Der Referentenentwurf zur Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes hebt das Klimaziel für 2030 auf eine Minderung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 von 55 auf 65 % an.
Deutschland wird bis 2045 klimaneutral und beschreibt den Weg dahin mit verbindlichen Zielen für die 2020er- und 2030er-Jahre. Das ist der Kern der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes, die das Bundeskabinett am 12. Mai auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze beschlossen hat. Bislang war das Ziel der Bundesregierung Klimaneutralität 2050, nun lautet es Klimaneutralität 2045. Das soll noch nicht das Ende sein, ab 2050 strebt die Bundesregierung negative Emissionen an…
Das Zwischenziel für 2030 wird von derzeit 55 auf 65 % Treibhausgasminderung gegenüber 1990 erhöht. Für 2040 gilt ein neues Zwischenziel für die Minderung der Treibhausgasemissionen von 88 %. Die Klimaschutzanstrengungen werden so bis 2045 fairer zwischen den jetzigen und künftigen Generationen verteilt. Dazu hatte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung am 29. April 2021 aufgefordert (Klimaurteil).
Sofortprogramm angekündigt
Die Bundesregierung wird zudem in den nächsten Wochen mit einem Sofortprogramm erste Weichenstellungen für das neue Ziel vornehmen. Das geht aus einem begleitenden Beschluss des Bundeskabinetts vom 12. Mai 2021 hervor.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Mit diesem Gesetz schaffen wir mehr Generationengerechtigkeit, mehr Planungssicherheit und einen entschlossenen Klimaschutz, der die Wirtschaft nicht abwürgt, sondern umbaut und modernisiert. Ich spreche dabei nicht von einer Verschärfung der Klimaziele, sondern es geht mir um die Entschärfung der Klimakrise.
Das Bundes-Klimaschutzgesetz setzt den Rahmen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Es stellt uns alle vor eine große Aufgabe. Denn es geht nicht um Mathematik, es geht um die Art, wie wir künftig leben, produzieren, heizen und uns fortbewegen wollen. Das betrifft viele Politikbereiche. Künftig müssen alle Ministerien mehr denn je Klimaschutzministerien sein.“
Energiewirtschaft und Industrie müssen den größten Teil übernehmen
Der Referentenentwurf für die Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes führt das System der jahresscharfen zulässigen Emissionsmengen für die einzelnen Sektoren für die 2020er Jahre fort und senkt sie deutlich ab. Den Löwenanteil der zusätzlichen Minderung bis 2030 müssen dabei die Energiewirtschaft und die Industrie übernehmen.
Dies folgt laut Schulze einerseits dem ökonomischen Gedanken, dort zu mindern, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind, andererseits sind der Industrie- und Energiesektor weiterhin die Sektoren mit den höchsten Emissionen. Hinzu kommt, dass hier eine erneuerbare Energieversorgung der Schlüssel für Emissionsminderungen in allen anderen Sektoren ist, in denen erneuerbar erzeugter Strom fossile Brenn- und Kraftstoffe ersetzen kann. Im Gebäudesektor wurden die Ziele nur in sehr geringem Umfang verändert, unterm Strich bedeuten sie, dass der Gebäudesektor sein bisheriges 2030-Ziel 228 Tage früher erreichen muss, rechnerisch also am 16. August 2030 statt am 31. Dezember 2030.
Wegen des EU-Klimaziels muss eventuell noch nachgebessert werden
Das neue deutsche Klimaziel für 2030 soll auch das neue höhere EU-Klimaziel für 2030 (55 statt 40 % gegenüber 1990) berücksichtigen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor knapp zwei Wochen hatte sich die Bundesregierung entschlossen, mit der Umsetzung der EU-Einigungen nicht zu warten, sondern diese bereits zu antizipieren und später bei Bedarf zu aktualisieren. Laut Schulze habe das den Vorteil, dass so keine Zeit verloren geht. Es dürfte allerdings auch viel Kalkül angesichts der anstehenden Bundestagswahl 2021 eine Rolle gespielt haben.
Auch für die 2030er-Jahre sieht das Gesetz für jedes einzelne Jahr konkrete Minderungsziele vor. Wie diese zwischen den Sektoren aufgeteilt werden, wird allerdings erst im Jahr 2024 entschieden, wenn auf europäischer Ebene wichtige Weichen für die künftige Klimaschutz-Architektur gestellt sind.
Senkenausbau zur Kompensation unvermeidbarer Emissionen
Neu ist auch eine Zielvorgabe für den Erhalt und den Ausbau der natürlichen Senken, wie Wälder und Moore. Sie werden benötigt, um die unvermeidbaren Restemissionen von Treibhausgasen, etwa aus der Viehhaltung oder bestimmten Industrieprozessen, zu kompensieren.
Der Senkenausbau benötigt einen langen Vorlauf. Darum will die Bundesregierung schon jetzt beginnen, die Wiedervernässung von Mooren und den notwendigen Waldum- und -ausbau zu intensivieren. Nach dem Jahr 2050 strebt die Bundesregierung negative Emissionen an, dann soll Deutschland mehr Treibhausgase in natürlichen Senken einbinden, als es ausstößt.
Rolle des Expertenrats für Klimafragen gestärkt
Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes wird auch die Rolle des Expertenrats für Klimafragen gestärkt. Der Rat wird nun alle zwei Jahre einen Bericht über die bisherige Zielerreichung und über Trends vorlegen.
8-Mrd.-Euro-Sofortprogramm
Zusätzlich zum Beschluss des neuen Bundes-Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung ein Sofortprogramm angekündigt, mit dem sie die Umsetzung der neuen Klimaschutzziele für die verschiedenen Sektoren unterstützen wird. Dies soll mit zusätzlicher Förderung im Umfang von bis zu 8 Mrd. Euro geschehen – aber auch mit zusätzlichen Vorgaben.
Beispielsweise sollen die Energiestandards für Neubauten angehoben werden. Vorgesehen ist auch, dass Heizungen, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, nicht mehr gefördert werden.
Und die Kosten der CO2-Bepreisung sollen künftig nicht mehr allein von den Mietern, sondern zur Hälfte von den Vermietern getragen werden. Damit soll die Wirkung der CO2-Bepreisung verbessert werden, da Vermieter über energetische Sanierungen und die Art der Heizung entscheiden.
Zur Finanzierung eines Teils der Ausgaben für den Klimaschutz will die Bundesregierung den Abbau klimaschädlicher Subventionen prüfen.
Download des begleitenden Beschlusses Klimapakt Deutschland. ■
Siehe auch:
Wie der Gebäudesektor die Klimaziele erreichen kann
Erneuerbare: Gibt es Öko-Energie ohne Grenzen?
Klimaneutralität in Deutschland bereits 2045 möglich
Messgröße der Energiewende sollte ein CO2-Budget sein
Gebäudesektor verfehlt Bundes-Klimaschutzgesetz