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Mit der Umsetzung von Reinigungs- und Verhaltensregeln zur Vermeidung der Verbreitung des Coronavirus bei Personenaufzügen und Fahrtreppen sind aktuell insbesondere die Betreiber gefordert. Viele der notwendigen Maßnahmen stellen die Nutzer mitunter selbst bei geringer Auslastung auf eine harte Geduldsprobe.
Gerade deshalb wird das Thema künftig Aufzugshersteller, Architekten, TGA-Planer und die Regelwerksetzer stark beschäftigen und auch der Digitalisierung der Personenbeförderung in Gebäuden einen Schub geben – bis zum elektronischen Ticket für eine genaue Abfahrtzeit.
Hygiene in Aufzügen und Fahrtreppen dient dazu, die Nutzer vor Ansteckung über die (feuchte) Luft oder über den Kontakt mit Oberflächen durch technische Maßnahmen und Verhaltensregeln zu schützen.
Aufzugs- und Aufzugskomponentenhersteller/-bauer tragen zur Lösung bei wie auch Planer, Betreiber, Facility Manager, Gebäudereiniger und die Nutzer. Die hier beschriebenen Ansätze stammen aus Deutschland, Europa, den USA und China.
Desinfektion und Reinigung
Auf Oberflächen, beispielsweise Bedientableaus von Aufzügen und Handläufe von Fahrtreppen, soll das Virus Sars-CoV-2 zwischen drei und neun Tagen überleben, am längsten auf Kunststoff und Edelstahl. Der Fachbereich Medizintechnik der VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences hat dazu einen Statusreport über den Stand der antimikrobiellen Oberflächentechnologien zur Infektionsprävention, den Einsatz von Werk- und Wirkstoffen sowie von Prüfverfahren zur mikrobiellen Belastung von Oberflächen verfasst (www.bit.ly/tga1271). Bronze verfügt beispielsweise über eine antimikrobielle Wirkung. Grundsätzlich gilt: Zwischen den manuellen, chemischen Desinfektionen durch Wischen sammeln sich Erreger auf den Oberflächen erneut an.
Im April 2020 haben der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks und die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) die Broschüre „Sars-CoV-2 Arbeitsschutzstandard für die Gebäudereinigung“ veröffentlicht (www.bit.ly/tga1272), in der auch die Reinigung von Aufzügen behandelt wird:
„Für diese Handkontaktflächen wird […] eine mindestens tägliche Reinigung empfohlen. Eine weitere Erhöhung des Reinigungsrhythmus insbesondere der Handkontaktflächen ist z. B. anzuraten für solche Bereiche, an denen sich viele Personen aufhalten (z. B. Eingangsbereiche […]) und dort für die Kontaktflächen, die von vielen Personen wechselnd benutzt werden. Im Verwaltungsbereich sind dies insbesondere […] Anforderungs- und Bedientasten und Griffe an / in Aufzügen. […] Wird eine Desinfektion als notwendig erachtet, so sollte diese generell als Wischdesinfektion durchgeführt werden.“
Als verstärkte Aufzugsreinigung empfiehlt z. B. thyssenkrupp elevator seinen Kunden „idealerweise einmal pro Stunde, vor allem Bedienelemente und Kabine“. Auch können die Knöpfe zusätzlich jedes Mal mit einem Schutzfilm überzogen werden. Aufzugswände und -böden werden in manchen Unternehmen zweimal am Tag gereinigt. Für alle diese Reinigungen muss zusätzliche Zeit und / oder zusätzliches Personal bereitgestellt werden. Für die Nutzer können Reinigungstücher und / oder Händedesinfektionsstationen in der Nähe von Aufzügen und Fahrtreppen bereitgestellt werden.
Lüftung der Aufzugskabine
Um die Innenraumluftqualität zu verbessern und gegebenenfalls entsprechende Anforderungen zu erfüllen, finden für Aufzugskabinen Lüftungsanlagen und z. B. bei Feuerwehraufzügen auch Klimaanlagen Anwendung. Im April 2020 hat REHVA, die Vereinigung
der Europäischen Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen Verbände, einen Leitfaden zum Betrieb und zur Nutzung der Gebäudetechnik herausgegeben, um der Ausbreitung des Covid-19-Erregers vorzubeugen (www.bit.ly/tga1273). Viele Erkenntnisse und Empfehlungen kann man von großen stationären Räumen auf kleine Aufzugskabinen übertragen.
REHVA empfiehlt eine Erhöhung des Frischluftanteils und weist darauf hin, dass eine gute Verteilung der Luft über den gesamten Raum bei niedriger Strömungsgeschwindigkeit wichtig ist. Auch der VDI empfiehlt, Raumluft durch Frischluft zu ersetzen und zur Reduktion der Keimkonzentration eine regelmäßige Instandhaltung durchzuführen (www.bit.ly/tga1274). Dazu gehört auch die Beachtung der Hygiene-Richtlinie VDI 6022 sowie die regelmäßige Instandhaltung nach den Empfehlungen von VDI 6022 und VDI 3810 Blatt 4.
