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Energieträger

BDEW: Bundestag soll 19 % Umsatzsteuer auf Erdgas vereiteln

volkerr – stock.adobe.com

Die temporär abgesenkte Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme soll ab 1. Januar 2024 von 7 % wieder auf 19 % steigen. Der BDEW warnt vor steigenden Kosten.

Laut Medienberichten hat das Bundeskabinett am 11. Oktober 2023 beschlossen, die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme drei Monate früher als ursprünglich beschlossen bereits ab 1. Januar 2024 wieder von 7 % auf den regulären Satz von 19 % anzuheben. Entsprechende Pläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) waren bereits Ende August 2023 bekannt geworden. Der Rückfall auf 19 % Umsatzsteuer verteuert Erdgas um 11,2 %.

Hierzu erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Mitten in der Heizperiode will die Bundesregierung die Abgabenlast auf Gas erhöhen. Es besteht damit jetzt die Gefahr, dass die Gaspreise für viele Haushalte steigen. Das wäre ein Unding, zumal weitere Preisrisiken aufgrund der geopolitischen Lage entstanden sind. Zur Verlängerung der Energiepreisbremsen gibt es zudem immer noch keine Klarheit.“

Anmerkung der Redaktion: Die Bundesregierung hat am 11. Oktober 2023 auch die Verlängerung der Preisbremsen für Strom, Erdgas und leitungsgebundene Wärme um drei Monate bis zum 31. März 2024 beschlossen. Der Verlängerung muss aber noch von der EU-Kommission genehmigt werden.

Andreae hat den Deutschen Bundestag aufgefordert, den Kabinettsbeschluss zu kippen und verlangt, dass Verbraucher in der kommenden Heizsaison mit allen ihren Unwägbarkeiten vor hohen Preisen geschützt werden. Schon im Vorfeld hatte sich der BDEW zusammen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband für ein synchrones Auslaufen der Preisbremsen und der temporären Mehrwertsteuersenkung auf Gas und Wärme erst zum 31. März 2024 ausgesprochen.

„Energiepreise sind immer noch höher als vor der Energiepreiskrise“

In einem offenen Brief von BDEW und vzbv vom 5. Oktober 2023 zum Auslaufen der Energiepreis-Entlastungen an die Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages und die Abgeordneten der zuständigen Bundestagsausschüsse heißt es: „Viele Verbraucher zahlen aktuell noch immer höhere Energiepreise als 2021 vor der Energiepreiskrise. Eine vorgezogene Erhöhung der Mehrwertsteuer und ein Auslaufen der Energiepreisbremsen zum Jahreswechsel kämen zur Unzeit. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher könnten erneut in Zahlungsschwierigkeiten geraten und hätten wohl kaum Verständnis für diese Maßnahmen.“

Mit der Preisargumentation müsste der BDEW dann auch konsequent dafür eintreten, dass künftig die CO2-Bepreisung ausgesetzt wird und alle Gasversorger die zum 1. Oktober 2023 gesenkten Umlagen auf Erdgas auch an die Verbraucher weitergeben.

Der Preis für Erdgas im Jahr 2021 lag für Einfamilienhäuser bei 7,06 Ct/kWh (inkl. 19 MwSt.). Die BDEW-Gaspreisanalyse weist für Juli 2023 einen Erdgaspreis von 14,81 Ct/kWh (inkl. 7 % MwSt.) aus. Die Preise bilden den Durchschnitt der im Markt verfügbaren Tarife für den jeweiligen Zeitraum ab. Neuverträge werden im Oktober 2023 im Bereich unter 10 Ct/kWh angeboten.

Es gab deshalb auch Stimmen aus der Branche, die sich gegen eine Verlängerung der Preisbremsen für Verbrauchertarife ausgesprochen hatten. Die Argumentation: Die Preisbremsen würden Kunden vom Wechsel des Energieanbieters zulasten der Steuerzahler abhalten.

Um welche Kosten geht es?

