Die Regierungsfraktionen haben sich auf Leitplanken zur Beratung des Gebäudeenergiegesetzes geeinigt. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander.
Am 13. Juni 2023 hat sich die Ampel-Koalition nach einem langen Ringen um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes auf einen Kompromiss geeinigt. Tatsächlich umfasst die Einigung, in die sich zuletzt auch Bundeskanzler Olaf Scholz eingeschaltet hatte, jedoch nur Leitplanken, zumindest lautet ihr Titel: „Leitplanken der Ampel-Fraktionen zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“
Diese Eckpunkte sollen nun von den Ampel-Fraktionen in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden, um den wochenlang von der FDP blockierten Gesetzentwurf für die GEG-Novelle abzuändern, damit dieser noch vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossen werden kann. Theoretisch ist auch noch ein Beschluss des Bundesrats vor der Sommerpause in der Plenarsitzung am 07. Juli 2023 möglich (die GEG-Novelle ist ein Einspruchsgesetz).
Zum weiteren Zeitplan: Zunächst befasst sich der Ausschuss für Energie und Klimaschutz mit der GEG-Novelle (voraussichtlich schon am 14.06.2023). Am 15. oder 16.06.2023 dürfte die 1. Lesung im Bundestag folgen. Nach einer öffentlichen Anhörung, etwa am 21.06.2023, müsste zum 04.07.2023 die Ausschussempfehlung für die 2. und 3. Lesung samt Abstimmung im Bundestag am 05. oder 06.07.2023 vorliegen.
Zu den Eckpunkten gehört jedenfalls, dass die GEG-Novelle am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Die Pflichten greifen dann aber zunächst nur für Neubauten / Neubauten in Neubaugebieten. Für bestehende Gebäude bzw. die Heizungsmodernisierung greifen die Pflichten mit entsprechenden Übergangsfristen erst, wenn die jeweilige Kommune ihre Wärmeplanung vorgelegt hat – zu der sie mit dem noch zu beschließenden Gesetz zur Kommunalen Wärmeplanung verpflichtet werden soll – voraussichtlich bis spätestens 2028.
Das bedeutet: Die 65-%-EE-Pflicht beim Heizungstausch wird in jeder Kommune zu einem anderen Zeitpunkt in Kraft treten. In benachbarten Kommunen kann sich das Inkrafttreten (nach aktueller Planung) um bis zu fünf Jahre unterscheiden.
Kommunale Wärmeplanung
Fünf Jahre sind eine lange Zeit. In vielen Statements wird sie als verschwendet bezeichnet werden. Fragt sich nur, wer am Ende Gewinner und wer Verlierer ist. 2022 hat die Sanierungsquote bei Heizungsanlagen an der 5-%-Marke gekratzt und der Austausch von alten Gas-Heizungen gegen Wärmepumpen wird momentan mit bis zu 40 % der (allerdings zurzeit überhöhten) Investitionskosten gefördert.
Angesichts des hohen Kostenrisikos bei Gas-Heizungen und leitungsgebundener (Fern)Wärme in der Zukunft und der geringeren Gesamtkosten einer Wärmepumpe während der Nutzungsdauer werden viele Gebäudeeigentümer in den kommenden Jahren auf eine Wärmepumpe wechseln und „Löcher“ bei der kommunalen Wärmeplanung hinterlassen. Je geringer die Energieabnahmedichte ist, desto unwahrscheinlich wird es, dass sich Gas- und Wärmenetze rentieren.
Werden die Eckpunkte umgesetzt, wird die jeweilige Kommunale Wärmeplanung bei Gas-Heizungsbesitzern jedenfalls eine bisher unerwartet hohe Aufmerksamkeit erfahren. Solange die Kommunale Wärmeplanung nicht vorliegt, kann auch ein Heizungstausch mit einer günstigen Standard-Gas-Heizung vorgenommen werden. Der vorsorgliche Austausch gegen eine „auf Wasserstoff umrüstbare Gas-Heizungen“ wäre auch kaum realistisch, bisher werden sie nur in Kleinstserien produziert. Gas-Heizungen ohne diese Fähigkeit dürfen ab dem 1. Januar 2024 auch eingebaut werden, wenn bereits eine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, die kein klimaneutrales Gasnetz vorsieht. Dann sind aber Brennstoffanforderungen zu erfüllen.
