Das Bundeskabinett hat am 6. April 2022 das von Vizekanzler und Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck vorgeschlagene Osterpaket zur Beschleunigung des Zubaus erneuerbarer Energien verabschiedet.
Aus Sicht der Bundesregierung ist das Energiewende-Osterpaket die größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten. Dabei werden mehrere Energiegesetze umfassend novelliert, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und konsequent voranzutreiben. Um dies einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf die Stellungnahme der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die in den letzten Jahren selten Lob für die Energiepolitik aus Berlin spendete: „Bei den erneuerbaren Energien ist das Osterpaket ein großer Sprung nach vorn.“
Und so bewertet Robert Habeck die Gesetzesnovelle: „Das Osterpaket ist der Beschleuniger für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir werden den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt fast verdoppeln. Wir verdreifachen die Geschwindigkeit beim Erneuerbaren-Ausbau – zu Wasser, zu Land und auf dem Dach. Die erneuerbaren Energien liegen künftig im öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Das ist entscheidend, um das Tempo zu erhöhen. Insgesamt schaffen wir mit dem Osterpaket die Voraussetzungen für die Energiesicherheit und die Energiesouveränität Deutschlands. Zugleich legt es die Grundlagen dafür, dass Deutschland klimaneutral wird.“
Habeck weiter: „Das Osterpaket ist Teil unserer Agenda und ist in den letzten Monaten unter Hochdruck erarbeitet worden. Es hat angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine nun eine doppelte Dringlichkeit erhalten. Zum einen spitzt sich die Klimakrise zu. Zum anderen zeigt der Einmarsch Russlands in die Ukraine, wie wichtig es ist, aus den fossilen Energien auszusteigen und den Ausbau der Erneuerbaren konsequent voranzutreiben. Das tun wir beherzt und konsequent.“
Das vom Bundeskabinett verabschiedete Osterpaket wird nun dem Deutschen Bundestag zugeleitet geht in einem nächsten Schritt in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren. Es handelt sich um ein Artikelgesetz, welches auf über 500 Seiten folgende Einzelgesetze umfasst:
● das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG),
● das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG),
● das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG),
● das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG),
● das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) und
● weitere Gesetze und Verordnungen im Energierecht.
Konkrete Maßnahmen des Osterpakets
● Mit dem Osterpaket wird der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Der Ausbau der erneuerbaren Energien an Land und auf See wird auf ein völlig neues Niveau gehoben. Bis 2030 sollen mindestens 80 % des deutschen Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Die vorherige Bundesregierung hatte ein Ziel von 65 % ausgegeben und war von einem deutlich niedrigeren Stromverbrauch als die Ampel-Koalition ausgegangen.
2035 soll der Strom in Deutschland nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien stammen.
● Um den Erneuerbaren-Ausbau voranzutreiben werden umfangreiche Maßnahmen ergriffen. Es werden neue Flächen für den Ausbau der Photovoltaik bereitgestellt, die Beteiligung der Kommunen bei Wind an Land und Photovoltaik ausgeweitet, windschwache Standorte verstärkt erschlossen und die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Photovoltaik-Dachanlagen verbessert.
● Mit der Abschaffung der EEG-Umlage ab Juli 2022 werden zugleich die Regelungen für den Eigenverbrauch und die Privilegierung der Industrie enorm vereinfacht und ein großer Beitrag zur Entbürokratisierung des Energierechts geleistet.
● Der Ausbau der Windenergie auf See soll zukünftig auf zwei gleichberechtigte Säulen gestellt werden. Neben der Ausschreibung von bereits voruntersuchten Flächen werden zukünftig auch bisher nicht voruntersuchte Flächen ausgeschrieben.
● Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze wird beschleunigt, indem Hemmnisse abgebaut und Planungs- und Genehmigungsverfahren verschlankt werden.
● Der Bundesbedarfsplan für den Ausbau der Übertragungsnetze wird aktualisiert und es werden neue Projekte aufgenommen, damit die Netze mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt halten können.
