Unter der Gesamtthematik „Erhaltung des kulturellen Erbes“ wurden mit Datum Februar 2008 drei Normentwürfe veröffentlicht, die unter der Regie italienischer Fachleute erarbeitet wurden. Obwohl es sich um Gebäude handelt, die teilweise mehrere hundert Jahre alt sind, gab es für Einsprüche nur ein extrem kurzes Zeitfenster bis zum 11. April 2008:
- [3] DIN EN 15757 (Entwurf) „Vorgaben für Temperatur und relative Feuchte zur Reduzierung von klimabedingter mechanischer Beschädigung in organischen hygroskopischen Materialien“ ,
- [2] DIN EN 15758 (Entwurf) „Methoden und Instrumente für die Messung der Lufttemperatur und der Oberflächenfeuchte von Objekten“ und
- [1] DIN EN 15759 (Entwurf) „Spezifikation und Kontrolle des Raumklimas – Beheizung von Kirchen“.
Die Einleitungen der drei Normentwürfe beinhalten teilweise umfangreiche Informationen. So wird im Entwurf der DIN EN 15757 eine Klassifizierung von Materialien in vier Klassen hinsichtlich Reaktion auf die relative Luftfeuchte RH (relative humidity) vorgenommen und allgemeine Empfehlungen formuliert. Es wird deutlich verwiesen auf:
- den Einfluss der Temperatur (hier mit <i>T</i> bezeichnet) und den indirekten Einfluss auf die relative Luftfeuchte,
- dass die Variabilität von <i>T</i> und <i>RH</i> nicht nur vom statischen Blickwinkel in Bezug auf zulässige Stufen und Bereiche gesehen werden sollte, sondern unter dynamischen Aspekten,
- die Anpassung der Materialien an das Umgebungsklima, d.h. Änderungen des Gleichgewichtsfeuchtegehaltes und
- dass die Stabilität und Konstanz des Klimas eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der Materialien hat.
Zeitbezogene Merkmale der Größen RH und T sind u.a. (wobei spezielle Daten dazu in einer gesonderten Norm erfasst und dokumentiert werden sollen):
- die Änderungsrate
- die Dauer der Zyklen und deren Häufigkeit der Änderungen
- die Änderungsgeschwindigkeiten
DIN EN 15758 beschreibt die bekannten Verfahren zur Messung der Luft- und Oberflächentemperatur von Kulturgütern, legt die einzuhaltenden Merkmale der Messgeräte und stellt Forderungen zur Kalibrierung auf.
Beheizung von Kirchen nach [1]
Unter dem Aspekt und Kontrolle des Raumklimas beschreibt der Normentwurf der DIN EN 15759 sowohl Heizstrategien als auch technische Lösungen zur Beheizung von Kirchen. Einleitend wird ausführlich beschrieben, dass
- das Raumklima einem kritischen Faktor bei der Erhaltung der Bausubstanz der Gebäude und der in ihnen aufbewahrten Gegenstände darstellt,
- ein ungeeignetes Raum-Mikroklima zu Materialschäden führt,
- die relative Feuchte <i>RH</i> der kritische Parameter ist,
- diese möglichst konstant gehalten werden sollte und
- und <i>RH</i> jedoch abhängig ist von der Temperatur <i>T</i> und dem „luftfeuchtebezogenen Mischungsverhältnis <i>MR</i> (mixing ratio = absolute Feuchte <i>x</i>).
Die früher unbeheizten Kirchen werden nach [1] aus zwei unterschiedlichen Gründen beheizt:
- a) Verbesserung der mikroklimatischen Bedingungen für die Erhaltung der Gebäude und der darin aufbewahrten Gegenstände ohne Berücksichtigung der thermischen Behaglichkeit und
- b) Verbesserung der thermischen Behaglichkeit der Kirchenbesucher und gleichzeitiger Begrenzung des Risikos für das Gebäude und die aufbewahrten Gegenstände.
Richtig bemerkt wird, dass es eine schwierige Aufgabe ist, eine Heizungsanlage zu finden, die die Anforderungen aller Situationen erfüllt, dass die Regelung des Raumklimas für jedes individuelle Gebäude eine einmalige und komplexe Aufgabe darstellt und dass die Auswahl des Heizungssystems und der Heizstrategie von einer Reihe von Faktoren abhängig ist, beispielsweise der Nutzung der Kirche, der Erhaltung des kulturellen Erbes, der Thermischen Behaglichkeit, den Kosten (Einbau, Betrieb und Wartung), der Energieeffizienz und der Nachhaltigkeit, dem optischen Eindruck, dem Einfluss auf die Gebäudestruktur, der Sicherheit, den nationalen und regionalen Vorschriften, der Ästhetik und den nationalen Traditionen.
Übliche Heizstrategien verdeutlicht Tabelle 1. Sie können auch komplementär sein, beispielsweise die Kombination einer intermittierenden und einer lokalen Beheizung. Im Einzelnen werden die Systeme (s.a. Tabelle 2) mit einigen Vor- und Nachteilen erläutert. Beachtenswert ist die kritische Wertung „Temperierung“ bei der Wandheizung, ihr wird nur der Einsatz zu Erhaltungszwecken zur Verringerung der Oberflächenfeuchte mit einem geringen Einfluss auf die Behaglichkeit und möglicher Erhöhung der Salzbelastung der Wände zugeordnet.
