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Energieträger

Erdgas soll früher teurer werden: Lindner kassiert 7 % MwSt. ein

mpix-foto – stock.adobe.com

Die temporäre Senkung des Umsatz­steuersatzes auf Erdgas könnte drei Monate früher als geplant enden und den Brennstoff in der verbrauchsstärksten Zeit um 11,2 % verteuern.

Mit dem Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz ist der Umsatzsteuersatz für Gaslieferungen über das Erdgasnetz und die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz befristet vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 von 19 % auf 7 % gesenkt worden.

Nun soll die temporäre Senkung des Umsatzsteuersatzes schon drei Monate früher als bisher vorgesehen beendet werden. Zuerst hat darüber die F.A.Z. berichtet und zitiert dabei aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags. „Die Bundesregierung plant, die bis zum 31.3.2024 befristete Krisenmaßnahme vorzeitig zum 31.12.2023 auslaufen zu lassen und so Spielräume für die öffentlichen Haushalte zu schaffen.“ Von dem Auslaufen wäre dann auch die Lieferung von Fernwärme betroffen. Laut F.A.Z. „verweist das Haus von Christian Lindner (FDP) auf die bestehenden Preisbremsen, die als ‚Versicherung‘ gegen hohe Energiepreise in Kraft seien. Notfalls könne man diese über den Jahreswechsel hinaus bis Ende April 2024 verlängern, um die Bürger gegen Preissprünge abzuschirmen“.

Wird die Gaspreisbremse nicht verlängert, würde das vorzeitige Ende der temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes alle Erdgaskunden mit einer um drei Monate vorgezogenen Preiserhöhung ab dem 1. Januar 2024 um 11,2 % treffen.

Der temporär abgesenkte Umsatzsteuersatz wird auch auf Flüssiggas (LPG) zu Heizzwecken angewendet. Da der Liefertermin maßgeblich ist, können Flüssiggaskunden etwas flexibler auf das tatsächliche Auslaufen der Sonderregelung reagieren. Ob sich ein vorgezogenes Nachtanken schon im Dezember rechnet, muss aber auf Basis der Lieferkonditionen, der Preissituation und des Füllstands ermittelt werden.

Gaspreisbremse entscheidet über Mehrkosten

Mit der nach aktueller Rechtslage bis zum 31. Dezember 2023 wirkenden Gaspreisbremse werden Gaspreise, die inklusive Umsatzsteuer (MwSt.) über dem Referenzpreis von 12 Ct/kWh liegen, für ein Entlastungskontingent von 80 % des „prognostizierten Verbrauchs“ kompensiert. Sparsame Erdgaskunden hatten im Jahr 2023 dadurch nur einen persönlichen Vorteil von der abgesenkten Umsatzsteuer, wenn ihr vertraglicher Arbeitspreis für Erdgas ohne Umsatzsteuer unter 11,22 Ct/kWh lag.

Momentan liegt der durchschnittliche vertragliche Gaspreis inkl. 7 % MwSt. für Haushalte nach Angaben der Vergleichsportals Verivox bei 12,18 Ct/kWh, also knapp über dem Referenzwert der Gaspreisbremse. Wird die Gaspreisbremse wie von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt bis Ostern 2024 verlängert, würde sich für Gaskunden mit entsprechenden oder teureren Verträgen bei einem weiterhin sparsamen Verhalten durch die frühere Beendigung der Absenkung der Umsatzsteuer nichts ändern.

Kunden mit günstigem Gaspreis betroffen

Die Spannbreite vertraglicher Arbeitspreise in laufenden Verträgen ist allerdings noch sehr groß. Gaskunden, die zwischenzeitlich in einen günstigeren Tarif gewechselt sind oder noch vor dem Jahreswechsel 2023/24 wechseln, wären vom vorzeitigen Einkassieren des verringerten Umsatzsteuersatzes betroffen mit und ohne Verlängerung der Gaspreisbremse.

Laut Verivox liegen zurzeit die günstigsten verfügbaren Angebote mit empfehlenswerten Bedingungen bei rund 9 Ct/kWh inkl. 7 % MwSt. Ein Wechsel zum Umsatzsteuersatz von 19 % würde dann den Gaspreis über Nacht um 11,2 % erhöhen, aber unter dem Referenzpreis der Gaspreisbremse bleiben. Die daraus resultierenden Mehrkosten müssten Gaskunden dann vollständig selbst tragen.

Welche Mehrkosten sind zu erwarten?

Welche Mehrkosten auf Gaskunden zukommen, hängt von mehreren Faktoren ab, zum einen vom individuellen Gasverbrauch und von der Witterung im ersten Quartal 2024. Im langjährigen Mittel fallen etwa 44 % des Gasverbrauchs in die Monate Januar bis März, es ist die verbrauchsstärkste 3-Monatsperiode innerhalb eines Kalenderjahrs. Legt man einen Anteil von 44 % als Prognose zugrunde, können die Mehrkosten (und damit der persönliche Beitrag zum „Spielräume für die öffentlichen Haushalte“) ermittelt werden.

Vom durchschnittlichen Gasverbrauch eines Einfamilienhauses von 20 000 kWh/a würden 8800 kWh in den Zeitraum Januar bis März 2024 fallen. Ein Arbeitspreis von 9,00 Ct/kWh inkl. 7 % MwSt. erhöht sich dann auf 10,01 Ct/kWh inkl. 19 % MwSt. Die Gaskosten steigen dann für den anteiligen Gasverbrauch von 8800 kWh in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 um 88,82 Euro.

