Die CO2-Bepreisung verteuert Erdgas deutlich schneller als bisher. In welchem Umfang, zeigt ein Berechnungsmodell, bei dem die CO2-Kosten bis 2044 aus einer im Jahr 2024 gebildeten Rücklage bezahlt werden.
Zum letzten Jahreswechsel ist durch sich überlagernde Faktoren ein wichtiger Blick in die Zukunft kaum wahrgenommen worden. Die planmäßige Erhöhung der CO2-Bepreisung von 30 auf 45 Euro/t dürfte ein kleiner Vorgeschmack auf die künftige Dynamik gewesen sein. Nimmt man an, dass am 31. Dezember 2023 inklusive 19 % Mehrwertsteuer Erdgas 8,00 Ct/kWh gekostet hätte, wären es am 01. Januar 2024 bereits 8,32 Ct/kWh gewesen.
Was unscheinbar aussieht, bedeutet allein durch die CO2-Bepreisung eine Preissteigerung von 4 % und bei einem für etwas ältere unsanierte Einfamilienhäuser typischen Gasverbrauch von 20 000 kWh/a Mehrkosten von 64 Euro/a. Das ist aber nur der Aufschlag für die Verteuerung der CO2-Kosten (die nun bei insgesamt 194 Euro/a liegen).
Weiterhin dürften künftig die Gas-Netzentgelte deutlicher als bisher steigen. Auch das Preiselement „Beschaffung, Vertrieb und Marge“ wird auf längere Sicht nicht günstiger werden. Zusammen wird dies dazu führen, dass sich Erdgas im Mittel deutlich oberhalb der Inflationsrate und der Lohnsteigerung verteuert. Auch die CO2-Preiserhöhung könnte künftig deutlich höher als jährlich 15 Euro/t ausfallen. 2025 erhöht sich der CO2-Preis im letzten Jahr der Festpreisphase um 10 Euro/t.
CO2-Kosten aus einer Rücklage bezahlen
Um künftig fällige CO2-Kosten greifbarer zu machen, kann man ermitteln, wieviel Geld man zurücklegen muss, um sich heute von der CO2-Bepreisung „freizukaufen“: Die dafür im Jahr 2024 gebildete Rücklage deckt dann von einem verzinsten Konto (hier mit 3,5 %/a und exemplarisch mit 0,0 %/a) bis zum einem gewählten Zeitpunkt (hier bis Ende 2044) alle Kosten der CO2-Bepreisung (hier für ein Gas-Heizung) inklusive der auf die CO2-Kosten noch zusätzlich fälligen Mehrwertsteuer. Diese Betrachtung hat einen weiteren Vorteil:
Die Rücklage kann auch als zusätzliches Investitionsbudget aufgefasst werden, das im Jahr 2024 zur Verfügung steht, um aus der CO2-Bepeisung auszusteigen. Dies ist mit dem Umstieg auf Holzenergie und auf eine Wärmepumpe möglich (bei der Stromerzeugung gibt es seit vielen Jahren eine eigene CO2-Bepreisung in einem separaten Handelssystem; mit dem hohen EE-Anteil im Stromnetz verliert sie an Kostenrelevanz).
Zur Vereinfachung wird angenommen, dass die Rücklage jeweils zum Jahresende verzinst und dann die CO2-Kosten abgezogen werden.
CO2-Preiskurven
Die große Unbekannte bei der CO2-Bepreisung ist die Entwicklung der CO2-Preise. Für die Jahre 2025 und 2026 kann man mit hinreichender Genauigkeit zurzeit von 55 und 65 Euro/t ausgehen. Für den Zeitraum bis 2044 bieten die offiziellen Informationen vor dem Einbau einer neuen Heizung zum Gebäudeenergiegesetz § 71 Absatz 11 drei CO2-Preiskurven an.
● K1: Der CO2-Preis steigt bis 2044 linear auf 100 Euro/t
● K2: Der CO2-Preis steigt bis 2044 linear auf 200 Euro/t
● K3: Der CO2-Preis steigt bis 2044 linear auf 300 Euro/t
Plausibler ist allerdings eine Kurve, mit einer „Wachrüttelphase“, einer „politischen Begrenzung an der Schmerzgrenze“ und einer „Auslaufphase“:
● K4: Der CO2-Preis steigt ab 2027 jährlich um 20 Euro/a, jedoch nicht über 240 Euro/t und sinkt ab 2038 um jährlich 20 Euro/a bis auf 100 Euro/t im Jahr 2044.
