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Fehlfunktionsanalyse

Folgenreich verrechnet

Kompakt informieren

  • Bei Geothermie-Wärmepumpensystemen im gewerblichen Bereich werden die vorhandenen Potenziale nicht immer voll ausgeschöpft, insbesondere weil die Anlagen deutlich komplexer als herkömmliche Heizungssysteme sind und die konkreten Bedingungen vor Ort nicht genau berücksichtigt werden.
  • In der Regel lassen sich Planungsmängel bei Geothermie-Wärmepumpensystemen nicht durch einfache Nachbesserungen beseitigen.
  • Um dem vorzubeugen, müssen neue Methoden und Werkzeuge, wie eine thermodynamische Anlagensimulation für den Betrieb mit ganzjährigen Bilanzanalysen, in die Planung einbezogen werden.

Oberflächennahe Geothermie gehört zu den kostengünstigsten und umweltschonendsten Verfahren, um Gebäude sowohl mit Heizwärme als auch Kälte zu versorgen. Die Erdwärme steht fast überall und unabhängig von Jahreszeiten und Witterung zur Verfügung. Für Bauherren sind Geothermie-Wärmepumpen deshalb eine saubere und wirtschaftliche Alternative – nicht nur zu traditionellen Brennstoff-Heizsystemen.

Zudem gibt das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) vor, dass erneuerbare Energien anteilig beim Heizen und Kühlen von Neubauten eingesetzt werden müssen. Daher sind die Absatzzahlen für Geothermie-Wärmepumpensysteme im gewerblichen Bereich in den letzten Jahren deutlich gestiegen – auch, weil diese Systeme sehr energieeffizient arbeiten. Im Schnitt beträgt die bereitgestellte Wärmemenge das Drei- bis Fünffache der eingesetzten elektrischen Antriebsenergie. Für den Einsatz in Büro- und Gewerbeimmobilien spricht auch, dass beim Kühlen die Energiebilanz noch positiver ausfällt. Hier können System-Jahresarbeitszahlen von 10 bis 35 durch freie Kühlung im Erdreich erzielt werden.

Doch nicht immer werden die Potenziale der Geothermie in der Praxis voll ausgeschöpft. Dies liegt vor allem daran, dass die geothermischen Wärmequellen und -speicher deutlich komplexer als herkömmliche Heizungssysteme sind. Hier fehlen den planenden und ausführenden Unternehmen häufig Erfahrungswerte im Umgang mit der neuen Technologie. Dies kann den Erfolg des Projekts gefährden. Denn Fehler bei der Planung können dazu führen, dass die Anlage nicht effizient arbeitet und im ungünstigsten Fall komplett versagt.

Ein durchaus typisches Konzept …

Das war der Fall bei einem neu errichteten Bürogebäude, das mittels einer elektrischen Wärmepumpe das ganze Jahr über mit Wärme und Kälte versorgt werden sollte. Geplant und ausgeführt wurden dafür jeweils in 74 m tiefen Bohrlöchern 54 Erdsonden, die von einer Wasser-Glykol-Lösung durchströmt werden. Die Sole transportiert die Wärme zur Wärmepumpe, die das Temperaturniveau erhöht und so das Heizwasser erwärmt. Insgesamt vier Wärmespeicher mit einem Volumen von jeweils 1,5 m3 wurden zum Ausgleich von Bedarfsspitzen installiert.

Im Sommer kann die Wärmepumpe als Kältemaschine arbeiten oder die Büroräume über freie Kühlung klimatisieren. Dazu nimmt sie die Wärme aus dem Gebäude auf und führt diese über die Sonden in den Boden ab und regeneriert so gleichzeitig das Reservoir im Erdsondenfeld für die Heizperiode.

… versagt nach drei Jahren Betrieb

Nach drei Jahren traten jedoch erste gravierende Fehlfunktionen auf. An einem kalten Wintertag im Januar zeigte die Geothermie-Wärmepumpe eine Störungsmeldung an und schaltete sich ab. Die Haustechniker konnten die Wärmepumpe nicht wieder in Betrieb nehmen und machten sich auf die Suche nach dem Fehler. Der blieb allerdings lange ein Rätsel, da alle Bauteile bestimmungsgemäß funktionierten und offensichtlich kein Defekt einer System-Komponente vorlag.

In der Folge machten sich Betreiber, Errichter und Planer gegenseitig für das Versagen der Anlage verantwortlich, sodass der Fall schließlich vor einem Landgericht verhandelt wurde. Um zu klären, wer tatsächlich die Verantwortung für das Versagen der Anlage trägt, beauftragte das Gericht Energieexperten von TÜV SÜD, die Gründe für den Ausfall der Wärmepumpe zu analysieren und ein gerichtsfestes Gutachten zu erstellen.

