Einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Eine 5-%-Quote an „Grünem Heizöl“ wäre ein sehr geringer Beitrag.
Geht es nach Jens Spahn, würde „Grünes Heizöl“ einen nennenswerten Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen leisten (siehe Info-Kasten). Nimmt man mit großem Optimismus an, dass es „Grünes Heizöl“ in ausreichender Menge gibt und dass „grün“ eine „nahezu klimaneutrale Herstellung und Bereitstellung“ bedeuten soll, hat er prinzipiell Recht. In dem von ihm genannten Kontext, ist der Hebel bezogen auf den Zielpfad für den Gebäudesektor im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) jedoch klein.
Die kurze Antwort
Eine sehr einfache Erklärung wäre: Wenn „Grünes Heizöl“ ausreichend verfügbar und günstig wäre, wäre gar keine Vorschrift notwendig. Vielmehr wäre der Brennstoff vor dem Hintergrund steigender CO2-Preise keine Belastung, sondern eine Entlastung für die direkten und indirekten Nutzer einer Öl-Heizung. Denn Standard-Heizöl (100 % fossile Herkunft) verteuert sich um 20 Ct/l (brutto), wenn der CO2-Preis um 63 Euro/t (netto) steigt. Gegenüber dem Durchschnittspreis im Jahr 2024 von knapp 1 Euro/l bei einer Bestellmenge von 2500 l würde dies einer Preiserhöhung von 20 % entsprechen.
2025 liegt der CO2-Preis bei 55 Euro/t (netto), das bedeutet einen Aufschlag von 17,5 Ct/l (brutto). Ankündigungen von Brennstoffhändlern, „Grünes Heizöl“ zeitnah günstiger als Heizöl inklusive CO2-Bepreisung anzubieten, gibt es bisher nicht. Eine Grüne-Heizöl-Quote wäre also mindestens bis zu einem bestimmten CO2-Zertifikatepreis eine zusätzliche Belastung bei den Heizenergiekosten. Dies dürfe auch erklären, warum Spahn nur 5 % mit 2028/29 eine Pflicht ganz am Ende der nächsten Legislaturperiode nennt, auf die Heizölkunden durch vorheriges Bunkern noch ohne Quotenpflicht reagieren könnten.
Ende 2024 wurde in Stuttgart Heizöl EL B10 mit 10 % Bioanteil mit einem Aufschlag von 22 Ct/l angeboten. Bei einem Verbrauch von 2000 l/a entspricht dieser Aufschlag Mehrkosten für Heizöl mit 10 % Bioanteil von 440 Euro/a. Zur Einordnung: Um diese Mehrkosten über eine Nutzungsdauer von 20 Jahren zu bezahlen, müsste man eine mit 3 % verzinste Rücklage von 6750 Euro bilden. Alternativ könnte man für eine andere Heizungslösung bei einem Zinssatz von 5 % ein Annuitätendarlehen von rund 5500 Euro tilgen.
Hintergrund: Auf dem 22. Forum Wärmepumpe am 27. und 28. November 2024 stellte Jens Spahn (CDU), MdB, eine ihm offensichtlich sehr wichtige Frage – sinngemäß: „Ich habe mal gelernt, dass es bei der Klimapolitik darum geht, CO2-Emissionen zu reduzieren. Ich habe mal gelernt, dass dabei nicht um eine bestimmte Technologie geht. Wenn wir in den Öl-Heizungen, wie sie auch in meinem Dorf regelmäßig in den Häusern stehen, eine verpflichtende Quote für ‚Grünes Heizöl‘ haben, zum Beispiel von 5 % und gehen dann hoch – ja dann sind das noch nicht 100 % und man wird vielleicht auch technologisch noch mal etwas ändern müssen, aber man würde in ganz Deutschland ab 2028 nennenswert CO2-Emissionen einsparen. Und deswegen verstehe ich einfach nicht, warum es immer gleich 100 % sein müssen …“
Da weitere Visionen zur Wärmewende in Spahns „Parlamentarischer Keynote“ die anschließende Diskussion in eine andere Richtung lenkten, steht sein als Frage lancierter Gegenentwurf zu den bisherigen Maßnahmen zur Wärmewende noch im Raum. Er wurde zwar im Nachgang mehrfach zitiert und kritisiert, eine echte Auseinandersetzung fand jedoch nicht statt. Sie ist jedoch wichtig, um seine Behauptung „nennenswert CO2-Emissionen einsparen“ zu hinterfragen.
