BMWSB und BMWK haben die Länder- und Verbändeanhörung zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit Regelungen zu 65 % erneuerbarer Energie bei neuen Heizungen eingeleitet.
Nach der politischen Einigung auf eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) am 31. März 2023 haben die zuständigen Ressorts – das Bundesbauministerium (BMWSB, Klara Geywitz) und das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK, Robert Habeck) – am 3. April die Länder- und Verbändeanhörung zu der Gesetzesnovelle gestartet. Nach Abschluss dieser Konsultationsphase folgt dann in einem nächsten Schritt, voraussichtlich noch im April 2023, die Kabinettbefassung. Die Einigung im Koalitionsausschuss sieht vor, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause 2023 vom Bundestag beschlossen wird.
Mit der GEG-Novelle soll die Dekarbonisierung des Wärmebereichs eingeleitet und schrittweise umgesetzt werden. Ab 2024 muss beim Einbau neuer Heizungen konsequent auf erneuerbare Energie gesetzt werden. Das heißt konkret, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Nach der politischen Einigung in der Ampel-Koalition hat aber „möglichst“ eine andere Bedeutung als zuvor.
Richtige Weichenstellung muss jetzt erfolgen
In jedem Fall ist der Fokus auf den Neueinbau angesichts der langen Investitionszeiträume im Gebäudebereich entscheidend. Wer heute eine neue Heizung einbaut, will diese 20 bis 25 Jahre nutzen. Die richtige Weichenstellung beim Einbau von neuen Heizungen muss deshalb nicht nur aus Sicht der Bundesregierung jetzt erfolgen. Auch aus Sicht der Eigentümer ist diese Perspektive relevant, um Fehlinvestitionen in Lösungen zu vermeiden, die im Betrieb während der Nutzungsdauer hohe Kosten bedeuten.
Der abgestimmte Referentenentwurf für die GEG-Novelle sieht vor, dass bestehende Heizungen weiterhin betrieben und kaputte Heizungen repariert werden können. Für den Übergang auf das Heizen mit erneuerbaren Energien sieht die Gesetzesnovelle Übergangsfristen, verschiedene Erfüllungsoptionen und Befreiungsmöglichkeiten in besonderen Situationen vor. Um das Gesetz verbraucherfreundlicher zu gestalten, wurden zuletzt die Übergangsfristen und Erfüllungsoptionen – vor allem für den Neubau – erweitert, zum Beispiel um Solarthermie.
H2-ready: Wette auf die Verfügbarkeit grüner Gase
Auch sind „H2-ready“ Gas-Heizungen eine weitere Option, also Heizungen, die auf 100 % Wasserstoff umrüstbar sind. Diese dürfen dann eingebaut werden, wenn es einen verbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze gibt und diese Heizungen schon 2030 mit mindestens 50 % Biomethan oder anderen grünen Gasen und spätestens ab 2035 mit mindestens 65 % Wasserstoff betrieben werden.
Neben grünem Wasserstoff ist auch blauer Wasserstoff möglich, er muss aber strengen Kriterien genügen (in Anlehnung an die Taxonomie-Verordnung).
PDF-Download des Gesetzentwurfs für die GEG-Novelle
Die vorgeschlagenen Regelungen auf einen Blick:
● Die Pflicht zum Erneuerbaren Heizen ab dem 01. Januar 2024 gilt nur für den Einbau neuer Heizungen; Ausnahmen sind möglich. In Härtefällen können Eigentümer von der Pflicht befreit werden.
● Bestehende Heizungen können weiter betrieben werden. Kaputte Heizungen können repariert werden.
● Wenn eine Erdgas- oder Ölheizung irreparabel ist (Heizungshavarie), gibt es pragmatische Übergangslösungen und mehrjährige Übergangsfristen, sodass der Umstieg auf eine Erneuerbaren-Heizung nicht ad hoc erfolgen muss.