Nimmt man eine Gas-Heizung mit einem Gasverbrauch von 20 000 kWh/a an, wären folgende Rücklagen erforderlich, gerundet auf 50 Euro:
● K1: 4850 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 7200 Euro)
● K2: 7300 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 11 300 Euro)
● K3: 9750 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 15 400 Euro)
● K4: 9350 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 14 000 Euro)
Anzunehmen ist, dass die Nutzer der Gas-Heizung auf die steigenden Preise mindestens mit kleineren Maßnahmen reagieren. Nimmt man, dass sie den Gasverbrauch bis 2044 gleichmäßig auf 15 000 kWh/a senken, sind folgende Rücklagen erforderlich:
● K1: 4300 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 6200 Euro)
● K2: 6300 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 9600 Euro)
● K3: 8300 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 12 950 Euro)
● K4: 8150 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 12 050 Euro)
Eine andere Reaktion könnte sein, dass die Nutzer der Gas-Heizung auf die steigenden Preise mit einer größeren Maßnahme reagieren. Bezüglich der CO2-Kosten ist sie am wirksamsten, wenn sie möglichst früh realisiert wird. Hier wird eine Umsetzung Anfang 2027 unterstellt, die den Gasverbrauch von zuvor 20 000 kWh/a einmalig um 25 % auf 15 000 kWh/a absenkt. Dann sind folgende Rücklagen erforderlich:
● K1: 3800 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 5600 Euro)
● K2: 5650 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 8650 Euro)
● K3: 7500 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 11 750 Euro)
● K4: 7200 Euro (ohne Verzinsung der Rücklage: 10 700 Euro)
Für die beiden Einspar-Varianten sei angemerkt, dass die Maßnahmen nicht nur die CO2-Kosten verringern, sondern in größerem Umfang auch die anderen Kosten der Gasversorgung senken.
K1 beruht auf der optimistischen Annahme, dass die Energiewende im Gebäude- und Verkehrssektor auch bei geringem CO2-Preis weitgehend dem Zielpfad entspricht. Ähnlich sieht es mit K2 aus, da die Kurve erst ab 2031 einen CO2-Preis über 100 Euro/t erreicht. Mehrere Studien gehen in ihren Szenarien (mit großer Unsicherheit bei den Annahmen) von deutlich höheren CO2-Preisen und einem breiten Reagieren erst bei CO2-Preisen über 200 Euro/t aus. Trotzdem ist das „Investitionsbudget“ auch bei den Kurven K1 und K2 bei heute typischen Energieverbräuchen erheblich.
Die Kurven K3 und K4 liefern trotz sehr unterschiedlicher Verläufe in der Summe ähnliche Ergebnisse. Für alle Kurven zeigt sich, dass der finanzielle Handlungsspielraum bei höheren Energieverbräuchen erheblich ist.
Exkurs Grüne Gase – Worauf man sich einstellen muss
Biomethan, Wasserstoff gleich welcher Farbe, und auch synthetisch hergestelltes Methan (SNG) werden für längere Zeit nicht günstiger als fossiles Erdgas inklusive CO2-Kosten in dem oben verwendeten Preisrahmen sein. Dieser Fall kann nach marktwirtschaftlichen Bedingungen erst eintreten, wenn grüne Ersatzbrennstoffe mit einem Überangebot zur Verfügung stehen. Die Pflicht zur anteiligen Nutzung grüner Gase, beispielsweise über die Erfüllungsoption Gas-Heizung im Gebäudeenergiegesetz, wird dadurch nicht günstiger als Erdgas mit CO2-Bepreisung sein.
Wäre es anders, würden alle Gaskunden zu grünen Gasen wechseln und die Wärmewende wäre abgeschlossen. Dies gilt ähnlich auch für grüne Varianten von Heizöl und Flüssiggas. Man kann daraus nicht automatisch ableiten, dass die Vollkosten einer Grün-Gas-Heizung unwirtschaftlich sind. Sobald man jedoch erkennt, dass dies für eine Erdgas-Heizung gilt, ist dies auch für eine Grün-Gas-Heizung anzunehmen. ■
Quellen: BMWSB/BMWK-Info zu § 71 Abs. 11, eigene Berechnungen / jv
Im Kontext:
2024-08: Vergleich der Energiekosten: Wärmepumpe vs. Gas-Heizung
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