Gas-Heizungen
Die Eckpunkte staffeln die Anforderungen bei Gas-Heizungen in Abhängigkeit von der Kommunalen Wärmeplanung, wobei private und öffentliche Gebäude gleichbehandelt werden sollen.
Solange keine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, sollen wie oben beschrieben beim Heizungstausch die Regelungen des (neuen) GEG noch nicht gelten. In Neubaugebieten sollen die GEG-Regeln unmittelbar ab dem 1. Januar 2024 gelten. Bei Neubauten dürfen dann weiterhin Gas-Heizungen eingebaut werden, wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind (100-%-H2-ready-Gas-Heizungen). Diese Anforderung soll auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten gelten.
Liegt eine Kommunale Wärmeplanung vor und sieht ein klimaneutrales Gasnetz vor, können – neben allen anderen Erfüllungsoptionen – weiterhin Gas-Heizungen eingebaut werden, wenn diese auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden können (100-%-H2-ready-Gas-Heizungen).
Sieht die Kommunale Wärmeplanung kein klimaneutrales Gasnetz vor, sollen auch weiterhin Gas-Heizungen eingebaut werden dürfen, wenn sie mit mindestens 65 % Biomethan oder anderen grünen Gasen betrieben werden (Massenbilanzverfahren).
Dass die Technologieoffenheit ein zweischneidiges Schwert ist, zeigt auch eine in den Eckpunkten vorgesehene Beratungspflicht: „Ab 1.1.2024 darf der Verkauf von entsprechenden Heizungen [Anm. d. Red.: mutmaßlich sind 100-%-H2-ready-Gas-Heizungen gemeint] nur stattfinden, wenn eine Beratung erfolgt, die auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und die mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist.“
Zudem: „Darüber hinaus wird es entsprechende Aufklärungskampagnen über CO2-Bepreisung und Klimaschutzgesetz geben.“
Holzheizungen und Transformationspläne
Die Eckpunkte sehen zudem vor:
● „Beim Umstieg auf klimaneutrale Heizungssysteme sollen die verschiedenen Optionen gleichwertig behandelt werden, um den regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen. Die Erfüllungsoptionen sollen praxistauglich sein und Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Bedingungen zur Erreichung des 65-%-Ansatzes werden einheitlich für Neubau und Bestand überarbeitet.“
● „Heizungen, die mit Holz und Pellets betrieben werden, erfüllen die 65-%-Vorgabe ausnahmslos. Beim Einsatz von Holz und Pellets sind Fehlanreize zu vermeiden.“
● „Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Transformationspläne entfallen. Stattdessen müssen die Kommunen und Betreiber einen verbindlichen Fahrplan mit verbindlichen und nachvollziehbaren Zwischenzielen (Monitoring) zum Hochlauf des Wasserstoffs bis 2045 vorlegen, um die Transformation des Gasnetzes zu gewährleisten.“
● „Unnötige ordnungsrechtliche Vorgaben, die weder zur Erfüllung der 65-%-Anforderung benötigt werden noch Bestandteil von Vereinbarungen der Koalition sind, werden gestrichen.“
Zwei weitere Eckpunkte machen Vorgaben für das Vermieter-Mieter-Verhältnis und kündigen eine (eigentlich bereits angekündigte) Heizungsförderung an, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird und die möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft berücksichtigen soll. Weiter heißt es: „Wir wollen niemanden zu etwas verpflichten, das in der jeweiligen Lebenslage nicht leistbar ist. Darum werden die Ausnahmeregelungen, wie z. B. die Regelung zur 80-Jahres-Grenze, überarbeitet und plausibler gestaltet.“
„Demokratie braucht Kompromisse“
Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zu der erzielten Einigung: „Das Verhandlungsergebnis ist ein gutes und ich bin zufrieden. Das Gebäudeenergiegesetz wird aufgesetzt mit dem Ziel, es vor der Sommerpause zu verabschieden. Damit ist ein wichtiger Meilenstein für die Wärmewende erreicht. Das Gebäudeenergiegesetz kommt, der Kern ist gewahrt. Das ist gut und wichtig für die Planungssicherheit für die Bürger, die Wirtschaft und die Kommunen.