Anmerkung: Eine 100-%-Forderung wird im Kontext Heizungsmodernisierung kaum diskutiert. Mit der letzten GEG-Novelle gibt es Regeln, die mittel- bis langfristig gewährleisten sollen, dass mindestens 65 % der bereitgestellten Wärme der ab 2024 neu eingebauten Heizungsanlagen aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme stammen. Eine Grüne-Heizöl-Quote würde wie die CO2-Bepreisung auch bestehende Heizungen in die Pflicht nehmen.
Die bilanzielle Antwort
Es macht aber Sinn, sich mit der vertiefenden bilanziellen Erklärung zu befassen: Das von der Großen Koalition Ende 2019 verabschiedete und 2021 nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachgebesserte Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) sieht zwar nur bis 2030 jährliche Obergrenzen für die CO2-Emissionen im Gebäudesektor vor, eine künftige Fortschreibung der linearen Absenkung bis zum 31. Dezember 2044 ist jedoch aufgrund anderer Verpflichtungen anzunehmen und wird hier zur Vereinfachung unterstellt. Eine andere Pfadgestaltung könnte zwar zu etwas abweichenden, jedoch nicht zu grundsätzlich anderen Ergebnissen führen.
Bei einer Linearisierung mit den bekannten Werten für 2025 und 2030 sowie 2030 und 2045 ergeben sich zwei leicht unterschiedliche Geraden. Eine einheitliche Gerade von 2025 (92 Mio. t CO2-Äquivalent bzw. CO2e) bis 2045 (0 Mio. t CO2e) beansprucht demgegenüber ein um 2,1 % höheres Gesamtbudget (966 statt 946 Mio. t CO2e), sie Bild 2. Für den Vorteil einer besseren Nachvollziehbarkeit wird dieser Fehler nachfolgend akzeptiert.
Noch 7300 Tage …
Der Zeitraum 1. Januar 2025 bis 31. Dezember 2044 umfasst 7305 Tage. Um die Rechnungen besser nachvollziehbar zu machen, werden die fünf Schalttage vernachlässigt und der KSG-Zielpfad auf 7300 Tage mit beibehaltenem Budget verkürzt.
Der verbleibende Zeitraum bis zum Ziel „Dekarbonisierter Gebäudebestand“ beträgt 20 Jahre, das entspricht der kalkulatorischen Nutzungsdauer dezentraler Wärmeerzeuger. Die nächste Heizungsmodernisierung sollte also möglichst klimazieltauglich sein – sofern man nicht mehrfach für die gleiche Funktion investieren will. Nicht nur über das GEG gilt: „Heizkessel dürfen längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2044 mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.“
Die vom KSG für den Gebäudesektor bilanzierten Treibhausgasemissionen beziehen sich auf die Verbrennung von Brennstoffen in Haushalten, Handel und Behörden sowie militärischen Einrichtungen. Dazu gehören fast ausschließlich die fossilen Anteile von Erdgas, Flüssiggas (LPG) und Heizöl. Die Treibhausgasemissionen aus den Vorketten und für Fernwärme und Strom werden in anderen Sektoren bilanziert. Erdgas und Heizöl dominieren die Bilanz.
Mögliche Maßnahmen
Auf dem Zielpfad gab es in der Vergangenheit auch bilanzielle Fortschritte durch die Umrüstung von Heizöl auf Erdgas mit etwas geringeren verbrennungsbezogenen CO2-Emissionen pro kWh, diese Bewegung hat aber an Bedeutung verloren. Etwas vereinfachend kann man deshalb den mit dezentralen Lösungen beheizten Gebäudebestand nach den drei wesentlichen Energieträgern gruppieren.
Innerhalb jeder der drei Gruppen gibt es folgende Hebel zur Dekarbonisierung:
● Bedarfsminderung durch
• Rückbau von Gebäuden
• anderes Nutzerverhalten
• höhere Temperaturen durch den Klimawandel
• energetische Maßnahmen (Hülle und Anlagentechnik)
• Wärmerückgewinnung
● dezentrale Energieerzeugung mit Verdrängung fossiler Brennstoffe, insbesondere durch
• Solarthermie und
• Photovoltaik (zur Wärmeerzeugung)
• Wärmerückgewinnung
● Heizungswende durch
• effizientere Gas- und Öl-Heizungen,
• Substitution fossiler Brennstoffe durch „Grüne-Brennstoff“-Anteile,
• den Umstieg auf Wärmepumpen und Biomasse-Heizungen,
• den Umstieg auf Fernwärme und
• den Umstieg auf direktelektrische Heizsysteme.