Anregungen der Aufzugshersteller
REHVA stellt auch fest, dass Frischluft keine Infektionsquelle ist, sodass eine UV-Behandlung in den Luftbehandlungseinheiten nicht notwendig ist. Auch eine höhere oder zusätzliche Befeuchtung bietet laut REHVA keinen praktischen Nutzen. Andere Quellen raten außerdem vom permanenten Vernebeln von Wirkstoffen in Räumen ab, da dies für die Atemwege schädlich sein kann und keinen zusätzlichen Nutzen bringt.
Technische Lösungen
thyssenkrupp elevator hat am 22. April 2020 die im eigenen Haus bereits vorhandenen technischen Lösungen zur Vermeidung von Infektionen, u. a. mit Grippeviren, skizziert. Schindler hat am 25. Juni 2020 seine CleanMobility-Lösungen lanciert (www.bit.ly/tga1275). Kone hat seine Lösungen für berührungsfreien Personenfluss am 14. Mai 2020 vorgestellt: www.bit.ly/tga1276
Die berührungslose Bedienung des Aufzugs steht laut thyssenkrupp elevator noch am Anfang: „Eine weitere Entwicklung […] sind Fußschalter. Im konkreten Fall kann damit die Kabine per ‚Tritt‘ angefordert werden, anstatt eine Taste oder ein Touch-Screen mit der Hand berühren zu müssen.“
Der nächste Schritt sind „intelligente“ digitale Bedien- und Steuerungssysteme. Kone zeigt im Cube Berlin die Integration in die Gebäudetechnik: Das Smartphone öffnet dem Nutzer den Zugang zum Gebäude und ruft automatisch den Aufzug; Nutzer wählen ihre Wunsch-Etage über die Gebäude-App.
Schindler bedient sich einer vergleichbaren Zielrufsteuerung, bei der die App auch die Aufzugstüren öffnen kann. Das Produkt Liftboy der deutschen Firma Schaefer zur kontaktlosen Bedienung von Aufzügen via Smartphone kann nachgerüstet werden, weil es steuerungsunabhängig funktioniert. Im Zhongguancun Frontier Technology Innovation Center wurde ein „smarter“ Aufzug installiert, der eine Sprachsteuerung zur berührungslosen Bedienung nutzt; die Passagiere sagen dem Aufzug einfach, auf welche Etage sie möchten.
thyssenkrupp elevator setzt auf eine Gesichtserkennungslösung: „In Verbindung mit einem intelligenten Bedienfeld mit Gesichtserkennung ermöglicht es den Nutzern, den Aufzug zu bedienen. Eine Kamera erkennt den Fahrgast und sorgt sowohl für ein automatisiertes Heranholen der Kabine als auch für die Wahl des gewünschten Ziels. In Kombination mit entsprechenden Sprachsteuerungssystemen ermöglicht diese Lösung eine berührungslose Bedienung des Aufzugs.“
Eine weitere Option ist die Oberflächendesinfektion. Das Produkt TiTANO (2) von UVIS UV-Innovative Solutions (www.uv-is.com) kann z. B. bei Bedienpanelen von Aufzügen eingesetzt werden. Die Beschichtung kann nachträglich im Sprühverfahren aufgebracht werden und hält laut Anbieter auf den betreffenden Oberflächen etwa ein Jahr. Stingl liefert einen Tableau-Schutz, der mit selbstklebenden Klettbändern befestigt wird. Adrail USA (www.adrailusa.com) verwendet mit Werbung bedruckte, antimikrobielle Laminate für die Handläufe von Fahrtreppen.
Automatisch desinfiziert Uventions (www.uventions.com): Keime werden mit UVC-Licht unschädlich gemacht, das immer dann einsetzt, wenn über optische Sensoren gesichert wurde, dass sich keine Personen im Raum befinden. Die Protokolle der Desinfektionsvorgänge lassen sich mit einer App, dem Cloud-Dashboard oder im eigenen Backend-System einsehen.
Für Fahrtreppen bieten beispielsweise EHC Global aus Kanada (www.bit.ly/tga1277) oder auch UVIS (siehe TGA-Fachplaner 11-2019 www.bit.ly/tga1278) ein kompaktes LED-UV-C-Handlauf-Sterilisationsmodul an.
Mit einer Kombination von Luft und Licht arbeitet IGV aus Italien (www.bit.ly/tga1279), um Aufzugskabinen aktiv zu desinfizieren. Neben dem UV-C-Licht setzt das Unternehmen auf ein mechanisches Ventilationsgerät mit Filter mit einer Holzkohle-Membran, das die Umluft reinigt.