● Es werden die Rechte der Endkunden und die Aufsichtsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur über Energielieferanten gestärkt, um die Strom- und Gasverbraucher zukünftig noch besser zu schützen.
Zum Download der Gesetzentwürfe
Statements aus der Branche
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet das Osterpaket als großen Sprung bei erneuerbaren Energien, kritisiert allerdings eine „komplette Fehlstelle bei der Energieeinsparung in Gebäuden“ und ein „Versagen im Verkehrssektor“.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Bis 2035 wird der Stromsektor mit den neuen Ausbauzielen klimaneutral sein. Robert Habeck beschleunigt den Zubau von Wind- und Sonnenenergie deutlich, der wichtige Stromnetzausbau wird auf Klimaneutralität ausgerichtet. Klar ist nun auch, dass die Energiewende und insbesondere Wind- und Sonnenenergie im überwiegenden öffentlichen Interesse sind. Ein Manko bleibt die fehlende Bereitstellung von Flächen: Mindestens 2 % der Landesfläche müssen alleine für den Windenergieausbau reserviert werden. Die gesetzliche Regelung dafür fehlt im Osterpaket. Dies muss nun so schnell wie möglich nachgebessert werden.“
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „In Sachen Energieeinsparung tritt die Bundesregierung auf der Stelle. Es ist eine klaffende Fehlstelle, dass weder für Gebäude noch für Verkehr Maßnahmen im Osterpaket enthalten sind. Das ist dramatisch, denn beide Sektoren haben im vergangenen Jahr ihre Klimaziele verfehlt. Besonders schmerzlich ist, dass die Anhebung des Effizienzstandards im Gebäudebereich, die Sanierungspflicht für den Bestand sowie ein Einbauverbot für Gas-Heizungen im Neubau fehlen: Darum war in den vergangenen Tagen und Wochen innerhalb der Bundesregierung gerungen worden. Durchgesetzt haben sich offenbar die Bremser von SPD und FDP – in krachendem Widerspruch zum Bundes Klimaschutzgesetz und dem erst gerade veröffentlichen Berichts des Weltklimarats. Wir fordern die Bundesregierung auf, den Kurs in diesen Sektoren zu korrigieren und noch vor dem angekündigten Sommerpaket den Klimaschutz dort sofort und ausreichend anzupacken“
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Der Ökostrom-Anbieter LichtBlick begrüßt das neue Ziel einer klimaneutralen Stromversorgung bis zum Jahr 2035. Aber das Ausbautempo reiche nicht, um schnell genug weg von russischen Energielieferungen zu kommen. Der Bundestag müsse das Gesetz nachschärfen. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Energiewende würden aber viele Fehler der vorherigen Bundesregierungen korrigiert. Besonders hervorzuheben seien die ambitionierten Ausbauziele für Wind- und Solarstrom, die Befreiung von der Ausschreibungspflicht bei Anlagen bis 1 MW Leistung sowie von kleineren Energiegemeinschaften, die Verbesserung der Solarförderung und die rechtliche Einstufung erneuerbarer Energien als „im öffentlichen Interesse“. Ralf Schmidt-Pleschka, Koordinator für Energie- und Klimapolitik bei LichtBlick: „Die EEG-Novelle wird den Ausbau erneuerbarer Energien beflügeln.“
Kritsch bewertet LichtBlick, dass Deutschland schneller aus der Erdgasnutzung aussteigen müsse, um den vom Weltklimarat angemahnten Booster beim Klimaschutz zu zünden. Nur dann sei das 1.5-Grad-Ziel noch in Reichweite. Dafür werde bis 2030 noch mehr Ökostrom als bislang geplant benötigt. Schmidt-Pleschka: „Die vom Kabinett beschlossene Zielmarke für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien muss noch einmal um bis zu 200 TWh/a angehoben werden.“
Zudem moniert LichtBlick, dass der marktgetriebene Ausbau erneuerbarer Energien auch von der neuen Regierung noch behindert werde: „Wer heute in Solaranlagen, Wärmepumpen, Batterien oder Wallboxen für das Laden des Elektroautos investiert, wird vielfach mit Bürokratie überschüttet und ausgebremst. Die EEG-Bürokratie wirkt immer noch, wie aus der Zeit gefallen.“
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Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) sieht weiterhin einen erheblichen Nachbesserungsbedarf am aktuellen Gesetzentwurf zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die Solarbranche begrüße zwar die Heraufsetzung der Solarenergie-Ausbauziele. Diese müssten nun aber auch mit wirksamen Maßnahmen politisch unterfüttert werden. Der Entwurf für die EEG-Novelle weise Mängel insbesondere bei den Rahmenbedingungen für die anteilige solare Eigen- und Direktversorgung mit Solarstrom auf.