Bezogen auf eine größere Fallzahl von Gebäude werden in der Praxis zumeist alle Hebel parallel betätigt, jedoch in sehr unterschiedlicher Intensität. Nahezu kein Hebel hat das Potenzial, innerhalb sehr kurzer Zeit einen großen Anteil der Gebäude zu dekarbonisieren. Auch bei der anteiligen Brennstoff-Substitution sind bei relevanten Quoten erhebliche Vorbereitungen erforderlich. Ein ähnlich gelagertes Beispiel ist die Umstellung von L- auf H-Gas. Technisch mögliche Ausnahmen wären „grün“ erzeugtes synthetisches Methan und zu 100 % mit Heizöl kompatible eFuels, realistisch sind sie jedoch nicht.
Modellierung mit 7300 Gebäuden
Um die Wirkung und Interaktion der Maßnahmen sichtbar zu machen, wird ein Ausschnitt von 7300 Gebäuden aus dem im Jahr 2024 mit Heizöl beheizten Gebäudebestand modelliert. Jedes Gebäude soll im Jahr 2024 einen Heizölverbrauch von 2100 l/a aufweisen. Zur Vereinfachung wird davon ausgegangen, dass sich die für den Heizenergieverbrauch relevanten Witterungsparameter in den Jahren 2024 bis 2044 auf einer Geraden befinden.
Das angenommene Verbrauchsniveau der Gebäude dient nur der einfachen Veranschaulichung bzw. Modellierung, es könnte jeder beliebige Startwert verwendete werden, die grundlegenden Aussagen würden sich nicht ändern. Der gewählte Ausschnitt von 7300 Gebäuden hat ebenfalls nur praktische Hintergründe, es könnte jeder beliebige Ausschnitt oder die Grundgesamtheit verwendet werden. In der realen Wärme- und Gebäudewende ist die Unterschiedlichkeit der Gebäude ein weiterer Parameter, die hier ebenso wie politische Einflussnahme nicht abgebildet werden kann und soll.
Ohne Maßnahmen beträgt der Heizölverbrauch von 2025 bis 2044:
20 a × 7300 Geb. × 2100 l/a = 306,6 Mio. l
bzw. 42 000 l pro Tag (l/d)
Linearisierung des Dekarbonisierungspfads
Für die Modellierung bietet es sich an, analog zur konkreten Umsetzung die Zielsetzung auf einen tagesscharfen Pfad zu übertragen. Im Modell gibt es dann keine Jahreszeiten: an jedem Tag im Jahr sind die Voraussetzungen für die Entstehung des Wärmebedarfs identisch. Nimmt man beispielsweise als einzige Maßnahme den Umstieg auf Fernwärme, dezentrale Wärmepumpen und dezentrale Biomasse-Heizungen an, müsste an jedem der 7300 Tage eine der 7300 Anlagen umgestellt werden.
Dekarbonisierung ausschließlich mit „Grünem Heizöl“
Mit der Annahme des durchschnittlichen Gebäudeverbrauchs von 2100 l/a im Jahr 2024 ergibt sich bei einer linearen Minderung ab 2025 um 100 l/a bis 2044/45 ein maximal zulässiger Heizöl-Verbrauch (bzw. ein Heizöl-Budget) von:
7300 Geb. × 20 a × (2000 + 100) l/(Geb. ∙ a) × 0,5 = 153,3 Mio. l
Bild 3 zeigt den abgeleiteten Minderungspfad tagesscharf.
Bild 4 zeigt, dass das aus dem Minderungspfad abgeleitete Budget bei einer konstanten Grünen-Heizöl-Quote von 5 % schon kurz nach der Hälfte der verbleibenden Zeit erschöpft wäre. Die CO2-Emissionen aus dem Verbrauch an fossilem Heizöl der Gebäudegruppe müsste dann schlagartig beendet oder über andere Optionen kompensiert werden.
Zwischenergebnis 1: Eine Grüne-Heizöl-Quote von 5 % wäre allein nicht ansatzweise ausreichend, einen angemessenen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudepools zu leisten. Um das Gesamtziel nicht aufzugeben, müsste in anderen zwei Gruppen (Erdgas und Flüssiggas) viel schneller / umfangreicher dekarbonisiert (das Budget beschnitten) werden.
Eine (theoretische) Option wäre, die Differenz aus dem abgeleiteten Minderungspfad für fossiles Heizöl und dem Bedarf der Gebäude mit Grünem Heizöl auszugleichen. Bild 5 zeigt dies für eine kontinuierlich steigende Quote. Sie setzt eine entsprechende Verfügbarkeit von Grünem Heizöl und einen von den Nutzern akzeptierten Brennstoffpreis voraus.