In den allgemeinen Empfehlungen wird nochmals auf die Einflussgrößen verwiesen und betont, dass die Wärme lokal vorrangig dem Bereich zugeführt wird, in dem sich Menschen befinden, und dass die Störungen des Klimas in der direkten Umgebung der historischen Einrichtungsgegenstände so gering wie möglich sein sollten. Nach dem Normenentwurf DIN EN 15759 ist eine optimale Beheizung durch Anwendung der folgenden Maßnahmen möglich:
- „Auswahl von Heizquellen, die die Wärme durch Strahlung direkt auf den Kirchenbesucher übertragen;
- Anordnung der Niedrigtemperaturstrahler in der Nähe der Menschen, um das Risiko der Überhitzung der Oberflächen zu verhindern, für die dies unerwünscht ist;
- Es sollte darauf geachtet werden, das Risiko der Verbrennung der Haut sowie das Risiko von Feuer zu vermeiden;
- Betrieb der Heizungsanlagen so kurz wie möglich halten;
- Modulare Gestaltung der Heizungsanlagen, so dass Teilbereiche unabhängig beheizt werden können, sofern erforderlich.“
Grundsätzlich wird darauf verwiesen, dass die Auswahl des Heizungssystems mit einem „Konservierungsspezialisten“ (Restaurator) und dem Nutzer abzustimmen ist.
Kritische Bemerkungen
Bedauerlich ist, dass die klimatische Bewertung nur auf die Raumlufttemperatur im „Heizfall“ bezogen und nicht ganzjährig betrachtet wird. Obwohl die Lüftung (natürliche (freie) oder mechanische) einen entscheidenden Einfluss auf die absolute und die relative Feuchte des Raumklimas haben kann, wird diese in der Norm nicht berücksichtigt.
Ebenso wenig wird auf den Einfluss der Feuchtebelastung durch Personen bei der Nutzung der Kirchen, besondere bei Gewährleistung des Grundes b), die Frage der „Sommerkondensation“ und den Einfluss der Feuchtespeicherung in den Baumaterialien und auch den Materialien der Gegenstände (z.B. Orgel, Gemälde) eingegangen.
Nutzung stark schwankend
Insbesondere die Nutzung der Kirchen, die sich im Laufe der Jahre aus den unterschiedlichsten Gründen geändert hat, hat einen erheblichen Einfluss auf die Erhaltung des genannten „kulturellen Erbes“. Dies zeigen die Ergebnisse einer längerfristigen Messung von Raumlufttemperatur, Raumluftfeuchte, Oberflächenfeuchte und -temperatur seit 2004. Die Nutzungsfrequenz der Kirche unterlag erheblichen Schwankungen (stärkerer Besuch des Gottesdienstes an kirchlichen Feiertagen, Veranstaltungen, Hochzeiten). Während die durchschnittliche Nutzung der Kirche in dem Beobachtungszeitraum auch in der Schwankungsbreite relativ konstant blieb, sind bei den monatlichen Besucherzahlen erhebliche Schwankungen und Spitzen zu beobachten (Bild 1).
Gab es im Jahr 2004 gerade mal einen Monat mit mehr als 1000 Besuchern, so stieg die Anzahl im Jahr 2007 auf fünf Monate, wobei die letzten Tage im Dezember 2007 (Weihnachten) noch nicht in die Darstellung eingeflossen sind. Der Höchstwert wurde im Juni 2007 mit 2656 Besuchern erreicht. Ein Grund dafür waren in diesem Monat 15 Vermählungen, d.h. es fanden 3 bis 4 Vermählungen an einem Tag statt. Dies bedeutet, dass ein hoher Feuchteeintrag durch die Personen (man kann im Mittel von 50 bis 70 g/h ausgehen) vorhanden war.
Problematische Feuchtebelastung
Die Außenluftbedingungen wurden ebenfalls gemessen und zeigen im Betrachtungszeitraum keine Auffälligkeiten (Bild 2), so dass sie kaum einen nennenswerten Einfluss auf die folgenden Messergebnisse infolge von natürlicher Lüftung (Öffnen der Türen, Undichtheiten im Gebäude und an der Fensterkonstruktion) haben konnten. In der Kirche ist jedoch ein permanenter Anstieg der relativen Feuchte zu erkennen, die sowohl im Bereich des Altars als auch der Orgel die oberen Grenzwerte überschritten bzw. nahe an der oberen Grenze lagen (Bilder 3 und 4).
Durch die hohe Feuchtebelastung durch die Besucher steigt die Oberflächenfeuchte. Da diese aber nicht mehr ausreichend die Belastung kompensieren kann, ist folgerichtig ein Ansteigen der relativen Feuchte gegeben (Bilder 5 und 6).
Schimmelgefahr für Bauteile
Kritisch sind die hohen relativen Feuchten im Winter. Sie müss(t)en auf jeden Fall vermieden werden. Setzt sich diese Tendenz fort, so ist zu erwarten dass es an unterschiedlichen Bauteilen, besonders im Orgelbereich an schlecht belüfteten oder angeströmten Gegenständen oder im Bereich vorhandenen Wärmebrücken zur Kondensation und Schimmelpilzbildung kommen kann.
Einzige Lösungsoption scheint ein gezieltes Lüften mit Außenluft nach der Feuchtebelastung zu sein, wenn die absolute Feuchte der Außenluft kleiner ist als der obere Grenzwert der absoluten Feuchte. Dieses Lüften, ob durch natürliche Lüftung (gezieltes Öffnen von Türen und Öffnungen im Deckenbereich zum Dachgeschoss) oder zeitlich determiniertes mechanisches Lüften, ist jedoch energetisch ungünstig.
Achim Trogisch
Prof. Dr.-Ing., lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) im Fachbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik auf dem Gebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89, E-Mail: trogisch@mw.htw-dresden.de, http://www.htw-dresden.de/mb