkender Gaskosten bei hoher Einsparung und hohen vertraglichen Arbeitspreisen profitieren, werden allerdings nach ihrem Auslaufen ohne einen Tarifwechsel einen erheblichen Preisschock erleben.
Teuer wird es auch im umgekehrten Fall: Ist in die Verbrauchsprognose ein zeitweise Leerstand eingeflossen und muss 2023 mehr geheizt werden oder gibt es durch Familienzuwachs einen höheren Warmwasserverbrauch, fließt das nicht in die Gaspreisbremse ein. Bei einem Gasverbrauch in 2023, der um 20 % über der Verbrauchsprognose liegt, liegen die Gaskosten bei einem vertraglichen Arbeitspreis von 22,00 Ct/kWh mit 3730 Euro um fast 31 % über den Gaskosten bei konstantem Verbrauch, siehe dunkelrote Linie im Diagramm. Der effektiv vom Gaskunden zu entrichtende Arbeitspreis beträgt 15,33 Ct/kWh. Die Gaspreisbremse entfaltet also auch hier eine beträchtliche Wirkung.
Die Gaspreisbremse bremst nicht die Gaspreise…
Festzuhalten bleibt: Die Gaspreisbremse bremst nicht die Gaspreise (es dürfte eher das Gegenteil der Fall sein), sie bremst die Gaskosten. Auf Basis des Gesetzentwurfs zur Gaspreisbremse wirken sich bei einer Einsparung von genau 20 % gegenüber der Verbrauchsprognose vertragliche Arbeitspreise oberhalb des Referenzpreises von 12,00 Ct/kWh nicht auf die Gaskosten aus, bei höherer Verbrauchsminderung profitieren die Haushalte sogar von sehr hohen vertraglichen Arbeitspreisen. Es ist also gut möglich, dass der Bundestag in diesem Feld noch eine Grenze einzieht.. Zudem benachteiligt die Gaspreisbremse schon lange sparsam heizende Haushalte.
Die vorstehenden Ergebnisse wurden auf der Basis des gesamten Jahres 2023 mit konstantem Gastarif ermittelt. Der Gesetzentwurf gibt ein monatliches Berechnungsraster vor, sodass auch geänderte vertragliche Arbeitspreise und Lieferantenwechsel praxisgerecht berücksichtigt werden. Da die Lieferanten das Verbrauchsverhalten der Kunden im Einzelfall nicht kennen, entsprechenden die monatlichen Abschlagszahlungen nur bei konstantem Verbrauch der Jahresendabrechnung. Sparer enthalten dann eine Rückzahlung und Mehrverbraucher müssen nachzahlen. ■
Quelle: BMWK, Gesetzentwurf zur Gaspreisbremse / jv
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