● Es gibt umfassende Übergangsregelungen für Gebäude, die sowohl mit Zentral- als auch mit Gasetagenheizungen versorgt werden. Fällt die erste Gasetagenheizung in dem Gebäude aus, haben die Eigentümer erstens drei Jahre Zeit, um zu entscheiden, wie für das gesamte Gebäude auf Erneuerbare Heizungen umgestellt wird. Zweitens erhalten sie, wenn sie sich für eine Zentralisierung der Heizung entschieden haben, weitere zehn Jahre Zeit zur Umsetzung.
● Die vorgesehene Regelung ist technologieoffen. In bestehenden Gebäuden können auch weiterhin Gas-Heizungen eingebaut werden, wenn sie mit 65 % grünen Gasen oder in Kombination mit einer Wärmepumpe betrieben werden.
● Der Umstieg soll durch gezielte Förderung unterstützt werden. Damit werden auch soziale Härten abgefedert. Zudem gibt es weiterhin Steuermäßigungen.
Überblick über die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (PDF)
FAQ des BMWK: Erneuerbares Heizen – Gebäudeenergiegesetz (GEG)
Die grundsätzlichen Austauschpflicht ineffizienter Kessel nach 30 Jahren in §§ 72, 73 des heute bereits geltenden Gebäudeenergiegesetzes bleibt bestehen, genau wie die bereits heute greifenden Ausnahmen für Niedertemperatur- und Brennwertheizkessel und Ausnahmen für selbstnutzende Eigentümer, die seit dem Stichtag 1. Februar 2002 in ihrem Eigentum wohnen. Es gilt eine zeitliche Obergrenze. Heizkessel dürfen nur bis zum 31. Dezember 2044 mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Danach ist Heizen mit fossilem Erdgas nicht mehr zulässig. Gas-Heizkessel sind damit nach dem 31. Dezember 2044 nur noch dann möglich, wenn sie zu 100 % mit „grünen Gasen“ betrieben werden.
Stimmen aus der Branche
„Die Politik muss nun alle Hemmnisse für einen schnellen Wasserstoffhochlauf abräumen“
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW: „Die langen Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz haben sich gelohnt: Im Vergleich zu der ersten bekannt gewordenen Version enthält der Gesetzentwurf nun einige entscheidende Verbesserung, die eine effiziente und praktikable Wärmewende ermöglichen.
Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung die Wahlmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Technologien sowohl für Neubauten als auch bei Bestandsgebäuden erweitert hat. Sie setzt nun richtigerweise auf eine breite Palette von Infrastrukturen und Energieträgern für die Wärmeversorgung. Das macht die Energieversorgung resilienter, die Wärmewende flexibler und vermeidet unnötige Kosten. Positiv ist vor allem, dass nun auch sogenannte H2-ready-Gas-Heizungen als Technologieoption in das Gesetz aufgenommen wurden, also Gas-Heizungen, die auf 100 % Wasserstoff umrüstbar sind.
Mit der daran geknüpften Bedingung, dass diese bis 2030 mit mindestens 50 % Biomethan und spätesten 2036 mit mindestens 65 % Wasserstoff betrieben werden können, gibt die Bundesregierung der Energiewirtschaft eine klare Hausaufgabe mit auf den Weg. Wir nehmen diese Herausforderung an und werden alles dafür tun, diese Vorgabe zu erfüllen. Dazu muss die Politik selbst aber nun auch alle Hemmnisse für einen schnellen Wasserstoffhochlauf aus dem Weg räumen.“
„Die Bundesregierung muss sich zur Wärmepumpe bekennen und sie im GEG flankieren“
Nachdem das Hin und Her der letzten Wochen für eine starke Verunsicherung bei Verbrauchern über die ab 2024 geltenden Regeln gesorgt hat, ruft der Bundesverband Wärmepumpe BWP die Ampelkoalition dazu auf, diese Verunsicherungspolitik jetzt zu beenden. Das betreffe auch die in den vergangenen Tagen geführte Debatte über die bedingte Zulassung von rein fossil befeuerten Heizungsanlagen („H2-ready“). Stattdessen bedürfe es jetzt dringend eines Bekenntnisses der Bundesregierung zur Wärmepumpe und einer entsprechenden Flankierung des GEG.