Den konkreten Auslöser für die Störung konnten die TÜV SÜD-Experten zügig lokalisieren. Der Temperaturwächter, der im Vorlauf des Geothermiekreislaufs installiert war, hatte die Wärmepumpe automatisch abgeschaltet, weil die Temperatur der Sole den Grenzwert von 0,5 °C erreicht hatte Abb. 2. Dieser Schutzmechanismus ist planmäßig vorgesehen, um zu verhindern, dass die Erdsonden vereisen. Damit war nun die Aufgabenstellung klar: Die Energieexperten mussten herausfinden, warum die Temperatur der Sole im Vorlauf bis auf diesen kritischen Wert sinken konnte.

Energetisch Bilanz ziehen

Da keines der Bauteile des Geothermie-Wärmepumpensystems defekt war, konnte die klassische Schadensanalyse beim Finden der Ausfallursache offensichtlich nicht weiterhelfen. Deshalb setzten die TÜV SÜD-Experten auf die so genannte Fehlfunktionsanalyse, eine Untersuchungsmethode, die vor allem im Bereich komplexer Energiesysteme zunehmend nachgefragt wird. Dazu analysierten sie alle Energieströme der Geothermieanlage anhand thermodynamischer Bilanzen und ermittelten die relevanten Kennzahlen.

Als erstes überprüften die Experten die vorhandenen Planungsunterlagen. Dabei stellten sie fest, dass die angenommenen Werte nicht mit den tatsächlichen Bedingungen vor Ort übereinstimmten. Dies betraf sowohl den Jahresheizwärmebedarf, die Spitzenheizlast als auch die Kühllastberechnung.

So betrug die Norm-Gebäudeheizlast 180 kW statt der in den Planungsunterlagen angenommenen 130 kW. Denn für die Differenz zwischen der Innen- und Außentemperatur wurde ursprünglich von 24 K ausgegangen. Dieser Wert erwies sich als zu klein. Bei einer angenommenen Innentemperatur von 21 °C und einer Norm-Außentemperatur von – 12 °C ergibt sich eine deutlich höhere Temperaturdifferenz von 33 K.

Allerdings war dies nicht der Grund für den Ausfall der Wärmepumpe, da diese mit einer maximalen Leistung von 212 kW ausreichend dimensioniert war.

Das Sondenfeld war unterkühlt

Wichtig für die Funktionalität der Wärme-pumpe ist allerdings die korrekte Auslegung des Erdsondenfelds. Im hier beschriebenen Fall wurden durch einen „Thermal Response Test“ zunächst die thermischen Eigenschaften des Bodens bestimmt (spezifische Leitfähigkeit, spezifische Wärmekapazität und Wärmestromdichte) und mit den ermittelten Daten eine Simulation des Temperaturfeldes im Erdreich durchgeführt.

Im Rahmen der Simulation wurde unterstellt, dass das Wärmereservoir nicht durch externe Quellen wie zum Beispiel zufließendes Grundwasser regeneriert wird. Trifft diese Randbedingung in der Praxis zu, müssen für eine ausgeglichene Jahreswärmebilanz die entzogene und zurückgeführte Wärmemenge zumindest annähernd gleich sein. Denn wird dauerhaft mehr Wärme entnommen als zugeführt, kommt es im Laufe der Jahre zu einer kontinuierlichen Absenkung der Bodentemperatur. Die Analyse der TÜV-SÜD-Experten ergab, dass auch unter günstigsten Bedingungen nur rund 88 % der entnommenen Wärme dem Boden wieder zugeführt wird.

An der Realität vorbei geplant

Wie sehen nun die Energieströme im Januar aus, wenn von dem gesamten System die maximale Heizlast gefordert wird? Dazu wurde bei der ursprünglichen Planung ein Lastprofil zugrunde gelegt, das von einem Wärmeentzug im Januar von 42,4 MWh ausgeht. Daraus resultieren eine durchschnittliche Entzugsleistung von 57,9 kW und eine mittlere Temperaturspreizung zwischen Vor- und Rücklauf des Geothermiekreislaufs von 1,3 K.

Für den Monat Januar ermittelten die Planer eine Bodentemperatur von 5,5 °C und eine mittlere Fluidtemperatur TFL von 3 °C. Daraus ergeben sich theoretisch eine Vorlauftemperatur TVL von 2,35 °C und eine Rücklauftemperatur TRL von 3,65 °C. Somit sollte der Temperaturwächter die Wärmepumpe nicht automatisch abschalten, da die Temperatur im Vorlauf deutlich über der Notaus-Temperatur von 0,5 °C liegt.

Doch dies ist im realen Betrieb nicht der Fall, wie die Abschaltung durch den Temperaturwächter zeigt. Die Energieexperten des TÜV SÜD fanden heraus, dass – von der Planung abweichend – vom gesamten System im Januar die Spitzenlast von 212 kW gefordert wird. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Leistungszahl der Wärmepumpe in diesem Monat wegen niedriger Boden- und Sole-Temperaturen auf 3,5 reduziert. Dies alles führt dazu, dass die tatsächliche Entzugsleistung bei Anforderung der Spitzenlast 151 kW betrug und damit 2,5-mal höher als die ursprünglich angenommenen 57,9 kW war.

