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11. Kermi TGA-Kongress

Farben für Behaglichkeit

Analysiert man alle Vorgaben zur planerischen Auslegung von Heizflächen, existieren in den Regelwerken gegenläufige Vorgaben und Lücken. Beispielsweise soll eine Heizfläche neben der Heizlast auch den „Strahlungsentzug“ kalter Oberflächen (in der Regel Fenster) kompensieren, andererseits soll sie mit zunehmendem Dämmstandard eine immer größere Aufheizreserve zur Verfügung stellen. Anforderungen die eigentlich nicht zusammenpassen. Soll der Heizkörper in Kombination mit einer Abluftanlage gleichzeitig die thermischen Lasten nachströmender Außenluft kompensieren, sucht man in Normen und Richt­linien Auslegungsregeln vergebens.

„Für den Heizungsplaner eine missliche Situation“, so Prof. Dr. Ing. Wolfgang Richter, TU Dresden, in seinem Referat „Behaglich und dennoch energetisch effizient“. Denn seit einigen Jahren existieren in diversen planungs- und vertragsrelevanten Regelwerken Hinweise und Vorgaben zur Thermischen Behaglichkeit. Komprimiert bedeuten sie: Planer und Anlagenbauer müssen mit ihren Auftraggebern bzw. Bauherren ein bestimmtes Maß an Thermischer Behaglichkeit vereinbaren und dann anlagentechnisch umsetzen.

Fehlende Gesamtbetrachtung

Daraus ergeben sich bis heute (fast) ungelöste Probleme, weil die Regelwerke bisher keine ausreichende Integration anderer „Vorkommnisse“ im Raum haben. Insbesondere ist hier die fehlende Gesamtbetrachtung von Heizung und Lüftung zu nennen, denn beide sind an der Thermischen Behaglichkeit beteiligt. Letztendlich geht es dabei um einen ganz banalen Vorgang, nämlich um die Wärmeabfuhr des menschlichen exothermen Stoffwechselprozesses an die Umgebung. Richter: „Auf dieser Basis wird die Thermische Behaglichkeit als ‚anstrengungslose, nicht spürbare Wärmeabgabe’ definiert. Planern und Ausführenden hilft das allerdings so nicht weiter.“

Bisher hat man sich häufig mit dem Näherungsverfahren „operative Temperatur“ (berechnet aus der gewichteten Lufttemperatur und den Oberflächentemperaturen der Raumumschließungsflächen) begnügt. Sie berücksichtigt aber die Raumluftströmung nur unzureichend. Um dies zu kompensieren, wurde in der aktualisierten DIN EN 7730 „Ergonomie der thermischen Umgebung“ eine maximale mittlere Luftgeschwindigkeit ergänzt, siehe Tabelle 1. Richter: „Man wird Sie mit dieser Tabelle konfrontieren. Sicher nicht morgen, aber vielleicht schon übermorgen.“

Während Tabelle 1 hauptsächlich den bisher vorhandenen Interpretationsspielraum der Gerichte einschränkt, hilft sie dem Planenden im Konkreten nicht weiter. Er kann nicht nach der Ausführung messen und ggf. optimieren, sondern muss vor dem Bau abgesicherte Entscheidungen treffen. Das ist zwar mit einer Simulation möglich, mit einer dafür erforderlichen integrierten Strömungsberechnung ist sie aber noch Luxus. Richter geht davon aus, dass in Deutschland nur eine gute Handvoll wissenschaftlicher Institutionen sowie einige Ingenieurbüros die Kompetenz haben, die eingehaltene Kategorie der Thermischen Behaglichkeit vorherzusagen.

VDI-Richtlinie sollte Lücke schließen

Um diese Lücke zu schließen, war vor einigen Jahren die VDI-Richtlinie 6018 mit dem Arbeitstitel „Thermische und lufthygienische Anforderungen an Räume“ initiiert worden, an der Richter mit seinem Institut maßgeblich beteiligt war. Vorgesehen war, per Simulation Schaubilder für typische Standardfälle zu liefern. Mit diesen hätten Planer und Ausführende für Kombinationen aus Raumheizung und -lüftung erkennen können, welche Behaglichkeitskategorie eine vorgesehene Lösung erfüllen kann. Allerdings hat der VDI-Beirat zwischenzeitlich beschlossen, die Arbeiten an der Richtlinie einzustellen. Sodass bis heute nur eine Broschüre mit den zusammengefassten Erkenntnissen veröffentlicht wurde1).