Für den Grenzfall „Arbeitspreis liegt mit 19 % MwSt. nicht über dem Referenzpreis der Gaspreisbremse“ ergibt sich rechnerisch ein Arbeitspreis von 10,79 Ct/kWh inkl. 7 % MwSt. bzw. 12,00 Ct/kWh inkl. 19 % MwSt. Die Gaskosten steigen dann für den anteiligen Gasverbrauch von 8800 kWh in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 um 106,49 Euro.

Daraus ergibt sich ein Orientierungswert: Die Mehrkosten eines vorgezogenen Endes des temporär abgesenkten Umsatzsteuersatzes beträgt für Erdgaskunden rund 50 Euro bei einem typischen Gasverbrauch von 10 000 kWh/a (kleine Wohnung) bzw. rund 100 Euro bei 20 000 kWh/a. (Einfamilienhaus).

Im Jahr 2022 betrug der Gasverbrauch der privaten Haushalte 276 Mrd. kWh. Setzt man diesen Gasverbrauch auch für das Jahr 2024 und einen Anteil von 44 % für die Monate Januar bis März und einen Arbeitspreis von 9,00 Ct/kWh inkl. 7 % MwSt. an, würde der Wechsel zu 19 % MwSt. das Umsatzsteueraufkommen von Januar bis März 2024 nur aus dem Gasverbrauch der privaten Haushalte um 1,23 Mrd. Euro erhöhen.

Worauf sich Gaskunden allerdings ganz grundsätzlich einstellen müssen, ist das Ende der Umsatzsteuerabsenkung, ob zum 1. Januar 2024 oder erst zum 1… April 2024. Für das Beispiel Einfamilienhaus mit einem typischen Gasbezug von 20 000 kWh/a und einem aktuellen günstigen Gaspreis von 9,00 Ct/kWh inkl. 7 % MwSt. erhöht sich die Gasrechnung beim Wechsel von 7 auf 19 % Umsatzsteuer um 201,87 Euro/a. Wird Christian Lindners Plan noch gekippt, könnte der Kostenanstieg rund 90 Euro geringer ausfallen, jedoch nur im Jahr 2024.

Siehe auch: Einbau einer Öl- oder Gas-Heizung ab 2024 nur mit Warnung

Absenkung der Umsatzsteuer war eigentlich ein „Unfall“

Eigentlich war die Absenkung der Umsatzsteuer auf Erdgas nur ein „Unfall“. Sie sollte für Erdgaskunden die schon beschlossene Gasbeschaffungsumlage abfedern. Als der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe Mitte August 2022 die Höhe der Gasbeschaffungsumlage von 2,419  Ct/kWh ab dem 1. Oktober 2022 bekannt gab, liefen die Drähte heiß:

Für einen Haushalt mit einem Erdgasverbrauch von 20 000 kWh/a hätte die Erdgas-Umlage Mehrkosten von 483,80 Euro zuzüglich 91,92 Euro Mehrwertsteuer (19 %) also insgesamt 575,72 Euro bedeutet. Drei Tage später kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine zeitlich befristete Absenkung der Mehrwertsteuer „auf Gas“ auf 7 % an, „damit Gaskunden keine Mehrkosten aus der EU-rechtlich erforderlichen Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage auferlegt werden“.

Mit der geplanten Übernahme von Uniper durch den Bund kamen aber schnell Bedenken auf, ob dann die Erdgas-Umlage rechtlich noch zu vertreten ist. Das Bundeskabinett hat dann am 30. September 2022 im Umlaufverfahren die Verordnung zur Aufhebung der Gaspreis­anpassungs­verordnung beschlossen und die Erdgas-Umlage damit rückabgewickelt. Am gleichen Tag hatte der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ beschlossen und dies trotz des entfallenen Zwecks nicht mehr korrigiert. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums hat die Absenkung dann sogar noch auf Flüssiggas (LPG) für Heizzwecke ausgedehnt.

Weitere Bewegungen beim Gaspreis

Für Gaskunden werden das Ende der abgesenkten Umsatzsteuer und das Auslaufen der Gaspreisbremse nicht die einzigen Preissignale im Jahr 2024 sein. Die Bundesregierung hat auch angekündigt, den CO2-Preis stärker als bisher festgeschrieben anzuheben und Anfang 2025 nochmals nachzulegen. Mit einer Erhöhung von 30 auf 40 Euro/tCO2 würde die CO2-Kosten im Jahr 2024 um 0,18 Ct/kWh und bei einem Gasverbrauch von 20 000 Euro/a um 36,28 Euro inkl. 19 % MwSt. steigen und dann einen Kostenanteil von insgesamt 145,11 Euro/a haben.

Allerdings wurde zuletzt auch die sogenannte Bilanzierungsumlage ab Oktober 2023 von 5,7 Euro/MWh auf Null gesenkt. Bei einem Gasverbrauch von 20 000 kWh/a entspricht dies Minderkosten von 121,98 Euro/a inkl. 7 % MwSt. bzw. 135,66 Euro/a inkl. 19 % MwSt. Eine Weitergabe in laufenden Verträgen erfolgt in der Regel allerdings nicht automatisch. Und die Weitergabe kann Gaslieferanten vor ein schwer lösbares Dilemma stellen: Bei einer Preisänderung haben die Gaskunden ein Sonderkündigungsrecht und eine Gaslieferung für den Kunden, die mit hohen Preisen abgesichert wurde, würde plötzlich keinen Abnehmer mehr haben. ■
Quellen: F.A.Z., BMF, Verivox, eigene Berechnungen / jv

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