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Brennstoffzellen-Heizgeräte

Warten ist die falsche Botschaft

„Der potenzielle Häuslebauer sollte schon mal an eine Brennstoffzellen-Heizung in seinem Keller denken.“ Gebetsmühlenartig werden solche Plattitüden von Jahr zu Jahr wiederholt – neuerdings eher zum Missfallen der klassischen Anbieter von Heizkesseln. Nach aktuellen Erkenntnissen der Marktforscher fördern solche gut gemeinten Aussagen nur die ohnehin abwartende Haltung des Endverbrauchers. Verantwortlich für die diesjährige Fehleinschätzung des Brennstoffzellen-Heizgeräts ist ausgerechnet Tobias Fair PR, Veranstalter des Gemeinschaftsstandes Wasserstoff und Brennstoffzellen im Rahmen der Hannover Messe „Energy“, die im April 2008 stattfand.

Kaum jemand, der sich ernsthaft mit der Brennstoffzelle (BZ) beschäftigt, nimmt die Markteinführungstermine der Brennstoffzellenbranche inzwischen noch für bare Münze, denn weder die Automobilindustrie noch die BZ-Heizgerätehersteller konnten bisher ihre oft lautstark publizierten Startpunkte für die Serienfertigung einhalten. Selbst die Japaner rudern derzeit zurück. Statt einer Million Mikro-KWK-Geräte auf Brennstoffzellenbasis, wie noch im letzten Jahr vom VDMA prognostiziert, werden aktuellen Meldungen der Zeitschrift Technology Review zufolge bis 2010 allenfalls 20000 Einheiten und bis zum Jahr 2015 an die 300000 BZ-Heizgeräte erwartet.

Milliardenschweres Förderprogramm

Um von den Entwicklungen in Japan und den USA nicht überrollt zu werden und die seit Anfang der 1990er Jahre getätigten Investitionen in die Brennstoffzelle nicht zu gefährden, hat die Bundesregierung noch im letzten Jahr ein milliardenschweres Innovationsprogramm zur Weiterentwicklung und Markteinführung der Brennstoffzelle auf den Weg gebracht. Im Rahmen des sogenannten NIP-Programms (Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) stehen – verteilt auf zehn Jahre – rund 1,4 Mrd. Euro bereit, um die vorhandenen Entwicklungen zur Marktreife zu bringen.

Knapp die Hälfte des Etats stammt aus öffentlichen Haushalten, die andere Hälfte will die Industrie beisteuern. Auch die EU sowie die G8-Staaten wollen ähnliche Programme auflegen, damit die von Rückschlägen gebeutelte Technologie doch noch zum Durchbruch kommt. Allerdings sollen über 50 % der Forschungsmittel dem Bereich ­Verkehr zufließen und nur etwa 24 % den Haus­energieanlagen. Etwa 12 % geht in die Entwicklung industrieller Brennstoffzellenaggregate, ähnlich der bekannten Hot-Modul-Brennstoffzelle. Die restlichen 10 % sollen Spezialanwendungen zukommen, wie Notstromaggregaten, Batterieersatz und Backup-Stromversorgungsanlagen.

In Phase I (2007–2010) des NIP-Programms geht es bei den BZ-Heizgeräten hauptsächlich um die Erhöhung von Zuverlässigkeit und Lebensdauer, die Reduktion der Systemkomplexität (Vereinfachungsforschung) und der Kosten, die Technologie-Validierung unter Alltagsbe­dingungen sowie die Akzeptanz bei Kunde und Handwerk.

Ganz konkret soll ein elektrischer Wirkungsgrad der Geräte von 30 bis 33 % bei einem Gesamtwirkungsgrad zwischen 84 und 90 % erreicht werden. Die Zeitstandsfestigkeit der Stacks müsste bei mindestens 10000 Betriebsstunden liegen. Für diese Phase sind rund 450 Geräte für Demonstrationsvorhaben definiert.

In Phase II (2011 bis 2015) geht es dann um die nochmalige Verbesserung von Wirkungsgraden und der Stack-Lebensdauer (mehr als 25000 Betriebsstunden) bei gleichzeitiger Reduzierung der Gerätegesamtkosten. Bis 2012 sollen rund 2250 Geräte in Betrieb sein.

Wenn das Programm wie geplant läuft, könnte das Jahr 2012 der Startpunkt für den Aufbau einer Serienproduktion sein, die dann stufenweise und in Abhängigkeit der Erfahrungen erhöht wird. Zielvorgabe des NIP-Projekts ist die Produktion von jährlich 72000 Geräten im Jahr 2020 zu einem Preis, der bis dahin nur noch etwa 1700 Euro/kW über dem für eine konventionelle Heizung liegen soll.

