„Mit über die Wärmebereitstellung hinausgehenden Möglichkeiten können Wärmepumpen aus der verengten Kaufpreisbetrachtung gelöst und als langfristige und strategische Investition positioniert werden.“
GV
Lange hat die Heizungsindustrie das Narrativ gepflegt, Brennwerttechnik sei das Nonplusultra, weil sie eine Brennstoffausnutzung an den technischen Grenzen ermöglicht. Dies verkennt, dass echte Anlagen mit Prüfständen wenig zu tun haben und die reale Betriebsweise auch die beste Entwicklungsarbeit ruinieren kann.
Dass dieser Zustand nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, wurde vom Gesetzgeber lange ignoriert. Erst in der Gasmangellage konnte er sich zur verbindlichen Heizungsprüfung und -optimierung durchringen.
Dass es das Potenzial Effizienzhebel überhaupt gibt, resultiert auch aus dem Eintrichtern „bestmögliche Technik, nur noch an die Wand schrauben“. Es hat dazu geführt hat, dass eine ganze Branche an Kompetenz eingebüßt hat und die Qualitätssicherung der eigenen Leistung als Bedrohung sieht. Statt intelligenter Digitalisierung und Automatisierung sind Werkseinstellungen der Standard. „Hauptsache warm“ ist aber beschämend wenig Kundenorientierung.
„Anhaltende Realitätsverweigerung“
Inzwischen hat die Gaswirtschaft mit einer verheißungsvoll klingenden Erzählung übernommen: Werden nicht möglichst alle Verteilnetze an eine Wasserstoffversorgung angeschlossen, werde „eine sichere und bezahlbare Wärmeversorgung vieler Haushalte in weite Ferne rücken“ und, das darf natürlich nicht fehlen „der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet“.
Je nach Kontext wird ergänzt, dass mit Wasserstoff-Heizungen auch die energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands entfallen könne. Diese Sichtweise der Gaswirtschaft auf Wasserstoff im Raumwärmemarkt lässt sich wohl am besten mit dem Pippi-Langstrumpf-Syndrom (… „Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt“) beschreiben: Ein Zustand starker und anhaltender Realitätsverweigerung, (gepaart mit massiver Erkenntnis- und Beratungsresistenz).
Wärmepumpenhochlauf macht Wasserstoff günstiger
Auf sehr lange Sicht ist billiger Wasserstoff durchaus realistisch, jedoch unter anderen Voraussetzungen. Einen Einfluss darauf wird auch der Gebäudesektor haben. Die Elektrifizierung von Raumwärme und Trinkwassererwärmung erfordert ein Stromsystem, indem dann über längere Zeiträume günstiger grüner Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zur Verfügung steht. Zugespitzt: Günstigen Wasserstoff wird es nur mit vielen Heizungs-Wärmepumpen geben.
Dann kommt schnell die kalte Dunkelflaute auf den Tisch. Ein ernst zu nehmendes Szenario, allerdings zeigen Studien, dass mit ohnehin angezeigten Maßnahmen auch dann die Versorgungssicherheit gewährleistet ist und Wasserstoff-Heizungen die Herausforderungen kaum entschärfen.
Heizungs-Wärmepumpen können kühlen…
Heizungs-Wärmepumpen bieten aber noch ganz andere Möglichkeiten. Zunächst einmal können sie prinzipiell und zunehmend auch serienmäßig vorbereitet zur Raumkühlung eingesetzt werden. Zur Optimierung einer Gas- oder Öl-Heizung gibt es hingegen – ohne Hybridisierung – neben einem günstigen Brennstoffeinkauf nur den bisher kaum angesetzten Effizienzhebel (der auch vielen bestehenden Wärmepumpensystemen gut tun würde).
…systemdienlich betrieben werden…
Und neben dem Effizienzhebel gibt es weitere Ansätze zur Betriebsoptimierung: Dynamische Stromtarife inklusive Zeiten mit negativen Preisen, die Eigenstromnutzung, die Teilnahme an virtuellen Kraftwerken, Erlöse aus netzdienlichem Betrieb gepaart mit einer vorausschauenden Einsatzplanung inklusive einer dynamischen Berücksichtigung des Treibhausgas-Rucksacks im Strommix, die Kopplung mit dem Stromspeicher eines Elektroautos …
…und geben der Heizung eine erweiterte Rolle
Erste Projekte zeigen, dass Wärmepumpen damit aus der verengten Kaufpreisbetrachtung gelöst werden und mehr als das wahrgenommen werden, was heute jede neue Heizung ist: eine langfristige und auch eine strategische Investition. Mit zunehmend intelligent in das Energiesystem eingebundenen Wärmepumpen bekommt die Heizung eine neue Bedeutung mit Funktionen weit über das Gebäude hinaus. Aus den genannten Optionen zur Betriebsoptimierung ergibt sich aber auch eine Herausforderung für die Branche: Die Jahresarbeitszahl kann dann nicht mehr das richtige Maß sein – sie berücksichtigt weder den Preis des eingesetzten Stroms noch die (vermiedenen) Treibhausgasemissionen.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA+E Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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