Erneuerbare Energien haben im 1. Halbjahr 2024 rund 58 % des Bruttoinlandstromverbrauchs in Deutschland gedeckt. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoinlandstromverbrauch im 1. Halbjahr 2024 lag mit rund 58 % fast 6 Prozentpunkte höher als im 1. Halbjahr 2023 (52 %). Und über das gesamte Halbjahr deckten erneuerbare Energien mehr als die Hälfte des monatlichen Stromverbrauchs. Seit April verzeichneten sie monatlich einen Anteil von 59 %. Insbesondere Photovoltaik-Anlagen produzierten im 1. Halbjahr 2024 mit insgesamt 37 TWh (Mrd. kWh) deutlich mehr Strom als im Vorjahr – auch aufgrund des Rekordzubaus im Jahr 2023. Im Juni 2024 produzierten Photovoltaik-Anlagen nach vorläufigen Berechnungen zum ersten Mal innerhalb eines Monats mehr als 10 TWh Strom. Auch die Wasserkraft trug im ersten Halbjahr mit 12 TWh Strom für ihre Verhältnisse überdurchschnittlich stark zur Stromerzeugung bei.
Die Erzeugungszahlen im Einzelnen
Im ersten Halbjahr 2024 lag die Bruttostromerzeugung bei 252 TWh – ein Rückgang von knapp 5 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum (1. Halbjahr 2023: 265 TWh). Dem stand ein Stromverbrauch von rund 250 TWh gegenüber (1. Halbjahr 2023: 250 TWh). Insgesamt wurden knapp 150 TWh Strom aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen erzeugt (1. Halbjahr 2023: 120 TWh). Davon stammten rund
● 62 TWh aus Wind an Land,
● 37 TWh aus Photovoltaik,
● 25 TWh aus Biomasse,
● 14 TWh aus Wind auf See und
● 12 TWh aus Wasserkraft.
Aus konventionellen Energieträgern wurden 102 TWh erzeugt, im Vorjahreszeitraum waren es 120 TWh. Die Kernenergie, die im 1. Halbjahr 2023 noch 7 TWh Strom lieferte, leistet seit der endgültigen Stilllegung der letzten drei Kernkraftwerksblöcke zum 15. April 2023 keinen Beitrag mehr zur Stromerzeugung in Deutschland.
Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch im 1. Halbjahr 2024 beträgt rund 58 %. Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab.
Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge, also auch die exportierten Strommengen. Der Anteil erneuerbarer Energien im 1. Halbjahr 2024 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt 60 %.
Exkurs
Die Summe aus Nettostromerzeugung und Stromimporten ergibt das Stromaufkommen. Abzüglich der Stromexporte und des Pumpstromverbrauchs für Pumpspeicherkraftwerke erhält man den Bruttostromverbrauch. Werden hiervon noch die im Stromnetz anfallenden Übertragungsverluste (Leitungsverluste, Verluste im Umspannwerk etc.) abgezogen erhält man den Nettostromverbrauch (auch Endenergieverbrauch). Die Nettostromerzeugung errechnet sich aus der Bruttostromerzeugung („Generatorklemme“) abzüglich Kraftwerkseigenverbrauch.
„Benötigen auch wasserstofffähige Gaskraftwerke“
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Zum wiederholten Mal in Folge sehen wir einen Rekord beim Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch. Das ist der Lohn für den beharrlichen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik in den vergangenen Jahren. Genauso wichtig wie der Erneuerbaren-Ausbau sind die entsprechenden Infrastrukturen. Der Aus- und Umbau der Stromnetze sowie die Entwicklung von Speichern und innovativen Konzepten müssen mit dem Erneuerbaren-Ausbau Hand in Hand gehen. Denn grüner Strom bringt uns nichts, wenn er nicht genutzt werden kann. Hier muss die Bundesregierung die noch verbliebenen Hemmnisse aus dem Weg räumen.
Weiterhin wird Sektorkopplung zu einem wichtigen Baustein im Energiesystem der Zukunft und hier spielt die Erzeugung von Wasserstoff eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung muss sich in Brüssel für pragmatische Kriterien für grünen und klimaneutralen Wasserstoff einsetzen. Das gilt weiterhin auch für Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zentral ist zudem der Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Denn trotz der erfreulichen Zahlen: Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne ist nicht konstant. Wir brauchen gesicherte Leistung für Systemdienstleistungen und Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.“
„Schlüsseltechnologien (wieder) in Deutschland ansiedeln“
Prof. Dr. Frithjof Staiß, geschäftsführender Vorstand des ZSW: „Dieser erneute Rekord unterstreicht, dass eine effiziente, zuverlässige, sichere und treibhausgasneutrale Stromversorgung auf der Basis von nahezu 100 % erneuerbaren Energien inklusive Wasserstoff bis 2035 in Deutschland nicht nur erreichbar ist, sondern damit auch ein stabiles Fundament für die Industrie auf ihrem Weg zur klimaneutralen Produktion bietet.
Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass die Wertschöpfung bei der Produktion der Erneuerbare-Energien-Anlagen aktuell fast ausschließlich außerhalb Deutschlands und in großen Teilen auch außerhalb Europas stattfindet. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland den am 16. März 2024 verabschiedeten Net Zero Industry Act der EU ganz gezielt nutzt, um die Produktion der Schlüsseltechnologien Photovoltaik, Windenergie, Batterietechnologien, Elektrolyse, Brennstoffzellen und Stromnetzkomponenten (wieder) in Deutschland anzusiedeln. Gelingt dies nicht, werden die Lieferabhängigkeiten insbesondere von Ländern aus dem außereuropäischen Ausland weiter steigen.“ ■
Quellen: BDEW, ZSW / jv
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