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Gebäudeenergiegesetz

Bundestagsausschuss schleift EH55-Standard im GEG

mdaake – stock.adobe.com

Die Verschärfung des Neubaustandards ab 2023 im Gebäudeenergiegesetz wird voraussichtlich nur eine Senkung des zulässigen Primärenergiebedarfs umfassen.

Eigentlich schien alles klar zu sein: Der bereits im November 2021 angekündigte und mit viel Tohuwabohu im Frühjahr 2022 realisierte Auslauf der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) aller Effizienzhaus-55-Stufen im Neubau sollte eine „klimapolitische Fehlsteuerung der letzten Jahre“ (BMWK) korrigieren, da sich der EH55-Standard im Neubau bereits als Standard in der Praxis durchgesetzt hatte.

Um bis zur im Ampel-Koalitionsvertrag geplanten Einführung des Effizienzhaus-40-Standards (EH-40) ab 2025 als gesetzlichen Neubaustandard einen Rückfall auf den bisherigen gesetzlichen Standard (Effizienzhaus-75) zu verhindern, sollte als Zwischenschritt der gesetzliche Neubaustandard zum 1. Januar 2023 auf den Effizienzhaus-55-Standard angehoben werden.

Eine Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes sah analog der ausgelaufenen Effizienzhaus-55-Definition in der BEG vor, dass

a) der zulässige Primärenergiebedarf eines zu errichtenden Gebäudes von bisher 75 % des Primärenergiebedarfs des Referenzgebäudes auf 55 % reduziert wird, und 

b) zur Verschärfung der Hüllanforderungen bei Wohngebäuden der HT‘-Wert (auf die Fläche gemittelter Durchschnittswert der U-Werte der einzelnen Hüllen-Bauteile) von 1 auf 0,7 reduziert wird, und 

c) das in Anlage 5 GEG geregelte vereinfachte Nachweisverfahren für Wohngebäude (inkl. eines Entfalls aller Anlagenvarianten für Brennwertgeräte zur Verfeuerung von Erdgas oder leichtem Heizöl sowie lokaler Kraft-Wärme-Kopplung) angepasst wird und

d) für Nichtwohngebäude die zulässigen mittleren U-Werte der Bauteilgruppen verschärft werden.

Soweit der Plan der Bundesregierung. Eine am 5. Juli 2022 bekannt gewordene und noch am gleichen Tag vom Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie in eine Beschlussempfehlung (hier ab Seite 270) übernommene Änderung der Formulierungshilfe streicht unter anderem die Punkte b) und d) mit den strengeren Hüllflächenanforderungen ersatzlos.

Bundestag wird wohl einen „GEG-55-Standard“ beschließen

Somit wird der Bundestag voraussichtlich am 7. Juli 2022 nach der zweiten und dritten Beratung eine Verschärfung des Neubaustandards ab 2023 im Gebäudeenergiegesetz beschließen, die fast allein auf einer Reduzierung des Primärenergiebedarfs basiert und keine Verringerung der Transmissionswärmeverluste gegenüber dem aktuellen Standard vorschreibt. Im Vergleich zu bis dato errichteten Gebäuden mit förderfähigem EH-55-Standard können nach dem „GEG-55-Standard“ errichtete Gebäude einen höheren Primärenergiebedarf aufweisen, weil häufig die Hüllflächenanforderung der reglementierende Faktor war.

Offen ist allerdings, in welchem Umfang Bauherren davon Gebrauch machen, da Energiekosten für Neubauprojekte in den nächsten beiden Jahren eine ganz andere Bedeutung als bisher haben werden und bereits den aktuellen Hüllflächenanforderungen eigentlich aus der Zeit gefallene Bauteilqualitäten zugrunde liegen.

Zwar hatte sich schon nach der Anhörung zum EH-55-Neubaustandard Widerstand in den Reihen der Ampelkoalition angedeutet, die Branche ist vom Schleifen des EH55-Standards auf den letzten Metern aber überrascht worden. Entsprechend fällt die Kritik aus:

Stimmen aus der Branche

GIH: „Effizienzhaus-55-Anforderungen eins zu eins in GEG übernehmen“

Jürgen Leppig, Bundesvorsitzende des Energieberaterverbands GIH: „Eine Erhöhung des Mindeststandards ist grundsätzlich sinnvoll und klimapolitisch unbedingt geboten. Allerdings reduziert nur eine effiziente Gebäudehülle den Energiebedarf einer Immobilie nachhaltig – sie ist entscheidend dafür, wie viel Energie ungenutzt nach außen verpufft. Durch den Verzicht auf Anforderungen an die Hülle wird der Energieverbrauch des Gebäudes im Gesetzesentwurf im Vergleich zum derzeit geltenden Recht nicht reduziert. Lediglich die Anforderungen an die Haustechnik sind durch den somit verpflichtenden Einsatz erneuerbarer Energien gestiegen.