Dr. Martin Sabel, BWP-Geschäftsführer: „Seit eineinhalb Jahren bereitet sich die Wärmepumpenbranche auf die 65-%EE-Vorgabe vor. Sie hat sich längst darauf ausgerichtet, dass die Wärmepumpe bereits ab dem kommenden Jahr die neue Standardheizung wird. Die Absatzzahlen der Branche brechen immer wieder neue Rekorde und befinden sich voll auf Zielkurs. Hersteller, Fachhandwerk und viele andere machen ihre Hausaufgaben – jetzt ist die Bundesregierung an der Reihe, klare Regeln zu schaffen.“
So sei es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen über das Inkrafttreten der GEG-Novelle zum kommenden Jahr Sorgen machen. Dem herunter subventionierten und auf 12 Ct/kWh „gedeckelten“ Gaspreis stehe eine unzureichende Preispolitik auf der Stromseite gegenüber.
Sabel: „Der vermeintliche Kompromiss beim Gebäudeenergiegesetz darf nicht über die grundsätzlichen Missverhältnisse im Energiesystem hinwegtäuschen. Während auf der einen Seite fossile Energieträger weiter subventioniert werden, zuletzt durch die Absenkung der Mehrwertsteuer für Erdgas [und Flüssiggas (LPG), , Anm. d. Red.], sorgt das Erdgas andererseits im Rahmen der Merit Order für Preisspitzen beim Strompreis – und dies, obwohl der Anteil erneuerbarer Energien beim Strom stetig wächst. Darüber hinaus machen staatliche Preisbestandteile fast die Hälfte des Strompreises aus: Dieser Spielraum sollte für politische Entlastungen genutzt werden.“
Der BWP fordert von der Bundesregierung jetzt klare Rahmenbedingungen für den bereits vereinbarten Wärmepumpenhochlauf. Neben der zügigen Umsetzung der GEG-Novelle und einer gezielten Aufstockung der BEG-Förderung, sollte eine deutliche Entlastung des Strompreises in den Fokus genommen werden.
Die Politik der falschen Zeichen könnte sich im GEG noch verstärken, warnt der BWP. Je nachdem wie der Gesetzgeber mit dem Vorschlag weiterverfährt, dass auch Erdgasheizungen als Erfüllungsoption anerkannt werden, wenn sie „H2-ready“ sind und der Gasnetzbetreiber einen Transformationsplan vorlegt. Laut Gesetzentwurf wäre das mit harten Anforderungen verbunden, Gasnetzbetreiber müssten für entsprechende Versorgungsgebiete verbindliche Zusagen machen und massive Investitionen leisten, was angesichts der großen Effizienzvorteile von Wärmepumpen nur in vereinzelten Insellösungen eine Rolle spielen dürfte.
Im Zusammenwirken mit den falsch gestellten Energiepreisen könnte bei Verbrauchern aber die Erwartung entstehen, dass diese Option auch in der Breite des Gebäudebestands eingesetzt werden könnte. Es sei Aufgabe der Politik, falschen Erwartungen entgegenzutreten, fordert der BWP. Denn überall dort, wo die Umstellung zu Wasserstoff dann nicht gelinge, drohten fehlgeschlagene Investitionen und enorme Kostenbelastungen für die Steuerzahler und all diejenigen, die im falschen Glauben in eine H2-ready-Heizung investiert haben.
„Wir brauchen Klimaschutz statt Klimaschutz-Readyness.“
„H2-Ready-Gasheizungen sind ein Etikettenschwindel.“ Unter diesem Titel kommentiert Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft bne, den Entwurf zur GEG-Novelle: „Wir begrüßen ausdrücklich die erneute Bekräftigung, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss.
