Das Bundeskabinett will die Preisbremsengesetze ändern und dabei den Referenzpreis für Heizstrom und Niedertarife von 40 auf 28 Ct/kWh senken. Bei Wärmepumpen könnte die zusätzliche Entlastung im Jahr 2023 mehrere Hundert Euro betragen.
Die Bundesregierung hat am 5. April 2023 im Bundeskabinett den Entwurf einer Anpassungsnovelle zu den Erdgas-, Wärme- und Strom-Preisbremsengesetzen beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf sollen bestehende Regelungen im Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) und im Strompreisbremsegesetz (StromPBG) klargestellt, kleinere Regelungslücken geschlossen und ein effektiver Vollzug der Energiepreisbremsen gewährleistet werden.
Überwiegend handelt es sich um redaktionelle und technische Anpassungen, die sich aus den ersten Praxiserfahrungen sowie Rückfragen und Anmerkungen von Verbänden, Unternehmen und Bürgern ergeben haben. Eine wichtige inhaltliche Änderung ist, dass der Referenzpreis für Heizstrom und auch für Niedertarife gesenkt werden soll.
Neuer Referenzpreis für Heizstrom
Hintergrund ist, dass der momentan einheitliche Referenzpreis von 40 Ct/kWh bei Privathaushalten, die eine elektrisch betriebene Heizung nutzen, zu einer sozialen Ungerechtigkeit führt, da sie durch die Preisbremse mitunter gar nicht oder nur sehr geringfügig entlastet werden. Denn Heizstrom kann (konnte) in der Regel zu deutlich niedrigeren Preisen bezogen werden als Haushaltsstrom, gleichwohl sind auch hier die Preise stark gestiegen. Aus diesem Grund soll mit der Gesetzesnovelle für Netzentnahmestellen, die weniger als 30 000 kWh/a verbrauchen, der Referenzpreis für Heizstrom und Niedertarife (Nachtstromtarife) von 40 auf 28 Ct/kWh gesenkt werden.
Dient eine Netzentnahmestelle nicht oder nicht ausschließlich dem Betrieb einer Wärmepumpe oder Stromheizung und wird diese Netzentnahmestelle über einen tageszeitvariablen Tarif beliefert, der einen Schwachlast- oder Niedertarif und einen Hochtarif vorsieht, ergibt sich der für diese Netzentnahmestelle maßgebliche Referenzpreis einschließlich Netzentgelten, Messstellenentgelten und staatlich veranlassten Preisbestandteilen einschließlich der Umsatzsteuer aus dem gewichteten Durchschnitt von 28 Ct/kWh, gewichtet mit der zeitlichen Gültigkeit des Schwachlast- oder Niedertarifs innerhalb einer Woche, und 40 Ct/kWh, gewichtet mit der zeitlichen Gültigkeit des Hochtarifs innerhalb einer Woche.
Die Gewichtung über eine Woche soll tagesspezifische Abweichungen, beispielsweise an Wochenendtagen, berücksichtigen. Bei einer exemplarischen Schwachlastzeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr von Montag bis Sonntag beträgt die zeitliche Gültigkeit des Schwachlast- oder Niedertarifs ein Drittel innerhalb einer Woche. Entsprechend beträgt die zeitliche Gültigkeit des Hochtarif zwei Drittel. Daraus folgt in diesem Beispiel aus 28 Ct/kWh gewichtet mit einem Drittel und 40 Ct/kWh gewichtet mit zwei Dritteln, ein Referenzpreis von 36 Ct/kWh.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass für die Umsetzung der Regelung für Heizstrom (§ 5 Absatz 3 StromPBG (neu)) Haushaltsausgaben in Höhe von ca. 200 Mio. Euro anfallen. Bei einem Heizstromabsatz von 14,3 TWh an knapp 2 Mio. Marktlokationen im Jahr 2021 dürften dieser Abschätzung aber sehr optimistische Annahmen zugrunde liegenden. Realistischer erscheint eine Größenordnung von 800 Mio. bis 1 Mrd. Euro.
Es ist vorgesehen, dass die zitierten Änderungen am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Da die Entlastung von Letztverbrauchern zwar zunächst monatsweise erfolgt, jedoch abschließend über das gesamt Kalenderjahr berechnet wird, dürfte die geplante Änderung beim Heizstrom im Regelfall eine Rückwirkung ab dem 1. Januar 2023 entfalten. Der Gesetzentwurf geht jetzt in das parlamentarische Verfahren, hier kann auch noch grundlegende Änderungen beschlossen werden.
Beispielrechnung
Laut dem Monitoringbericht 2022 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts lag zum Stichtag 1. April 2022 der Bruttogesamtpreis für den Abnahmefall Nachtspeicherheizung im arithmetischen Mittel bei 25,55 Ct/kWh (zum Stichtag im Vorjahr: 23,93 Ct/kWh. Der Bruttogesamtpreis für den Abnahmefall Wärmepumpe lag zum Stichtag 1. April 2022 im arithmetischen Mittel bei 25,07 Ct/kWh (zum Stichtag im Vorjahr: 23,80 Ct/kWh.
Der Monitoringbericht 2021 wies für das Jahr 2020 für Nachtspeicher-Marktlokationen eine durchschnittliche Abnahme von rund 6500 kWh/a aus, bei Wärmepumpen waren es im Mittel 5518 kWh/a. Für das Jahr 2021 ergeben sich mit einer stark vereinfachten Witterungskorrektur extrapoliert für Nachtspeicher-Marktlokationen 7491 kWh/a und für Wärmepumpen-Marktlokationen 6359 kWh/a.