Ein wesentliches Merkmal der Schaubilder ist, dass die unzureichenden Einzelaussagen von DIN EN 7730 zu einer summativen Thermischen Behaglichkeit zusammengefasst wurden. Geleitet von einer konservativen Annahme bestimmt dabei jeweils der ungünstigste Wert die erreichte Gesamtkategorie. So lassen sich Reklamationen bereits im Vorfeld vermeiden, aber auch der Energieverbrauch positiv beeinflussen. Richter: „Fühlt sich ein Nutzer thermisch nicht behaglich, reagiert er: Im einfachsten Fall dreht er den Raumthermostaten höher. Bei Zugluft gibt es aber auch genügend dokumentierte Fälle, bei denen Lüftungsanlagen ausgeschaltet oder Luftdurchlässe zugeklebt worden sind. Das gefährdet dann die Gesundheit und auch die Bausubstanz. Thermische Behaglichkeit ist also nicht nur eine geschuldete Eigenschaft, sondern eine Grundvoraussetzung, um Gebäude energieeffizient betreiben zu können.“

Kühlen mit dem Heizkörper

Thermische Behaglichkeit ist allerdings kein Bedürfnis, das sich auf die Heizperiode beschränkt. Mit der Definition der „anstrengungslosen, nicht spürbaren Wärmeabgabe“ ist der Sommerfall sogar noch viel stärker zu beachten. Richter: „Dazu kommt, dass die Komfortbedürfnisse steigen. Deswegen wird auch im Wohnungsbau das Thema Kühlung zwangsweise kommen, da sollte sich niemand etwas vormachen.“ Um Thermische Behaglichkeit gemäß Tabelle 1 zu realisieren, ist der Spielraum allerdings viel geringer.

„Der Kühlfall ist in der Planung, Dimensio­nierung und der Regelung noch viel kritischer, als der Heizfall.“ Richter verdeutlichte dies an einem üblichen Büroraum mit Strahlungskühldecke mit 100% Deckenbelegung, Außenjalousie, mittelschwerer Bauweise und 30 % Fensterflächenanteil. Betrachtet man hier den Einfluss der Raumsolltemperatur, wird bei einer operativen Temperatur im Referenzpunkt (600 mm über dem Schnittpunkt der Diagonalen der Raumfläche) von 24,5 °C (vgl. Tabelle 1) die summative Thermische Behaglichkeit der Kategorie A erreicht. Wird der Sollwert auf 26 °C erhöht, erreichen bereits weite Teile der Aufenthaltszone nur noch der Kategorie C. Bei 27 °C (vgl. Kategorie C in Tabelle 1) wird die Kategorie C in der Aufenthaltszone jedoch nicht mehr erreicht. Hätte man bei der Dimensionierung oder dem Regelregime das vermeintliche Toleranzband aus Tabelle 1 berücksichtigt, wäre trotz Kühlung keine Thermische Behaglichkeit herzustellen.

Besondere Aufmerksamkeit erregte Richter mit der Kühlung über normale Heizkörper. Stellt sich beispielsweise in einem Büroraum mit typischen thermischen Lasten, fester Außenverschattung, mittelschwerer Bauweise und 30 % Fensterflächenanteil eine Lufttemperatur von knapp 35 °C in 1,5 m Höhe ein, lässt sie sich bei einer Oberflächentemperatur am Heizkörper von 18 °C auf unter 29 °C bringen, bei 20 °C Oberflächentemperatur immerhin noch auf unter 30 °C. Angesichts der zurzeit laufenden Neubewertung der Raumlufttemperatur bezüglich der Leistungsfähigkeit könnte bei gleichzeitiger Minimierung der Kühllast also ein Heizkörper künftig durchaus eine interessante Option zur Erhöhung der Thermischen Behaglichkeit im Sommerfall sein. Allerdings müssen dafür noch die Heizkörperhydraulik und die Heizkörperregelung entwickelt werden: Das normale Heizkörperventil würde im Kühlfall schließen und beim Kühlwassereintritt von oben würde sich ohne Modifizierungen über wenige der Strömungskanäle ein Kurzschluss zum Rücklauf ausbilden.

Hydraulischer Abgleich ab Werk?

Prof. Dr.-Ing. Rainer Hirschberg, FH Aachen, stellte Ergebnisse aus einer Studie vor, die die Qualität des Hydraulischen Abgleichs durch eine werkseitige Voreinstellung der Thermostatventile untersucht. Grundgedanke ist, dass man obere und untere Grenzwerte für die Differenzdrücke am Thermostatventil durch die Festlegung bestimmter Parameter, wie das maximale Druckgefälle in Pa/m und den Wärmeerzeugertyp hinreichend genau über die beheizte Fläche ermitteln kann. Hirschberg kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich bis 1000 m2 beheizte Fläche bei beliebiger Rohrnetztopologie die kv-Werte für einen diskreten Heizkörper unabhängig von seiner tatsächlichen Position im Rohrnetz in einem so schmalen Band liegen, dass die werkseitige kv-Wert-Einstellung einer ­Ermittlung der Einstellwerte auf der Grundlage einer ausführlichen Berechnung „praktisch gleich kommt“. Ob die generelle werkseitige Voreinstellung ohne Bezug auf konkrete Projektparameter (Vor- und Rücklauftemperatur, variable Rücklauftemperatur nach VDI 6030) solche Ergebnisse liefern kann, wird in der Branche sicher noch kontrovers diskutiert werden. JV

1) Thermische Behaglichkeit im Niedrigenergiehaus. Teil 1: Winterliche Verhältnisse, Planungsleitfaden für Architekten und Fachplaner. 60 Seiten, Einzelbestellung 6,50 Euro. Bestellung auf: http://www.zukunft-haus.info , kostenfreier Download auf: https://www.bdh-industrie.de/

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