Mit Blick auf die aktuelle Energieproblematik mit exorbitant gestiegenen Energiekosten wäre es aber angebracht, an jeder möglichen Stelle Energie einzusparen. Denn: Mit der durch moderne Gebäudetechnik zusätzlich erzeugten Energie ließe sich weit Besseres anfangen, als sie sogleich über eine schlechte Gebäudehülle wieder zu verlieren – und das über die kommenden Jahrzehnte hinweg. Wir fordern den Gesetzgeber darum auf, die Anforderungen des Effizienzhauses 55 in das GEG eins zu eins zu übernehmen: sowohl beim Einsatz erneuerbarer Energien als auch bei der Gebäudeeffizienz.“

BuVEG „Tragischer Rückschritt für klimaneutralen Gebäudesektor“

Aus Sicht des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) wirft der GEG-Gesetzentwurf die Anstrengungen für einen klimaneutralen Gebäudesektor erneut zurück. Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des BuVEG: „Der Gesetzentwurf ist ein tragischer Rückschritt für das Ziel, den hohen Verbrauch im Gebäudesektor endlich zu senken. Der darin geplante Neubaustandard ist unter dem Strich schlechter als der aus der gerade abgelaufenen Effizienzhausförderung 55. Demnach müssten die Gebäude mit dem neuen Standard bis 2045 noch einmal angefasst werden. Das ist geradezu absurd. Geplant ist zwar, die Anforderung an die Primärenergie auf das Niveau Effizienzhaus 55 zu verschärfen, aber die entsprechenden Anforderungen an die Gebäudehülle werden nicht nachjustiert. Damit wird der bereits geförderte Standard nicht nur unterboten, er wird faktisch konterkariert.

Außerdem lässt der Gesetzentwurf gänzlich ein Einsparkonzept für den Gebäudebestand vermissen: Fast ein Drittel der Wohngebäude befindet sich immer noch in den schlechtesten Effizienzklassen und verursacht die Hälfte aller Emissionen (so genannte worst performance buildings). Das große Einsparpotenzial, das hier schlummert, wird unverständlicherweise völlig außer Acht gelassen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht nur wenig ambitioniert, er ist ein fatales Signal für das Ziel eines klimaneutralen Gebäudesektors.“

LichtBlick: „Koalition verpatzt Neustart für Klimaschutz bei Gebäuden“

Der Ökostrom-Anbieter LichtBlick bewertet die im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie beschlossene Änderung des Gebäudeenergiegesetzes als vertane Chance. Der Abschied vom Erdgas sei klimapolitisch geboten und stehe spätestens seit der russischen Invasion in die Ukraine ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Wer aber glaubte, die Ampelkoalition würde mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) die dringend erforderliche Elektrifizierung des Wärmesektors angehen, werde nun getäuscht.

Corine Veithen, Klimaexpertin bei LichtBlick: „Trotz eines Ökostromanteils im Netz von 49 % wird Strom bei der Energiebilanz von Gebäuden weiterhin schlechter eingestuft als Erdgas und Heizöl. Diese Regel gilt sogar, wenn die Wärmepumpe zu 100 % mit klimaneutralem Ökostrom betrieben wird. Einzige Ausnahme sind Großwärmepumpen, die jedoch im Markt bislang keine Rolle spielen. Die Benachteiligung von Strom ist fachlich nicht nachvollziehbar und ein dicker Hemmschuh für den Wärmepumpen-Markt.“

„DUH: Ein Sieg für die Wohnungswirtschaft“

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Ich bin fassungslos. Obwohl die Klimaziele im Gebäudesektor das zweite Jahr in Folge gerissen wurden, ist von der angekündigten Anhebung des Neubaustandards nicht viel Wirksames für den Klimaschutz übriggeblieben. Ich finde es vollkommen unverständlich, dass Klimaminister Habeck und Bauministerin Geywitz angesichts der aktuellen Energiekrise nicht vehement für eine Anpassung der Gesetzgebung kämpfen, die wirksam Energie spart.

Entgegen der öffentlichen Lippenbekenntnisse zeigt der vorliegende Gesetzesentwurf schwarz auf weiß, dass diese Regierung nicht bereit ist, auch nur kleinste Schritte zu machen, um Verbraucher vor explodierenden Energiepreisen zu schützen. Offenbar haben die Regierungsparteien nicht verstanden, dass nur mit der Reduktion des Energieverbrauchs das Problem an der Wurzel gepackt wird. Diese Entwicklung wirft einen langen, dunklen Schatten auf die Klimaschutzvorhaben der Ampel-Koalition im Gebäudesektor. Das ist ein Sieg für die Wohnungswirtschaft, die seit Jahren massiv gegen verbesserte Anforderungen der Gebäude lobbyiert.“ ■
Quellen: Bundestagsdrucksachen, GIH, BuVEG, LichtBlick, DUH / jv

Im Kontext:
GEG 2025 / BEG 2025: Wie man die Energie- und Wärmewende beschleunigt