Parallel dazu werden auch industrielle KWK-Anlagen auf Brennstoffzellenbasis im Leistungsbereich von 100 kW bis in die MW-Klasse im ­Rahmen des NIP-Programms weiterentwickelt. Entwicklungspartner deutscher Firmen sind hier hauptsächlich US-Unternehmen. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf die Auskopplung von Hochtemperaturwärme zum Antrieb von Absorp­tionskältemaschinen sowie zur Stromerzeugung über ORC-Prozesse gelegt werden.

Ob die im NIP-Programm definierte „Markt­reife“ bis zum Jahr 2012/15 erreicht werden kann, hängt nach Ansicht von Beobachtern auch davon ab, inwieweit komplementäre EU-Programme in Gang kommen und welche Markteinflüsse von Herstellern aus den USA und Japan zu erwarten sind. Zum Vergleich: Die öffentliche Förderung für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie beträgt in den USA rund 250 Mio. US-$ pro Jahr, in Japan sogar 300 Mio. US-$ pro Jahr.

Wenig Neues bei den IBZ-Mitgliedern

Die Gemeinschaftsausstellung der Initiative Brennstoffzelle (IBZ) im Rahmen der Hannover Messe „Energy“ bzw. des Gemeinschaftsstandes „Hydrogen+Fuel Cells“ zeigte dieses Jahr weitgehend bereits bekannte Exponate im Bereich der Klein-BZ-Heizgeräte. Alle Mitglieder sind zuversichtlich, dass die noch erheblichen Entwicklungsanstrengungen im Rahmen des NIP-Programms bewältigt werden können.

Baxi Innotech will bereits ab 2010 mit einer „Kleinserie“ beginnen mit dem Ziel, ab 2013 die technische Marktreife zu erlangen. Auch Hexis zeigte sich in Hannover optimistisch. Bereits 2012 wird mit einer „breiten Markteinführung“ der Galileo-Serie gerechnet. Vaillant hält sich mit Marktführungsprognosen zurück, fährt aber zweigleisig: Mit Plug-Power wird ein BZ-Heizgerät für Mehrfamilienhäuser und kleine Gewerbeanwendungen entwickelt, mit einer Webasto-Tochter ein Gerät für das Einfamilienhaus.

Viessmann setzt wie kein anderes Unternehmen auf eine eigene Entwicklung – von der Gasaufbereitung (Reformer) bis zum Brennstoffzellen-Stack. Entwicklungsziel seien Geräte, die für den Heizungsfachmann, Wartungsmonteur und Nutzer ähnlich einfach aufgebaut sein sollen wie konventionelle Heizgeräte. Neben dem bekannten BZ-Modell zeigte Viessmann in Hannover auch sein Stir­ling-Mikro-KWK-Gerät mit 1 kW elektrischer und 6 kW thermischer Leistung. Erste Feldtests seien in Vorbereitung. Mit der Markteinführung sei jedoch „nicht vor 2009“ zu rechnen.

Insider erwarten, dass die maßgeblichen Entwickler von BZ-Heizgeräten auf der ISH 2009 bereits marktreife Stirling-Mikro-KWK-Geräte vorstellen werden, um die offensichtlich vorhandenen Marktbedürfnisse nach Mikro-KWK abzudecken.

Fazit

Das Brennstoffzellen-Heizgerät hat noch einen erheblichen Entwicklungsbedarf bis zur Aufnahme einer Massenfertigung. Vor 2015 wird es kaum Geräte geben, die einfach so über den Großhandel bezogen werden können. Wer den Endverbraucher jetzt schon auffordert, über den Einbau einer Brennstoffzellen-Heizung in seinem Keller nachzudenken, erweist den Herstellern dieser Geräte, die zum größten Teil vom Heizkesselverkauf leben, einen Bärendienst. Gerade das NIP-Programm macht deutlich, dass die Branche noch einen langen Weg vor sich hat. Ungleich schneller werden die als eher unkompliziert geltenden Stirling-Mikro-KWK die Rolle des Heizkeller-Kraftwerks einnehmen.

„Brennstoffzellen-Autos bald serienreif“

Auch die Brennstoffzelle für Autos steht seit Jahren immer „kurz vor der Markteinführung“. Jetzt soll die B-Klasse von Mercedes-Benz als „F-Cell“ endlich an den Start gehen; die Kleinserienproduktion ist für 2010 geplant. Noch 1999 hatten Daimler-Manager vollmundig erklärt, ab 2004 die ersten Brennstoffzellen-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Damals gingen pessimistische Marktforscher von „allenfalls 50000 BZ-Autos im Jahr 2010“ aus.