Die Wärmewende ist praktikabel, Klimaschutz wird konkret, das klare Signal für den Umstieg auf klimafreundliches Heizen wird gesetzt. Dabei geben wir den Menschen mehr Zeit und verzahnen die kommunale Wärmeplanung besser mit dem Gebäudeenergiegesetz. Das finde ich richtig und ist in ganz in meinem Sinne. Insgesamt gibt die Einigung die Chance, die Debatte zu befrieden und den gesellschaftlichen Rückhalt für Klimaschutz zu stärken. Dass sich in den intensiven Verhandlungen alle Seiten bewegen mussten, gehört dazu. Das war wichtig, um die Handlungsfähigkeit der Regierung herzustellen. Demokratie braucht Kompromisse, und es ist gut, wenn wir sie herstellen können.“
PDF-Download: Leitplanken der Ampel-Fraktionen zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes
Stimmen aus der Branche
„Ampel-Einigung ist Tiefpunkt für die Klimapolitik“
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Dieses Gebäudeenergiegesetz ist kein Meilenstein, sondern ein Tiefpunkt für die Klimapolitik dieser Bundesregierung. Am schwersten wiegt, dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden auf einen Zeitpunkt nach 2028 und damit auf eine nächste Regierung verschoben wird und das sogar bei einem großen Teil der Neubauten, wo es besonders einfach umsetzbar ist.
Das ist klimapolitischer Irrsinn! Darüber hinaus wird das Märchen von wasserstofffähigen Gas-Heizungen aufrechterhalten und die klima- und umweltschädliche Verbrennung von Holz ermöglicht. Gas-Heizungen können sogar bis 2045 mit fossilem Gas betrieben werden, wenn Sie nur einen Sticker ‚H2-ready‘ tragen. Müllverbrennung wird entgegen jeder Vernunft weiterhin als angeblich erneuerbare Energie geadelt.
Diese Einigung trägt die Handschrift der FDP, die sich an entscheidenden Punkten durchsetzen konnte. Der Klimaschutz bleibt dabei auf der Strecke und die Verbraucher werden weiterhin mit dem Risiko hoher Energiekosten ihrer Gas-Heizungen alleine gelassen. Wir fordern die Abgeordneten des Bundestages auf, dieses Gesetz mit diesen katastrophalen Folgen abzulehnen.“
„Diskussionen hatte bereits Spuren im Markt hinterlassen“
Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) hat die Einigung begrüßt, da die Branche, das Fachhandwerk und die Verbraucher damit die dringend benötigte Klarheit über die künftigen Anforderungen bekommen. Die Diskussion der vergangenen Monate hatte laut BDH zu einer massiven Verunsicherung bei den Stakeholdern geführt und bereits Spuren im Markt hinterlassen.
Die nun von den Regierungsparteien kommunizierten Leitplanken seien ein wichtiger erster Schritt mit positiven Ansätzen, die es jetzt in ein praktikables Gesetz zu überführen gilt, so der Verband. Die Leitplanken würden den Weg hin zu mehr Flexibilität für die Verbraucher auf der Zeitachse öffnen und die Möglichkeit stärken, auf Basis einer Beratung die optimale gebäudeindividuelle Lösung zu finden.
Auf dem Weg dorthin gelte es, die Menschen durch eine transparente und wirkungsvolle Förderung zu unterstützen. Hier bedarf es dringend an Klarheit seitens des Gesetzgebers, damit die Hauseigentümer weiter in die Wärmewende investieren können, mahnt der BDH. Die positive Entwicklung bei der Heizungsmodernisierung der vergangenen drei Jahre gelte es fortzuführen.
Als positiv wertet der Verband auch die Einbeziehung des gesamten technologischen Lösungsangebots. Gerade bei der Holzwärme würden die Ansätze zu mehr Akzeptanz der Wärmewende im ländlichen Raum beitragen. Darüber hinaus sei die nun vorgesehene enge Verzahnung des GEG mit der kommunalen Wärmeplanung als Chance zu begreifen. Bei der Kommunalen Wärmeplanung sei es wichtig, ergebnisoffen alle örtlichen Gegebenheiten wie die vorhandenen Infrastrukturen, zentrale wie dezentrale Versorgungslösungen, erneuerbare Energie- und Wärmequellen sowie die Struktur des Gebäudebestands und des Gewerbes bzw. Industrie in die Betrachtung einzubeziehen.