Für das gesamt Kalenderjahr 2023 ergibt sich damit für einen mittleren Wärmepumpen-Abnahmefall mit eigenem Zählpunkt mit einem vertraglichen Arbeitspreis von ≥ 40,0 Ct/kWh ungefähr:
Zusätzliche Entlastung = 0,8 ∙ 6359 kWh/a ∙ (0,40 − 0,28) Euro/kWh = 610 Euro/a
Wer für das Jahr 2023 einen vertraglichen Arbeitspreis von 34 Ct/kWh für seinen Wärmepumpenstrom vereinbart hat, würde bei sonst gleichen Annahmen auf eine Entlastung von 305 Euro kommen.
Entlastung für atypische Minderverbräuche
Mit der Novelle soll auch eine zusätzliche Entlastungsregelung für Unternehmen, die 2021 mindestens 50 % weniger Energie aufgrund staatlicher Corona-Maßnahmen oder den Flutkatastrophen verbraucht haben, eingeführt werden („Entlastung für atypische Minderverbräuche“). Hier kann es zu Härtefällen kommen, wenn Unternehmen z. B. aufgrund staatlicher Betriebsschließungen 2021 weniger Verbräuche hatten und dadurch ihr Entlastungskontingent bei den Preisbremsen erheblich reduziert wird. Bei der Anwendung des Korrekturmechanismus in den Preisbremsen sind aber beihilferechtlichen Vorgaben zu beachten.
Stimmen aus der Branche
„Es sind dauerhaft spürbare Anreize notwendig“
Der Bundesverband Wärmepumpe BWP hat die geplante Anpassung als überfällig begrüßt. BWP-Geschäftsführer Dr. Martin Sabel: „Im Schnitt der vergangenen Jahre bewegten sich Heizstromtarife in der Regel knapp über 20 Ct/kWh. Die Deckelung auf 40 Ct/kWh führte zu einer sozialen Schieflage, die nun korrigiert wurde. Das stellt eine wichtige sozialpolitische Maßnahme dar, die Endverbraucher, die bereits in eine klimafreundliche Heizung investiert haben, spürbar entlastet. Die Bundesregierung sendet damit ein klares Signal.“
Die Energiepreisbremsen sind in erster Linie eine sozialpolitische Maßnahme für die relativ kurze Geltungsdauer der staatlichen Preisbremsen. Der BWP betont jedoch, dass es nun darauf ankomme, dauerhaft spürbare Anreize für den Wechsel zum erneuerbaren Heizen mit Wärmepumpe zu setzen und Vertrauen in die zukünftige Preisentwicklung für Wärmestrom zu schaffen. Der hohe Anteil von Steuern und Umlagen am Strompreis schaffe ausreichend Spielraum, den Preis politisch zu gestalten.
Sabel: „Auch im Zuge der Debatte um das Gebäudeenergiegesetz und mögliche Mehrbelastungen der Bürger muss deshalb flankierend eine deutliche Entlastung des Strompreises in den Fokus genommen werden. Über eine Absenkung der Stromsteuer auf das zulässige Minimum von 0,1 Ct/kWh für Privathaushalte und die Absenkung der Mehrwertsteuer für Wärmestrom auf 7 % ließen sich wichtige Anreize für den Wärmepumpeneinsatz schaffen. Maßnahmen beim Strompreis setzen zudem direkt bei den Verbrauchskosten an und entlasten die Verbraucher transparent und unmittelbar.“
„Richtig Maßnahme, aber falsche Aufgabenverteilung“
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW: „Das Ziel, auch Heizstromkunden zu entlasten, ist richtig. Nicht richtig ist es, dass dies die Energieversorger übernehmen sollen. Das grundsätzliche Problem bleibt auch mit der Anpassungsnovelle bestehen: Die Bundesregierung hat immer noch kein eigenes Instrument geschaffen, um in nationalen Krisen die Haushalte in Deutschland einkommensabhängig gezielt zu entlasten. Das wäre auch ein wichtiger Faktor zur Steigerung der Krisenresilienz unseres Landes. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur die Energiepreise stark steigen lassen. Die Menschen in Deutschland sind aufgrund der Krise mit steigenden Preisen in allen Lebensbereichen konfrontiert.
Wir als Energiebranche haben aufgrund der historischen Ausnahmesituation des vergangenen Jahres die Abwicklung der Entlastungen zugewiesen bekommen, weil der Staat keine praktikable Grundlage hatte, mit denen er solche Preisbremsen oder finanziellen Hilfen direkt an die Bürgerinnen und Bürger auszahlen konnte. Das Beispiel des Energiegeldes für Studierende zeigt, dass der Staat inzwischen aber sehr wohl Systeme schaffen kann, um auf Antrag eine staatliche Unterstützung in Form von finanziellen Entlastungen an die Bürgerinnen und Bürger auszahlen zu können. Statt kleinteiligen und komplexen Nachbesserungen und Hilfskonstruktionen, die zusätzlich zu der laufenden Entlastung durch die Energieversorger umgesetzt werden sollen, sollte die Bundesregierung ein eigenes Auszahlungsinstrument wie beim Energiegeld nutzen. Dies ermöglicht der Energiewirtschaft die notwendige Konzentration auf die essentiellen Aufgaben bei der Gestaltung der Energiewende.“ ■
Quellen: BMWK, Bundesnetzagentur, BDEW, BWP / jv
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