Allerdings: Wir brauchen Klimaschutz statt Klimaschutz-Readyness. Der Entwurf wurde deutlich aufgeweicht. H2-Readyness für Heizungen ist ein Worst-Case-Szenario, da so Gas-Heizkessel über viele weitere Jahre schlicht mit Erdgas betrieben werden können. Schon nach eigenem Bekunden der Gaswirtschaft im Rahmen der Debatte zur EU-Taxonomie wurde in Bezug auf die „grüne“ Eigenschaft von Gaskraftwerken überzeugend und unwidersprochen dargelegt, dass Wasserstoff auf mittlere und lange Sicht nicht in ausreichendem Maß für Kraftwerke zur Verfügung stehen könne – und damit erst recht nicht zum Heizen in Privathaushalten. Diese Argumentation der H2-Knappheit hatte die Bundesregierung damals übernommen. Interessant wird es sein zu sehen, wie vor diesem Hintergrund die über 700 Gasnetzbetreiber mit den umfangreichen Vorgaben zur Netzumrüstung umgehen.
Es drohen nun massive Fehlinvestitionen in Geräte, die in wenigen Jahren wieder ausgetauscht werden müssen. Dem Klimaschutz ist keinen Deut damit geholfen, wenn zwar auf dem Papier Transformationspläne vorgelegt werden müssen, der Wasserstoff aber de facto nie in dem Maße kommen kann. Das ist bei der Fernwärme schon sehr optimistisch, bei Gasnetzen ist es schlicht Etikettenschwindel. Wir werden für Gas-Heizungen kein 100-%-H2-Gasverteilnetz sehen.
Ein weiteres Schlupfloch besteht bei Wärmenetzen. Bis 2030 sind lediglich 50 Prozent Erneuerbare in der Fernwärme vorgeschrieben. Der Transformationsprozess der Fernwärme, wo oft Erdgas-KWK eingesetzt wird, muss viel schneller vorangebracht werden. Jede Förderung der Wärmeerzeugung durch fossile Energieträger ist daher ein Fehlanreiz, auch wenn das in Form von Erdgas-KWK und eingebunden in ein Wärmenetz erfolgt. Auch für KWK-Anlagen muss der Einsatz von mindestens 65 % erneuerbaren Energien daher zur Pflicht werden. Neue KWK-Anlagen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, sollten nicht zugelassen werden. Andernfalls wäre hier für Umgehungen Tür- und Tor geöffnet.
Anstatt in Scheinlösungen müssen sich die Investitionen auf Wärmepumpen und grüne Wärmenetze konzentrieren. Mit dem künstlichen Festhalten an der Gasheizung schadet man so der eigenen Industrie, den Kunden und dem Klima.“
„Der Entwurf trägt die Handschrift der Gaslobby und ist Verbrauchertäuschung“
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe DUH: „Statt Klarheit für die Verbraucher zu schaffen, stiftet der neue Gesetzentwurf Verwirrung mit der Zulassung technisch unmöglicher Scheinlösungen. Der Entwurf trägt die Handschrift der Gaslobby und ist Verbrauchertäuschung. Unter dem Vorwand angeblicher ‚Technologieoffenheit‘ hat sie die Aufnahme von Heizungssystemen durchgesetzt. In der Praxis sind diese gar nicht in ausreichendem Umfang umsetzbar. Das gilt für Biomasse, Biogas ebenso wie für grünen und blauen Wasserstoff. Es ist schlicht unmöglich, die 20 Millionen Heizungen in Deutschland mit diesen Optionen zu betreiben.
Wer das wie die FDP vorantreibt, ist unehrlich zu Verbraucherinnen und Verbrauchern, kreiert enorme Engpässe in der Versorgung mit diesen Brennstoffen und damit unkalkulierbare Kostenrisiken für die Haushalte. Klimapolitisch droht die mangelnde Verfügbarkeit dieser Scheinlösungen die fossile Abhängigkeit im Wärmesektor über Jahrzehnte zu verlängern. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, diesen Gesetzesentwurf der wissenschaftlichen Unmöglichkeiten und Brennstoff-Märchen umgehend zurückzuziehen und Klarheit zu wirklich erneuerbaren Wärmetechnologien zu schaffen. Mit einer Umstellung auf Wärmepumpen und Wärmenetze liegen die machbaren Lösungen bereits auf dem Tisch. Jetzt liegt es an der Bundesregierung, diese Optionen gegen die massiven Angriffe der Gaslobby zu verteidigen und konsequent weiter zu verfolgen.“ ■
Quelle: BMWK, BDEW, BWP, BNE, DUH / jv
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