„Die Streichung der Transformationspläne macht die Umsetzung praktikabler“
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW: „Es ist gut, dass sich die Koalition auf den letzten Metern vor der Sommerpause geeinigt hat und das Gesetzgebungsverfahren nun doch noch starten kann. Die Punkte, auf die sich die Koalition geeinigt hat, verbessern das Gesetz entscheidend.
Positiv ist insbesondere die geplante Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung bei der Umrüstung von Bestandsgebäuden. Auch die Öffnung der Erfüllungsoptionen hin zu Holzpellets und die Streichung der Transformationspläne macht die Umsetzung des Gesetzes für alle Beteiligten praktikabler. Nun geht es darum, die Einigung der Koalition im Gesetz umzusetzen.“
„In erster Linie eine Aufschiebung von Planungssicherheit“
Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP): „Die Einigung der Ampel-Fraktionen bedeutet in erster Linie eine Aufschiebung von Planungssicherheit für Industrie, Handwerk und Verbraucher. Bis zum Vorliegen von kommunalen Wärmeplänen erhalten die Betroffenen keine Orientierung, welche Heizungssysteme sie im Falle eines anstehenden Heizungstauschs auf den Weg zur Klimaneutralität bringen. Die Verantwortung liegt damit in erster Linie bei Verbrauchern und Kommunen.
Unstrittig ist, dass der Umstieg zu Wärmepumpen in jedem Fall die zentrale Lösung für Klimaschutz und die Vermeidung von Kostenbelastungen ist. Mit dem bevorstehenden Anstieg des CO2-Preises ist die Entscheidung für eine mit fossilen Energieträgern betriebene Heizung unvermeidbar mit hohen Kostenrisiken verbunden.
Die Wärmepumpenbranche erhält mit diesen Leitlinien keine verlässlichen Rahmenbedingungen für den mit der Bundesregierung bereits vereinbarten Hochlauf von Produktions- und Installationskapazitäten. Für den Industriestandort Deutschland kommt es bei Klimaschutztechnologien jetzt drauf an, dass die Bundesregierung über richtungsweisende Verhältnisse bei den Energiepreisen sowie Förderprogrammen deutlich macht, dass sie Investitionen in den Umstieg zu erneuerbaren Energien ausdrücklich unterstützt. Das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2045 braucht dringend ein verlässliches industriepolitisches Fundament.“
„Jetzt sind die Fraktionen gefragt, das Gesetz auf den Weg zu bringen.“
Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE): „Mit der Einigung hat die Ampel-Koalition ihr Ziel, das Gebäudeenergiegesetz bis zur Sommerpause zu verabschieden, umgesetzt. Der Einbau klimafreundlicher Heizungen wird ab dem 1. Januar 2024 für Neubauten Pflicht, im Bestand wird der Austausch an die Kommunale Wärmeplanung gekoppelt. Diese ist bereits in vielen Bundesländern in der Planung und soll jetzt auch durch ein Bundesgesetz geregelt werden. Damit werden wichtige Grundlagen für die Wärmewende vor Ort gelegt.
Auch soziale Härten sollen weiter abgefedert werden. Sicherheit bringen die Leitplanken auch in Bezug auf den Zeitplan und die Bandbreite an erneuerbaren Technologien, die ausgereift und verlässlich zur Verfügung stehen – von Wärmepumpen über Bioenergie und Solarthermie bis hin zur Geothermie. Jetzt sind die Fraktionen gefragt, das Gesetz auf den Weg zu bringen.“
„Flickenteppich und Attentismus drohen“
Stefan Bolln, Bundesvorsitzender des Energieberatendenverbands GIH: „Dass das Gesetz noch vor der Sommerpause ins parlamentarische Verfahren geht, ist eine gute Sache. Unbestreitbar ist auch, dass Wärmenetze ein wichtiges Instrument für die Energiewende sind – vor allem in dicht besiedelten Ballungsräumen. Der nun gefundene Kompromiss, der ja in vielen Fällen den Einbau von Gasheizungen bis 2028 erlaubt, bedeutet jedoch eine erhebliche Verschleppung. Außerdem droht ein bundesweiter Flickenteppich: Ob ein Fernwärmeanschluss, eine Wärmepumpe oder gar eine andere Heiztechnologie die richtige Lösung ist, hängt wesentlich von meist noch nicht abgeschlossenen Planungen einzelner Kommunen ab.