Ob für die F-Cell-Cars jemals ein Massenmarkt mit der erhofften positiven Ausstrahlung auf die Brennstoffzellen-Heizgeräte entstehen wird, ist derzeit eher zweifelhaft. Signale aus der Automobilindustrie und deren Zulieferer deuten eher auf einen Wechsel zu Hybridfahrzeugen als Einstieg in das batteriebetriebene Elektroauto hin. Als Grund für das Umdenken bei den Autobauern werden unter anderem die hohen Kosten einer Wasserstoff-Infrastruktur genannt.

So investieren Automobil- und Zuliefererindustrie derzeit immense Summen in die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien, um die Reichweite von Hybrid-, Plug-in-Hybrid- und Elektroautos mit Batterieantrieb zu erhöhen. Marktbeobachter sprechen bereits von einer neuen Wettbewerbs­situation, die das Aus für das mit enormen Investitionen belastete brennstoffzellenangetriebene Auto bedeuten könnte. Eine Studie des Gelsenkirchen Center of Automotive Research (CAR) zufolge wird sich der Siegeszug des Elektroautos in einem unglaublichen Tempo entwickeln: Der „Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung“ erklärte der Verfasser der Studie, Ferdinand Dudenhöffer: „Wir gehen davon aus, dass vom Jahr 2025 an alle Pkws, die in Europa verkauft werden, reine Elektroautos, Parallelhybrid- oder Seriellhybrid-Fahrzeuge sind.“

Heizgerätebranche fehlt einheitliches „Wording“

Die Entwickler von Brennstoffzellen-Heizgeräten halten sich neuerdings mit Hinweisen auf die ­bevorstehende Massenfertigung von BZ-Heizgeräten eher zurück. Spätestens im letzten Jahr hat die Branche erkannt, dass sie mit allzu viel Getöse um innovative Heizsysteme den Endverbraucher nur verunsichert. Dieser quittierte das Überangebot an Informationen zum Thema Energiespar­heiztechnik mit „warten“. Im doppelten Sinn: Er ließ seine alte Heizung nochmals gründlich warten. Nun wartet er, bis ihm endlich jemand verbindlich vorrechnen kann, welche Art von Heizung für ihn künftig infrage kommt.

Tat er sich schon in der Vergangenheit schwer damit, sich von seinem Umstellbrandkessel zu ­verabschieden und einen modernen Brennwertheizkessel einzubauen, so wird ihm in Zukunft die Entscheidung noch schwerer fallen, ökologisch korrekt Energie einzusparen und sich gegen Energiepreissteigerungen abzusichern. Er wird sich fragen: Soll ich eher die Brennwertheizung mit Solar­kollektoren kombinieren oder doch eher weg von Öl und Gas, hin zur Elektrowärmepumpe? Mit Blick auf die hohe Stromrechnung des Nachbarn fragt er sich vielleicht auch, spare ich mit einer Wohnungslüftung wirklich Primärenergie ein oder ist es nicht ökologisch korrekter, in einen ­Pellet-Heizkessel zu investieren?

Älteren technisch interessierten Männern wird sogar ein Faible für Mikro-KWK-Geräte mit Verbrennungsmotor nachgesagt, egal ob so ein Maschinchen für das eigene Haus wirtschaftlich ist oder nicht. Vielleicht reicht dem potenziellen Stromproduzenten aber auch ein Stirling-Mikro-KWK-Gerät, das weniger Platz braucht, sehr viel leiser ist als die Aggregate mit Verbrennungsmotor und mit ­weniger Bedienung und Wartung auskommt.

Und bald wollen alle Leute auch noch Strom für ihr Plug-in-Hybrid-Auto oder den Elektro-Flitzer mit Lithium-Ionen-Batterie. Aber reicht dafür überhaupt der Strom? Bin ich als konsequenter Energiesparer (Wärmepumpe, Wohnungslüftung, Elektroauto) dann eventuell mitverantwortlich, wenn im Winter die Lichter ausgehen, wo es ohnehin schon an Kraftwerkskapazitäten mangelt? Man darf also gespannt sein, mit welchen Argumenten künftig die aktuellen und die noch kommenden Errungenschaften zum Energieeinsparen dem Endverbraucher schmackhaft gemacht werden.

CO2- und Primärenergie-Einsparquoten der immer zahlreicher werdenden Heizvarianten – sofern überhaupt schon welche existieren – helfen dem Endverbraucher wenig. Über Ökobilanzen hinaus will er auch wissen, welche Energieträger in den nächsten 15 Jahren verfügbar und bezahlbar bleiben. Die Heizungsbranche täte deshalb gut daran, ihre Argumente gegenüber dem Kunden stärker zu koordinieren. Für ein fabrikatübergreifendes „Wording“ ist es höchste Zeit.

Wolfgang Schmid

ist Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@netsurf.de

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