Die Fehleinschätzung hatte gravierende Folgen. Denn aus der 2,5-fachen Entzugsleistung folgt, dass auch die 2,5-fache Temperaturdifferenz zur Wärmeübertragung zwischen Sole und Erdreich erforderlich ist. Diese beträgt demzufolge 5,25 K und es ergibt sich eine mittlere Sole-Temperatur von TFL = – 0,75 °C. Parallel erhöht sich mit der Leistung auch die Temperaturspreizung zwischen Vor- und Rücklauf um den Faktor 2,5. Damit würden sich bei Anforderung der Spitzenlast die Rücklauftemperatur der Sole auf TRL = 0,8 °C und eine Vorlauftemperatur von TVL = – 2,4 °C einstellen. Der Wert für die Vorlauftemperatur ist jedoch nicht zulässig, da er den Grenzwert erheblich unterschreitet. Der Temperaturwächter schaltet also funktionsgemäß die Wärmepumpe automatisch ab, um das Einfrieren des Sondenfelds zu verhindern.

Pufferspeicher ohne Pufferwirkung

Somit konnte eindeutig geklärt werden, warum der Temperaturwächter die Abschaltung vornahm. Doch warum musste die Wärmepumpe im Januar alleine die Spitzenlast bereitstellen? Eigentlich hätten hier die Wärmespeicher ihre Pufferwirkung einbringen sollen, doch dazu waren sie offensichtlich nicht in der Lage. Die Experten von TÜV SÜD konnten zwei Ursachen identifizieren. Zum einen war die Speicherkapazität mit insgesamt 85 kWh zu niedrig ausgelegt. Bei Anforderung der Spitzenlast hätte die gespeicherte Wärmemenge gerade einmal ausgereicht, das Gebäude für rund 40 min bedarfsgerecht mit Heizenergie zu versorgen. Zum anderen waren die Wärmespeicher falsch in das System integriert worden. Die beiden Speicher für den Heizkreislauf waren im Rücklauf installiert und demzufolge mit bereits ausgekühltem Heizwasser gefüllt. Ihre Funktion als Wärmespeicher konnten sie daher nicht erfüllen.

Nicht besser sah es bei den Speichern im Sole-Kreislauf aus. Da die Temperatur der Sole im Januar nur 3,6 °C beträgt und der Temperaturwächter bei 0,5 °C Vorlauftemperatur die Anlage abschaltet, war das Speicherpotenzial auf 3,1 K begrenzt. Somit arbeitete das Gesamtsystem de facto ohne Pufferkapazitäten. Dies führte dazu, dass die Wärmepumpe die gesamte Spitzenlast alleine leisten musste. Als dann im Januar die Spitzenlast gefordert wurde, war das automatische Abschalten der Anlage die logische Konsequenz.

Fazit

Die Analyse der TÜV-SÜD-Experten zeigt, dass das Versagen der geothermischen Wärmepumpe durch eine umfassendere und exaktere Planung hätte vermieden werden können. Zwar verfügen Fachplaner, Architekten und Installateure in der Regel über langjährige Erfahrung mit Heizungs- und Kühlsystemen auf Basis konventioneller Technologien. Doch diese lassen sich nicht analog auf geothermische Anlagenkonzepte und andere alternative Heizungs-, Klima- und Gebäudetechniken übertragen.

Gerade wenn regenerative Energiequellen (außer Biomasse) genutzt werden, sind die konkreten Bedingungen vor Ort ausschlaggebend und die Komplexität der Anlagen steigt stark. Um diese Herausforderung zu meistern, müssen neue Methoden und Werkzeuge, wie eine thermodynamische Anlagensimulationen für den Betrieb mit ganzjährigen Bilanzanalysen, in die Planung einbezogen werden.

Denn werden Energiebedarf oder Energieströme falsch eingeschätzt und nicht korrekt erfasst, führt dies dazu, dass Anlagen falsch ausgelegt und dimensioniert werden. Daraus resultieren hohe Folgekosten, da die Systeme weniger effizient als geplant arbeiten oder ihren Zweck nicht oder nur teilweise erfüllen können. In der Regel lassen sich Planungsmängel nicht durch einfache Nachbesserungen beseitigen. Es können kostenintensive Zusatzinvestitionen notwendig werden, zum Beispiel in herkömmliche Heiztechnik, um im Winter eine ausreichende Wärmeversorgung zu gewährleisten.

Fachplaner, die ihre Projekte und Analysen daher bereits in der Planungsphase absichern möchten, sollten auf die Expertise unabhängiger, erfahrener Energieexperten bei der Prüfung ihrer Entwürfe zurückgreifen. Dies sichert den Projekterfolg, erhöht die Transparenz gegenüber dem Auftraggeber und schützt vor späteren Regressansprüchen seitens des Bauherrn.

Dr. Jörg Sager

Abteilung Energiesysteme, TÜV SÜD Industrie Service GmbH, Region Nordost, 01159 Dresden, Telefon (03 51) 4 20 23 32, joerg.sager@tuev-sued.de, www.tuev-sued.de/is

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