Dies birgt zwei Gefahren: Zum einen könnten Hausbesitz die lange Übergangsfrist als letzten Freischuss für eine Gas-Heizung verstehen – was sich freilich in Anbetracht der zu erwartenden CO2-Preise als Kostenfalle entpuppen kann. Zum anderen dürfte die noch über mehrere Jahre fehlende Planungssicherheit Attentismus motivieren: Solange nicht klar ist, welche Heizung am konkreten Standort am besten geeignet ist, wird erstmal abgewartet.
Ein Problem, vor dem auch wir als Energieberater stehen werden: Dass der neue Entwurf für jeden Heizungstausch ab 2024 eine Beratung vorsieht, die auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und eventuelle Unwirtschaftlichkeit hinweist, ist vom Grundsatz her vollkommen richtig. Aber was soll man seinen Kunden unter solch unklaren Bedingungen raten? Bei Sanierungen könnte der Ansatz darin bestehen, sich zunächst durch Maßnahmen an der Gebäudehülle auf die Senkung des Energieverbrauchs zu konzentrieren – was ja sowieso immer an erster Stelle stehen sollte – und mit dem Heizungstausch so lange zu warten, bis die Kommune ihre Pläne klar hat. Was nicht das ist, was der Gesetzgeber eigentlich will, aber das, was er mit seinem Kompromiss fast schon zwangsläufig produziert.“
„Wichtige Schritte in die richtige Richtung“
Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK): „Die von uns wiederholt mit pragmatischen Verbesserungsvorschlägen eingebrachten Erfahrungen des umsetzenden Fachhandwerks wurden endlich zum Teil aufgegriffen. Technologievielfalt, die einen breiten, gleichberechtigten Einsatz aller Erfüllungsoptionen mit erneuerbaren Energieträgern ermögliche, pragmatische Übergangsfristen in enger Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung sind wichtige Schritte in die richtige Richtung.“
Ebenso wichtig bleibe jedoch, die Umsetzung mit möglichst geringem bürokratischem Rahmen zu versehen. Möglichst einfache Verfahren zur Beratung und zum Nachweis der Einhaltung der Erfüllungsoptionen mit einer zum neuen GEG passenden Förderkulisse vor dem Inkrafttreten des GEG, seien hierfür zwingend erforderlich.
Bramann: „Bundestag und Bundesregierung sind nun gefordert, zügig zu liefern, damit ein Abriss auf dem Umsetzungsweg der Treibhausgasneutralität im Gebäudebereich vermieden wird.“
„Fristen nochmals diskutieren“
Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung: „Die Einigung der Ampelkoalition zum GEG bedeutet in erster Linie eine Verlangsamung der dringend nötigen Wärmewende im Gebäudesektor – dem Sektor, der immerhin für ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist. Die Synchronisierung der kommunalen Wärmeplanung mit dem GEG ist nachvollziehbar, aber zeitlich viel zu großzügig bemessen. Die Planungs- und Investitionsunsicherheiten für Hersteller, Gebäudeeigentümer und Verbraucherinnen und Verbraucher setzen sich damit fort.
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie fordert deshalb vor der ersten Lesung im Bundestag, dass insbesondere die erheblich erweiterten Fristen nochmals diskutiert werden. Klimaschutz duldet kein Zögern. Die notwendige Wärmewende darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Um die Klimaziele nicht aus den Augen zu verlieren, müssen auch Fern- und Nahwärme schneller klimaneutral produziert werden. Dazu muss der Fokus nochmals mehr auf die Elektrifizierung auf Basis erneuerbarer Quellen gelegt werden einschließlich der effizienten Nutzung von Umweltwärme.
Wichtig ist zudem, dass der Umstieg im Wärme- und Gebäudesektor attraktiv gestaltet wird. Dazu zählt in erster Linie, den Strompreis endlich von bestehenden Umlagen und Abgaben, wie der Konzessionsabgabe, zu entlasten und die Stromsteuer auf europäisches Mindestmaß zu senken.“
„Das wird die Wärmewende beschleunigen“
Dr. Timm Kehler, Vorstand Zukunft Gas: „Auf Basis der jetzt erzielten Einigung wird ein pragmatischer und wirkungsvoller Start der Wärmewende möglich. Wir begrüßen, dass die Regierungsfraktionen anerkennen, welche wichtige Rolle die neuen Gase wie Wasserstoff zur Sicherung der Resilienz auch im Wärmemarkt spielen können. Positiv zu vermerken ist auch, dass die Ampel unseren Empfehlungen folgt, die kommunale Wärmeplanung vorzuziehen. So wird eine klare Grundlage geschaffen für ein abgestimmtes Vorgehen auf kommunaler Ebene.