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar: „Es ist nicht nachvollziehbar, wie die angestrebte Vervierfachung der jährlich installierten Solarstromleistung erreicht werden soll, wenn die Förderkonditionen für Prosumer nicht verbessert werden.“ Der im Bundeskabinett beschlossenen Entwurf der EEG-Novelle sehe vor, dass künftige Solaranlagenbetreiber im Falle einer anteiligen Eigenversorgung für den nicht selbst verbrauchten und ins öffentliche Stromnetz eingespeisten überschüssigen Solarstrom die gleichen Einspeisevergütungen bzw. Marktprämien erhalten wie bisher. Besser gestellt werden lediglich neue Betreiber, wenn sie den Solarstrom vom eigenen Dach vollständig ins öffentliche Stromnetz einspeisen und nicht anteilig selbst verbrauchen.
Körnig: „Diese Rechnung geht nicht auf. Der anteilige Eigenverbrauch von Solarstrom zählt zu den wichtigsten Investitionsgründen von privaten und gewerblichen Verbrauchern zur Errichtung von Solardächern. Verbraucher und Unternehmen wollen Solarstrom vom eigenen Gebäudedach zum Beispiel für das Laden eines E-Autos oder den Betrieb einer Wärmepumpe anteilig selbst verbrauchen. Eine deutliche Attraktivitätssteigerung für die Eigen- und Direktversorgung mit Solarstrom ist unverzichtbar, um bei der Energiewende im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor und auch beim Speicherausbau den gewünschten Turbo zu zünden.“
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Die Deutschen Energie-Agentur (dena) weist darauf hin, dass die aktuelle EEG-Novelle trotz hoher Ambitionen wichtige Potenziale nachfragegetriebener Geschäftsmodelle verschenkt: „Nachfragegetriebene Geschäftsmodelle, wie Eigenverbrauch oder Green PPAs, bieten die Möglichkeit zusätzlicher Investitionen in die Energiewende und können so den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Industrie wie kleine und mittelständische Unternehmen können sich so gegen steigende Strompreise absichern und gleichzeitig einen Beitrag zum betrieblichen Klimaschutz leisten. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kann in Deutschland in vielen Fällen bereits förderfrei am Markt konkurrieren. Erneuerbare Energien sind heute ein Standortvorteil, wie aktuelle Standortentscheidungen von internationalen Unternehmen in Deutschland verdeutlichen. Stromabnehmende Unternehmen wollen sich an neuen Projekten beteiligen und schaffen so die Voraussetzungen für einen schnellen, nachfragegetriebenen Ausbau.“
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Die Verbändegemeinschaft Hauptstadtbüro Bioenergie kritisiert, dass der Entwurf zum EEG 2023 die Potenziale der Bioenergie zur Bereitstellung gesicherter und regelbarer Leistung, zur regionalen Wärmebereitstellung und zur Reduzierung des Importbedarfs fossiler Energieträger ungenutzt lasse. Mit der vorgeschlagenen einseitigen Fokussierung der Biomasse-Vergütung auf Biomethan-Spitzenlastkraftwerke stehe der bestehende Park an dezentralen Holzheizkraftwerken und flexiblen Biogasanlagen sowie deren erneuerbare Nah- und Fernwärmeversorgung auf dem Spiel. Hemmnisse in den EEG-Ausschreibungen, wie etwa die endogene Mengensteuerung blieben bestehen; Anreize zur Flexibilisierung würden gänzlich fehlen. ■
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