„Eine für jedermann ‚gerechte‘ Ausgestaltung der 65-%-EE-Vorgabe kann es nicht geben. Eine deutlich höhere CO2-Bepreisung könnte sie überflüssig machen und einen technologieoffeneren Markt gestalten.“
GV
Der Koalitionsausschuss vom 28. März 2023 hat noch einmal bestätigt, was er bereits am 24. März 2022 beschlossen hat: Gesetzlich festzuschreiben, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Neu ist lediglich der Zusatz, dass ein technologieoffener Ansatz verfolgt werden soll, und dass ausreichende Übergangszeiträume zur Verfügung stehen.
Was die Ampel darunter genau versteht, wird sich noch im April zeigen, dann soll die „pragmatisch ausgestaltete“ Novelle des Gebäudeenergiegesetzes auf den Weg gebracht werden.
Es gibt bereits Andeutungen, dass der Einbau von H2-ready-Heizkesseln als Erfüllungsoption ausreichen soll, wenn ein Transformationsplan für das Gasnetz vorliegt. Die physikalische Erfüllung würde damit allerdings im Mittel viel später als 2024 erfolgen. Ein ähnlicher Ansatz existiert jedoch auch bei Wärmenetzen.
Siehe auch: 65-%-Erneuerbare: H2-ready ist keine reale Erfüllungsoption
65/35-%-Logik zeitlich entkoppeln…
Eine pragmatische Ausgestaltung wäre auch, die 65/35-%-Logik zeitlich zu entkoppeln. Wer 2024 eine Gas-Heizung einbaut, darf auf Basis einer Betrachtung von 20 Jahren Nutzungsdauer 7 Jahre mit fossilem Gas heizen und muss dann auf einen Tarif mit klimaneutraler Gasbereitstellung wechseln oder die Gas-Heizung außer Betrieb nehmen. Das würde der Gaswirtschaft Zeit geben, die Gasversorgung zu transformieren. Denn nach eigenen Aussagen ist die Bereitstellung klimaneutraler Gas schon ab 2024 für den Marktbedarf völlig unrealistisch. Ob eine Gas-Heizung dann wirtschaftlich ist, hängt wie so oft vom Einzelfall, insbesondere von einem geringen Gasverbrauch ab.
…oder den Anstieg des CO2-Preises vorziehen
Allerdings zeigt das vom Koalitionsausschuss beschlossene „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ einen besseren und weitgehend technologieoffenen Weg: Um den Antriebswechsel für Lkw und schwere Nutzfahrzeuge zu beschleunigen, sollen zum 1. Januar 2024 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vorgenommen und ein CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro/tCO2 eingeführt werden. Die Einnahmen sollen auch zur Finanzierung von Bahnprojekten genutzt werden. Zahlen müssen die Bürger, denn solche Aufschläge werden schlichtweg durchgereicht.
Eine Übertragung auf die fossilen Bestandteile der Energieträger zur Beheizung von Gebäuden könnte 65-%-Regeln weitgehend überflüssig machen und würde gleichzeitig den notwendigen wirtschaftlichen Anreiz zur Transformation der Gasversorgung geben. Wobei mir eine plötzliche Erhöhung der CO2-Bepreisung auf 200 Euro/tCO2 etwas rabiat vorkommt. Ein Aufschlag in 50-Euro-Stufen ab 2025 würde den Eigentümern und dem Markt den notwendigen Spielraum geben. Im Jahr 2027 wäre bei 200 Euro/tCO2 für Erdgas bezogen auf den Brennwert (Hs) ein CO2-Preis von 4,32 Ct/kWh inklusive 19 % Mehrwertsteuer zu entrichten. Bei einem rein fossilen Gasverbrauch von 18 000 kWhHs/a würde dies CO2-Kosten von 777 Euro/a bedeuten.
Allerdings kann die Gaswirtschaft ihr Versprechen „vergleichsweise geringer Kosten einer Gasversorgung mit Wasserstoff und Biomethan“ einlösen und die CO2-Kosten für die Verbraucher durch eine Beimischung oder vollständige Substitution senken. Auf dieser Basis würde mit offeneren Karten gespielt und Heizungsbesitzer hätten bei der nächsten Heizungsmodernisierung eine bessere Entscheidungsgrundlage.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA+E Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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Information zur zwischenzeitlichen Entwicklung: Nach der politischen Einigung auf eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) am 31. März 2023 haben die zuständigen Ressorts – das Bundesbauministerium und das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium – am 3. April die Länder- und Verbändeanhörung zu der Gesetzesnovelle gestartet. Bei der Erfüllungsoption „H2-ready-Gas-Heizungen“ setzt auch der Entwurf der GEG-Noelle auf eine zeitliche Entkopplung der 65/35-%-Logik, allerdings fällt sie etwas hinter 65/35 % zurück: Heizungen, die auf 100 % Wasserstoff umrüstbar sind, dürfen eingebaut werden, wenn es einen verbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze gibt und diese Heizungen schon 2030 mit mindestens 50 % Biomethan oder anderen grünen Gasen und spätestens ab 2035 mit mindestens 65 % Wasserstoff betrieben werden.