Der Kompromiss erlaubt mehr Flexibilität bei den Umstellungsanforderungen von Netzen auf Wasserstoff und er verzichtet auf unnötige ordnungsrechtliche Vorgaben. Das wird die Wärmewende beschleunigen. Die vergangenen Wochen waren geprägt von großer Unsicherheit, bei den Verbrauchern, bei den Herstellern und bei den Kommunen. Damit diese Unsicherheit nun schnell beseitigt wird, hoffen wir nun auf eine zügige Umsetzung der Eckpunkte in einen konkreten Gesetzesentwurf.“
„Das Risiko einer eskalierenden Klimakrise wird verstärk“
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Eine Koalitionskrise scheint abgewendet, aber das Risiko einer eskalierenden Klimakrise wird durch solches Handeln verstärkt. Das Bundesverfassungsgericht ist in seinem Klimabeschluss eindeutig: Klimamaßnahmen dürfen nicht einseitig zu Lasten der Freiheitsrechte jüngerer Generationen in die Zukunft verschoben werden. Genau das tut aber die gestrige Einigung. Statt einen klaren Fahrplan zum Erreichen der Klimaziele für 2030, 2040 und 2045 im Gebäudesektor zu schaffen, verschiebt sie das Handeln im Gebäudebestand um Jahre und lässt den Einbau von Gas-Heizungen zunächst noch zu. Die Geschwindigkeit der Emissionsreduktion bleibt offen.
Wie im Verkehrssektor drohen nun auch im Gebäudebereich weitere Jahre des Stillstands und das Erreichen der Emissionsminderungsziele für 2030 rückt in weite Ferne. Das von Klara Geywitz und Robert Habeck im Juli 2022 vorgelegte Gebäudesofortprogramm, schon damals vom Expertenrat für Klimafragen als unzureichend gerügt, wird durch die gestrige Entscheidung vollkommen entkernt.
Die Entscheidung, dass beim Heizen ein Weiter so erst mit Gas und später mit Wasserstoff möglich sein soll, droht für die Menschen durch massiv steigende CO2-Preise und teurem weil knappen Wasserstoff zur Kostenfalle zu werden. Das parlamentarische Verfahren zum GEG und zur kommunalen Wärmeplanung muss nun genutzt werden, um die offenen Fragen des gestrigen Beschlusses im Sinne von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zu beantworten.
Zwingend ist erstens, nun die Unabhängigkeit der kommunalen Wärmeplanung sicherzustellen, da viele Stadtwerke ein wirtschaftliches Eigeninteresse haben. Um Menschen vor Fehlinvestitionen zu schützen, muss zweitens geklärt werden, was mit in den kommenden Jahren neu gebauten Gas-Heizungen passieren wird, wenn der Gasnetzbetreiber keine Transformation zu grünem Wasserstoff plant.
Drittens besteht jetzt die Chance, durch eine intelligente Förderkulisse sowohl den Ausbau von erneuerbaren Wärmenetzen schnell zu ermöglichen als auch Menschen mit wenig Geld eine wärmepumpentaugliche Teilsanierung und den Einbau einer Wärmepumpe zu ermöglichen. Das erfordert zum einen, die gestern beschlossene soziale Ausrichtung der Förderprogramme ernst zu nehmen und auf das Prinzip Gießkanne zu verzichten. Und zum anderen, durch die bessere Nutzung von Energieeinspar-Contracting mit zinsvergünstigten Bausparkrediten die Investitionen auch für Menschen sozialverträglich zu ermöglichen, die sonst nicht das Geld dafür hätten.“ ■
Quellen: „Leitplanken der Ampel-Fraktionen“, BMWK, DUH, BDEW, BEE, BWP, Zukunft Gas, Germanwatch, ZVSHK, GIH, ZVEI / jv
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