Laut thyssenkrupp elevator ist „Multi das weltweit erste seillose Aufzugsystem mit unabhängig voneinander fahrenden Kabinen, die sich horizontal und vertikal durch mehrere Schächte bewegen können […] mit deutlich kleineren Kabinen. Das ermöglicht nicht nur die Fahr- und Wartezeiten kurz zu halten, sondern sorgt auch dafür, dass weniger Menschen gleichzeitig eine Kabine nutzen.“ Das Unternehmen bietet außerdem automatische Handlauf-Desinfektionsgeräte für Fahrtreppen und Fahrsteige an.
Verhaltensregeln
Was die Nutzer beitragen können, zeigt (3). Hinzu kommen:
Müssen Abstandsregeln eingehalten werden, sollten nur so wenig wie möglich Passagiere in der Kabine sein, also möglichst nur eine Person. Als grobe Anhaltspunkte können gelten: Zwei Personen bei einer Kapazität bis 800 kg, drei Personen bei 800 bis 1000 kg, vier Personen bei 1000 bis 1500 kg. Wenn ein Aufzug also für zehn Personen ausgelegt ist, aber nur zwei befördert, reduziert sich die Transportkapazität auf 20 %.
In der Kabine und auf den Fahrtreppen sollten die Passagiere so weit wie möglich voneinander entfernt stehen, beispielsweise in diagonal gegenüberliegenden Ecken des Aufzugs. Ist die Kabine größer und voller, ist die Position Rücken an Rücken zu bevorzugen.
Es kann auch eine Aufsichtsperson in der Kabine mitfahren, die – mindestens mit FFP2-Maske und Handschuhen ausgestattet – schützende Maßnahmen ergreift, z. B. den Druckknopf für die Fahrgäste drückt. Solche Personen können auch auf den Etagen eingesetzt werden und die Passagiere alternativ zu einer Fahrtreppe oder Treppe lotsen. Eine technische Lösung bietet Schindler’s Ahead DoorShow, die Inhalte auf Aufzugstüren projiziert. Im April 2020 verkündete Schindler Aufzüge Singapur, dass man darüber auch Botschaften zum Social Distancing an die Bewohner eines Gebäudes senden könne.
Die BG Bau weist auf die Sicherstellung ausreichender Schutzabstände hin: „Die Nutzung von Verkehrswegen (u. a. […] Aufzüge) ist durch den Betreiber so anzupassen, dass ausreichender Abstand eingehalten werden kann. Wo erfahrungsgemäß Personenansammlungen entstehen ([…] Aufzüge etc.), sollen Schutzabstände der Stehflächen z. B. mit Klebeband markiert werden.“
Um Passagiere zu schützen, muss man den Einlass der Passagiere in die Kabine lenken, z. B. durch Vereinzelungsanlagen oder Boardingsysteme wie im Flugzeug. Die Software-Firma Salesforce plant, dass die Angestellten „Einchecken“, bevor sie zu Hause zur Arbeit aufbrechen, um dann ein „Ticket“ für die genaue Abfahrtszeit ihres Aufzuges zu erhalten.
Wie geht es weiter?
Aufgrund der sich ständig ändernden Informations- und Vorschriftenlage ist eine ständige Aktualisierung und Ergänzung des allgemeinen Infektionsschutzes bei Aufzügen und Fahrtreppen notwendig. Die aktuelle Ausgangslage aus Sicht der europäischen Aufzugsindustrie ist dafür in einem gemeinsamen Dokument der beiden europäischen Aufzugsverbände ELA und Efesme festgeschrieben: www.bit.ly/tga1280
Generell können das Bauen und die Gebäudetechnik einen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge leisten, wenn sich „smarte“ Städte durchsetzen. Die Architekten werden mehr Aufzüge planen müssen, um Enge in den Aufzugskabinen zu vermeiden. Auch die Aufzugslobbys von höheren Gebäuden und Hochhäusern müssen neu durchdacht werden. Eine Stunde Wartezeit und eine Schlange aus dem Gebäude bis an die nächste Straßenkreuzung, wie sie heute in manchen Großstädten zu sehen, ist auf Dauer intolerabel.
Und die Aufzugskabinen werden geänderten Vorgaben folgen, um den empfohlenen Abstand von 1,5 m zwischen den Personen in einer Aufzugskabine zu ermöglichen. Heute sind in DIN EN 81-20 unter Hygieneaspekten die Anzahl der Personen zu hoch und deren nutzbare Mindestfläche zu gering bemessen. Außerdem wird die Kabine in Zukunft wohl intensiver belüftet und häufiger klimatisiert werden.