Zwischenergebnis 2: Das auf dem Dekarbonisierungspfad verbleibende Heizöl-Budget entspricht der Hälfte des Verbrauchs ohne zusätzliche Maßnahmen. Wenn „Grünes Heizöl“ die einige Maßnahme ist, muss die Quote entweder über die gesamte Zeit 50 % betragen, oder ab 2025 jährlich um 5 Prozentpunkte auf 95 % im Jahr 2044 und 100 % ab 2045 steigen.
Kombinierte Dekarbonisierung
Wie schon erwähnt, werden in einem Gebäudepool immer mehrere Hebel gleichzeitig verwendet werden. Als Anforderungen bleiben die Einhaltung des Budgets (Dekarbonisierungspfad) und ab 2045 klimaneutral zu betreibende Gebäude. Hier soll in einer Kombination mehrerer Maßnahmen zur Dekarbonisierung gezeigt werden, welche Mengen an Grünem Heizöl erforderlich sind, um das Budget aus dem abgeleiteten Minderungspfad einzuhalten.
Bild 6 zeigt eine kombinierte Dekarbonisierung mit einer gleichmäßig bis Ende 2044 auf 50 % steigenden Verbrauchsminderung. Wie diese zustande kommt, ist unerheblich. Denkbar wäre auch, dass jeden zweiten Tag ein Umstiegt auf Fernwärme, Wärmepumpe, Holzpellets oder direktelektrische Heizsysteme erfolgt und in den anderen Gebäuden keine Maßnahmen ergriffen werden. Ende 2044 würde die Menge an Grünem Heizöl dann bei der Hälfte des Ölverbrauchs Anfang 2025 liegen. Um den Dekarbonisierungspfad einzuhalten, müsste die Grüne-Heizöl-Quote schon Ende 2026 über 5 % liegen.
Bild 7 zeigt eine kombinierte Dekarbonisierung mit einer bis Ende 2044 auf 70 % steigenden Verbrauchsminderung. Wie bei Bild 6 verbleibt Ende 2044 ein hoher Brennstoffrestbedarf. Um den Dekarbonisierungspfad einzuhalten, müsste die Grüne-Heizöl-Quote ab 2028 über 5 % liegen.
Zwischenergebnis 3: Auch bei erheblichen zusätzlichen Maßnahmen (Verringerung des Bedarfs durch die energetische Ertüchtigung und anlagentechnische Maßnahmen in der Wärmeübergabe und -verteilung sowie solare Wärmebedarfsdeckung) liegt die Grüne-Heizöl-Quote sehr früh und signifikant über 5 %.
Bewertung
Im Rahmen der schon vor Jahren gesetzlich festgeschriebenen Dekarbonisierung des Gebäudebestands wäre eine Grüne-Heizöl-Quote nur dann eine relevante Maßnahme, wenn sie kontinuierlich bis auf 100 % ansteigt. Um in den nächsten Jahren die absolute Menge in einem halbwegs realistischen Bereich zu halten, sind erhebliche Maßnahmen zu Senkung des Brennstoffbedarfs erforderlich. Zu den einfachsten und kosteneffizientesten Maßnahmen dürfte dabei ein Umstieg auf Fernwärme, Wärmepumpen und Biomasse-Heizungen sowie die Kombination bestehender Anlagen mit Solaranlagen sein.
Die Bewertung gilt auch für die leitungsgebundene Gasversorgung mit einer Einschränkung: Die Kombination mit einer Solaranlage kann im Einzelfall sehr sinnvoll und wirtschaftlich sein. Bei einer breiten Anwendung gibt es jedoch eine finanzielle Rückkopplung über das Gas-Netzentgelt, dass in einigen Regionen bereits einen Anteil von rund 50 % am Gaspreis ausmacht. Die Verbrauchsminderung führt dann nicht zu einer entsprechenden Kostensenkung. ■
Quellen: 22. Forum Wärmepumpe; Bundes-Klimaschutzgesetz; Gebäudeenergiegesetz, Esyoil; eigene Berechnungen / jv
Im Kontext:
Wärmepumpen können mit KI effizienter betrieben werden
Die Wärmepumpe ist mehr als nur eine Heizung
Wie stark die Grüne-Brennstoff-Quote Gas verteuern könnte
Heizenergiekosten: Wärmepumpenstrom-/Gaspreis-Barometer
Was die CO2-Bepreisung bei einer Gas-Heizung bis 2044 kostet