„Deutschland kann im Jahr 2050 zu 100 % klimaschonend mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden.“ Das erklärte der Vorsitzende des SRU1) (Sachverständigenrat für Umweltfragen), Prof. Dr. Martin Faulstich, heute (5. Mai 2010) im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages. Dort präsentierte der SRU seine Szenarien für eine regenerative Stromversorgung in Deutschland. Prof. Faulstich forderte: „Die Bundesregierung muss jetzt die Weichen für den Umbau des Energiesystems stellen.“ Der Energieexperte des Rates, Prof. Dr. Olav Hohmeyer, betonte: „Für die Übergangszeit sind weder Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke noch neue Kohlekraftwerke erforderlich. Die Brücke zu den erneuerbaren Energien steht bereits.“
Mit verschiedenen Szenarien zeigt der SRU, dass eine vollständig erneuerbare Stromversorgung bis 2050 zu wettbewerbsfähigen Kosten möglich ist. Dabei ist Versorgungssicherheit zu jeder Stunde des Jahres gewährleistet. Damit ergibt sich zugleich eine Chance für nachhaltige Innovationen, die den Standort Deutschland auch in diesem Bereich zukunftsfähig machen. Die Szenarien stützen sich auf Modellberechnungen des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt).
Wesentliche Ergebnisse der Szenarien sind:
- Das nachhaltig nutzbare Potenzial an erneuerbaren Energien in Europa übersteigt nachweislich den heutigen und auch den zukünftigen Strombedarf um ein Vielfaches.
- Da das Angebot von Wind- und Sonnenenergie jedoch erheblich schwankt, müssen zur Deckung der Nachfrage Speicher und Netze ausgebaut werden. Für die Speicherung von Strom setzt der SRU auf eine enge Zusammenarbeit vor allem mit den skandinavischen Staaten wie Norwegen und Schweden. Eine Verbindung skandinavischer Wasserkraft- und Pumpspeicherpotenziale mit den deutschen Erzeugungskapazitäten kann beispielsweise die erforderlichen Ausgleichsmöglichkeiten schaffen und damit die Kosten senken. Der SRU zeigt auch, wie eine sichere und kostengünstige Stromversorgung in einem größeren europäisch-nordafrikanischen Verbund ausgestaltet werden könnte.
- Die Stromgestehungskosten in einem vollständig auf erneuerbaren Energien beruhenden System sind nach den Berechnungen des SRU wahrscheinlich sogar niedriger als bei einem Mix aus regenerativen und CO2-armen konventionellen Energiequellen. Die Kosten für Erzeugung, Speicherung und internationalen Netzausbau könnten sich 2050 zwischen etwa 6 und 7 ct/kWh bewegen, wenn die Politik auf stringente Effizienz und Einsparung sowie einen europäischen Verbund setzt. Die Stromgestehungskosten machen für private Haushalte etwa ein Drittel des Strompreises aus.
- Die anstehende Erneuerung des Kraftwerkparks in Deutschland bietet besonders günstige Voraussetzungen dafür, die Stromversorgung in Deutschland auf erneuerbare Energien umzustellen. Die heute bestehenden und die bereits im Bau befindlichen konventionellen Kraftwerke können dabei entsprechend ihrer normalen Lebensdauer sukzessive vom Netz gehen und – nach Einschätzung des SRU – durch den Zubau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten ersetzt werden.
Damit sei klar, dass weder eine Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken noch der Bau neuer Kohlekraftwerke mit CO 2 -Abscheidung und -speicherung notwendig für den Übergang zur erneuerbaren Stromversorgung sind. Der SRU warnt davor, dass durch signifikante Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke Überkapazitäten im System entstehen. Die konventionellen Kraftwerke seien auf Dauer nicht mit der erneuerbaren Stromerzeugung vereinbar, da ihre Leistung nicht schnell genug an die Schwankungen der Wind- und Sonnenenergie angepasst werden kann. Das dauerhafte Nebeneinander von konventioneller und wachsender erneuerbarer Stromerzeugung würde das System ineffizient und unnötig teuer machen.
- Der Ausbau von Netzen und Speichern innerhalb Deutschlands und in der EU ist die größte Herausforderung für einen schnellen Übergang zur regenerativen Stromversorgung. Hier muss dringend und rasch gehandelt werden. Der SRU empfiehlt der Bundesregierung, bei der Ausbauplanung eine sehr aktive Rolle einzunehmen.
Die vom SRU vorgestellten Szenarien sind Teil eines Sondergutachtens zur Zukunft der Stromversorgung, das der SRU im Herbst dieses Jahres veröffentlichen wird. In diesem Sondergutachten werden insbesondere die politischen, rechtlichen und ökonomischen Voraussetzungen für die Transformation des Stromsystems hin zu einer vollständig regenerativen Versorgung ausführlich behandelt. Vorab wurden Szenarien veröffentlicht ( zum Download ). ToR
1) Der SRU berät die Bundesregierung seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik. Die Zusammensetzung des Rates besteht aus sieben Universitätsprofessorinnen und -professoren verschiedener Fachdisziplinen für eine wissenschaftlich unabhängige und umfassende Begutachtung, sowohl aus naturwissenschaftlich-technischer als auch aus ökonomischer, rechtlicher, politikwissenschaftlicher und ethischer Perspektive.
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