Bei einer verlängerten Gaspreisbremse würden Gaskunden mit einem vertraglichen Arbeitspreis von 10,79 Ct/kWh bei 7 % MwSt. von dieser nicht profitieren, weil ihr vertraglicher Arbeitspreis mit 19 % MwSt. erst den Referenzpreis von 12,0 Ct/kWh erreicht. Bei dieser Konstellation tritt bei der Mehrwertsteuererhöhung von 7 % auf 19 % auch die höchste absolute Steigerung von 1,21 Ct/kWh auf. Anmerkung: Dabei ist nicht berücksichtigt, dass ab 2024 auch der CO2-Preis steigen soll. Berücksichtigt man die angekündigt, aber noch nicht beschlossene überplanmäßige Erhöhung von 30 Euro/t auf 40 Euro/t (statt 35 Euro/t), bleibt im kombinierten Grenzfall der vertragliche Arbeitspreis nur bis 10,59 Ct/kWh (bei 7 % MwSt.) nach der Umsatzsteuererhöhung auf 19 % unter dem Referenzpreis von 12,0 Ct/kWh.

Welche Mehrkosten auf Gaskunden zukommen, hängt von mehreren Faktoren ab, zum einen vom individuellen Gasverbrauch und von der Witterung im ersten Quartal 2024. Im langjährigen Mittel fallen etwa 44 % des Gasverbrauchs in die Monate Januar bis März, es ist die verbrauchsstärkste 3-Monatsperiode innerhalb eines Kalenderjahrs. Legt man einen Anteil von 44 % als Prognose zugrunde, fallen 8800 kWh vom durchschnittlichen Gasverbrauch eines Einfamilienhauses (20 000 kWh/a) in den Zeitraum Januar bis März 2024.

Für den oben beschriebenen Grenzfall „Arbeitspreis erreicht mit 19 % MwSt. gerade den Referenzpreis der Gaspreisbremse“ steigen dann die Gaskosten um 106,48 Euro. In Mehrfamilienhäusern liegt der durchschnittliche Gasverbrauch bei 13 333 kWh/a. Der Anteil für die ersten drei Monate beträgt dann 5867 kWh und die Gaskosten steigen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer dann um 70,99 Euro.

Die meisten Kunden mit einem durchschnittlichen Verbrauch werden aber etwas geringere Mehrkosten haben, weil entweder die Preisbremse greift oder weil ihr vertraglicher Arbeitspreis schon unter dem Arbeitspreis des Grenzfalls liegt.

Absenkung der Umsatzsteuer war eigentlich ein „Unfall“

Eigentlich war die Absenkung der Umsatzsteuer auf Erdgas nur ein „Unfall“. Sie sollte für Erdgaskunden die schon beschlossene Gasbeschaffungsumlage abfedern. Als der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe Mitte August 2022 die Höhe der Gasbeschaffungsumlage von 2,419  Ct/kWh ab dem 1. Oktober 2022 bekannt gab, liefen die Drähte heiß:

Für einen Haushalt mit einem Erdgasverbrauch von 20 000 kWh/a hätte die Erdgas-Umlage Mehrkosten von 483,80 Euro zuzüglich 91,92 Euro Mehrwertsteuer (19 %) also insgesamt 575,72 Euro bedeutet. Drei Tage später kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine zeitlich befristete Absenkung der Mehrwertsteuer „auf Gas“ auf 7 % an, „damit Gaskunden keine Mehrkosten aus der EU-rechtlich erforderlichen Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage auferlegt werden“.

Mit der geplanten Übernahme von Uniper durch den Bund kamen aber schnell Bedenken auf, ob dann die Erdgas-Umlage rechtlich noch zu vertreten ist. Das Bundeskabinett hat dann am 30. September 2022 im Umlaufverfahren die Verordnung zur Aufhebung der Gaspreis­anpassungs­verordnung beschlossen und die Erdgas-Umlage damit rückabgewickelt. Am gleichen Tag hatte der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ beschlossen und dies trotz des entfallenen Zwecks nicht mehr korrigiert. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums hat die Absenkung dann sogar noch auf Flüssiggas (LPG) für Heizzwecke ausgedehnt. ■
Quelle: BDEW, BMF, eigene Berechnungen / jv

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